ANKATHIE KOI, 19.01.2018, Merlin, Stuttgart
„Rilääsch’nschips“, verkündet Ankathie Koi in unwiderstehlichem Austro-Dialekt, seien die Themen ihrer Songs. Egal welcher Orientierung, Hauptsache spannend. Und meistens gescheitert. Gerade hat die Wahl-Wienerin mit „Little Hell“ einen dieser Beziehungs-Songs beendet und schon hat sie den Laden mit ihrer lockeren Schnauze im Griff. Mit Charme und Witz – ist das der berühmte Schmäh? – hat sie die Distanz zum Publikum bereits überwunden und die Grundlage für einen wahrhaft denkwürdigen Gig gelegt.
Als „Pop Freak“ ist sie jedenfalls wie geschaffen für das gleichnamige Festival. Nicht umsonst ist sie das Covergirl der begleitenden Plakat- und Flyerkampagne. Mit ihrer schrägen Andreas-Brehme-Gedächtnis-Frise und den herben Gesichtszügen repräsentiert sie das Festival, dessen Protagonisten laut Festivalmacher Arne Hübner möglichst „am Puls der Zeit und am liebsten leicht bis arg neben der Spur“ seien sollen, auf’s Trefflichste.
Rein optisch ist der Auftritt jedenfalls deutlich aus der Spur. Mit einer gewagten Kombination aus schultergepolstertem Leoparden-Kunstfell-Bolero, Kunstleder-Hotpants und Schnürstiefeln wäre die Künstlerin selbst in den geschmackswirren Achtzigern aufgefallen. In Kombination mit dem Schnauz und der Mr-Spock-Frisur des Keyboarders, dem Umhänge-Keyboard und einem massiv hässlichen Elektro-Schlagzeug könnte man das Dargebotene schnell als skurriles Kuriositäten-Kabinett abtun. Aber weit gefehlt: Der Discosound ist besser als alles, was man als „Originale“ heranziehen könnte. Der puckernde Synthie-Bass und das äußerst synthetisch klingende Drumset legen jedenfalls eine mächtige Basis, auf der Ankathie Koi mit ihrer variantenreichen Stimme einen Disco-Kracher nach dem anderen intoniert. Dass dies mit einer ordentlichen Portion Humor und Selbstironie präsentiert wird, macht den Auftritt noch überzeugender.
Und dies klingt so authentisch achtzigermäßig, dass für mich als Zeitzeugen Bobby-Orlando-Produktionen wie The Flirts oder auch die Drag-Queen Divine wieder lebendig werden. Mit dem Austropop-Hype hat das recht wenig zu tun, hier lauert nicht hinter jeder Ecke Falco. Dies ist eine Performance internationalen Formats, die halt zufällig aus Österreich kommt.
Wie viel von der gebotenen Soundfülle tatsächlich live gespielt wird, wie viel von elektronischen Helferlein aufgeblasen oder aus der Retorte hinzugefügt wird, ist nicht immer zu erkennen. Letztlich aber auch egal. Das Merlin liefert perfekten Sound und eine amtliche Lightshow, Ankathie liefert exaltierte Tanzeinlagen, kokettiert mit dem Publikum, lässt sich Schnäpse auf die Bühne bringen und kündigt (glaubhaft) an, bald wieder nach Stuttgart kommen zu wollen.
Zur zweiten Zugabe lässt sie sich durch ein frenetisch jubelndes Publikum und mittels einer weiteren Runde Schnaps bewegen. Und dann setzt sie – mit einer Soul-Ballade solo am Piano und ihrer umwerfenden Stimme, die hier ganz besonders zur Geltung kommt – einen bravourösen Schlusspunkt unter ein rundum begeisterndes Konzert.