FRIEDRICH SUNLIGHT, 03.11.2017, Manufaktur, Schorndorf
Hintergrundinfo: Eigentlich ist für heute Abend unsere very own Ms. Janglemaier als Autorin gesetzt (Augsburg Connection), aus verschiedenen Gründen (B14-Sperrung, unberechenbares Life) wird daraus leider doch nichts. Speziell an diesem Abend wollen wir aber wegen großer Bandliebe auf keinen Fall auf die Berichterstattung verzichten und so springe ich gerne als Vertretungsschreiberin ein. An meine erste Begegnung mit Friedrich Sunlight kann ich mich nicht mehr mit absoluter Sicherheit erinnern. Es muss irgendwie über die Zeiglers wunderbare Welt des Pop Playlist, den Tapete Records Social Media Feed oder den geschmackssicheren Freundeskreis (oder alles gleichzeitig) gelaufen sein. Jedenfalls war da auf einmal dieser fantastische Popsong „Nicht ans Meer“ und Friedrich Sunlight, der beste Bandname seit langem. Ein Name, den man oft und gerne laut sagen will, weil er so gut über die Lippen geht. Und dann schwingt da soviel mit: Unbeholfenheit (wer heißt schon Friedrich?) und natürlich Sommer, aber irgendwie auch Nostalgie und Jetset und vertraut und fremd.
Dazu dieses Lied mit der grandiosen Textzeile „Nein, ich will nicht ans Meer, ich bleib‘ lieber in der Stadt.“ Endlose Jahre voller zwischenmenschlicher Missverständnisse in einem Satz zusammengefasst. Lasst mich doch in Ruhe mit eurem übertriebenen Sommer bzw. wenn schon Sommer, dann aus sicherer Entfernung, zum Beispiel von drinnen.
Die Manufaktur in Schorndorf ist noch sparsam gefüllt, als wir um halb neun eintreffen und sehr viel voller wird es heute leider nicht werden. Wie es manchmal so ist, gilt aber auch heute wieder, dass die überschaubare Menge des Publikums nicht zwangsläufig etwas über die Qualität der anstehenden Darbietung aussagt. Diejenigen, die hergefunden haben, dürfen sich wie üblich zu ihrer exzellenten Entscheidung beglückwünschen. Die anderen haben mal wieder keine Ahnung. Vor dem Konzert laufen die High Lllamas, nach dem Konzert Prefab Sprout, hier stimmen auch die Kleinigkeiten.
Eine Vorband gibt es keine und auch sonst bleibt wenig Zeit zum Aufwärmen. Aus Piano, Bass, Gitarre, Schlagzeug und Gesang besteht die Gruppe, fünf sympathische Herren stehen auf der Bühne in casual Outfits von nachtblauem Samtsakko bis „Tapete Records“-Sweatshirt.
„Wir sind Friedrich Sunlight aus Augsburg, Kalifornien,“ begrüßt Sänger Kenji die Zuhörenden. Seinen Look prägen Hosenträger und Prinz-Eisenherz-Frisur, er kann es wirklich tragen, sieht toll aus. Mit „Bahnsteig A“ geht es direkt mit einem der Hits vom selbstbetitelten Debütalbum los. Wer so hoch einsteigen kann, muss sich seinem Repertoire sehr sicher sein, unterstelle ich jetzt einfach mal. Und wir werden nicht enttäuscht.
Friedrich Sunlight spielen sich souverän und ziemlich tight durch ihr Programm. Zwischendrin gibt es charmante, deutsch-englische Ansagen, mal spielt Frontmann Kenji Gitarre oder Schellenkranz, mal singt er mit schüchtern auf dem Rücken verknoteten Armen. Man hört und sieht hier einfach gerne zu, weil das alles so wunderschön ist und weit weg von Anstrengung und Krach.
Und das ist möglicherweise das, was beim klassischen Indie/Gitarrenpop-Publikum für Irritationen sorgt. Wie kann soviel Harmonie denn noch ernstzunehmende Musik sein? Ist das noch Augenzwinkern oder schon Kitsch? Darf man überhaupt soviel Leichtigkeit verbreiten? Eines der charakteristischen Merkmale der Band, neben den eleganten, federleichten Songs, ist sicher Sänger Kenjis glockenklare Stimme. Dazu der internationale Akzent (Kenji kommt aus Kalifornien) und schon erinnert das, was ich als authentisch und ausdrucksstark empfinde andere an oberflächlichen Hochglanzpop oder noch schlimmer … *dramatischer Soundeffekt* … an Schlager.
Eine Vermutung: Möglicherweise lassen sich manche Musikfans von der Vorstellung abschrecken, dass sie hier einem Auftritt beiwohnen, den sie nicht einem amtlich beglaubigten, eindeutig unpeinlichem Genre zuordnen können. Und bevor sie ein Risiko eingehen (raus aus der musikalischen Komfortzone, unkontrollierbare Emotionen, Stirnrunzeln bei der Geschmackspolizei, Hilfe!) bleiben sie lieber zuhause.
Wie auch immer, Pech gehabt, wer das hier verpasst ist selber schuld. Wir genießen dafür „Drei nach zehn“ und „Nicht ans Meer“ und eine Handvoll vielversprechender neuer Stücke, von denen mich die letzte Zugabe „Kleines Haus“ besonders berührt. Ich bin gespannt und neugierig auf Album Nummer zwei.
Das Konzert geht gefühlt viel zu schnell vorbei, obwohl wir fünfzehn Stücke plus zwei Zugaben hörten. Es bleibt noch ausreichend Zeit zum Plattenkaufen und Plaudern und dann geht es für uns mit Herzchen in den Augen und Weißweinschorleschwips (Beifahrerin) durchs vollmondbeschienene Remstal nach Hause.