THE KING BLUES, LOUISE DISTRAS, 20.09.2017, Goldmark’s, Stuttgart
Als Jonny Itch Fox am 3. April 2012 das Ende von The King Blues verkündete, musste ich schweren Herzens einen Eintrag ganz oben auf meiner Konzert-Wunschliste streichen. In England war die Band längst einem größeren Publikum bekannt und trotz ihrer teils hochpolitischen und aggressiven Songs auf der Erfolgsspur. In Deutschland war man durch ihren Broilers-Support auf sie aufmerksam geworden. Und ihr Album „Punk & Poetry“ mit seiner Mischung aus Ska, Punk, Spoken Word, Indierock und Reggae fand sich in meiner Jahresbestenliste. Da im Nachgang zum Split auch noch öffentlich schmutzige Wäsche gewaschen wurde und Itch ein Soloprojekt startete, war mit einer Reunion eigentlich nicht zu rechnen. Als diese dann 2015 überraschend bekanntgegeben wurde und 2017 mit „The Gospel Truth“ sogar ein neues Album kam, durfte ich meine Wunschliste wieder ergänzen.
Bei vielen steht King Blues offensichtlich nicht mehr auf der Liste, denn der Andrang im Goldmark’s hält sich sehr in Grenzen. Dabei ist der Eintrittspreis moderat und mit Louise Distras ein spannender Support Act dabei. Louise eröffnet den Abend mit so viel positiver Energie und einer Mörderstimme, dass sich trotz der Leere vor der Bühne eine fröhliche Konzertstimmung einstellt. Sie greift derart beherzt in die Saiten, dass schon nach wenigen Titeln eine davon den Geist aufgibt. Musikalisch bewegt sie sich in der Schnittmenge von Frank Turner und Riot Grrls und spielt sich sofort auf meine Liste „Unbedingt nochmal hören, gerne auch mit Band“.
Let’s hang the landlord from the top of the stairs
The King Blues eröffnen das Set mit einem ihrer Hits vom zweiten Album „Save the World. Get the Girl“, der ganz typisch ist für ihr Werk: Agitprop-Lyrics, zwingende Hooklines, tanzbarer Punkrock. Aber schon die ersten Töne hauen uns fast aus den Latschen: was hat die Band nur geritten, eine derart mörderische Lautstärke anzuschlagen? Geradezu schmerzhaft, was da aus den Boxen dröhnt. Erstaunlich, wie laut die Anlage im Goldmark’s sein kann. (Noch erstaunlicher, dass der Mischer in diesem Inferno sogar noch eine gewisse Transparenz erzeugt.) Mit „Set the World on Fire“ und „I Want You“ geht’s mit der gleichen Energie weiter. Der Funke springt aber nicht über. Zu groß ist die Distanz, die diese Höllenlautstärke erzeugt.
Mit der Band-Neubesetzung ist leider auch ein weiteres Merkmal von King Blues verloren gegangen: die musikalische Vielfalt. Wo man früher auch leise Töne hörte, mal eine Geige oder auch eine Solo-Ukulele zum Einsatz kam, wird jetzt alles mit Gitarren-Geballer glattgebügelt. Selbst der locker federnde Reggae von „Mr. Music Man“ kommt in diesem Setup plump und ungehobelt daher. Itch, der sich seit seinem Soloprojekt meist in aufwendigem Dandy-Outfit präsentiert, kommt heute – ganz der alte Straßenkämpfer – im schlichten T-Shirt auf die Bühne. Und man muss ihm attestieren: er ist ein begnadeter Frontmann, an Ausstrahlung und Energie mangelt’s wahrlich nicht.
Trotzdem verläuft der Gig letztlich enttäuschend: obwohl die Setlist ein Best-of der fünf Alben enthält, klingt letztlich ein Titel wie der andere. Und daran ist nicht nur der martialische Sound, sondern auch die kraftmeiernd-uninspiriert aufspielende Band und das unpräzise Schlagzeug Schuld. Da kann sich der Sänger mit einer beeindruckenden Performance abrackern, wie er will, es kommt einfach keine Stimmung auf. Auch wenn die Enttäuschung lange nicht so groß ist wie am Montag bei Sisters of Mercy, letztlich hinterlässt der Gig einen schalen Nachgeschmack, der nur durch den erfrischenden Auftritt von Louise Distras gemildert wird.