SOMMERFESTIVAL DER KULTUREN, 11.-16.07.2017, Marktplatz, Stuttgart

SOMMERFESTIVAL DER KULTUREN, 11.-16.07.2017, Marktplatz, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Das Sommerfestival der Kulturen geht ins siebzehnte Jahr und wir haben nur einmal ein wenig darüber berichtet. Das muss sich ändern! Im ohnehin schon dichten Sommerprogramm der Stadt – zeitgleich finden JazzOpen, Fischmarkt, Westallee und noch viel mehr statt – hat es nämlich inzwischen einen prominenten Platz. Aus gutem Grund. Nicht nur, dass es als gemeinsame Aktion von mehr als 100 Migrantenvereinen auf’s Schönste die Vielfalt Stuttgarts präsentiert, mit einem Lineup von Stars aus dem Genre „Weltmusik“ (man verzeihe den schwammigen Begriff) bietet es alljährlich ein Riesenspektrum an Entdeckungen für neugierige Musik-Fans und macht es für uns schon längst zu einem Pflichttermin. Für euch berichten: Maren, Sabine und Holger (Die Herkulesaufgabe, all das zu fotografieren, stemmt der Micha (fast) allein. Respekt.)– Holger

AMARISZI

SOMMERFESTIVAL DER KULTUREN, 11.-16.07.2017, Marktplatz, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Ohne Balkan-Musik ist das Sommerfestival fast undenkbar. Egal woher sie kommt. Dieses Mal aus Holland. Amariszi heißt die Kapelle um die Sängerin Merel Simons und als wir gegen sechs auf dem bereits gut gefüllten Marktplatz eintreffen, herrscht beste Stimmung. Gesungen wird in allen möglichen Sprachen – nicht umsonst heißt das aktuelle Album „Babel Fish“. Aber es ist nicht wirklich der Gesangsvortrag und etwas übermotivierte Auftritt der Frontfrau, der mich begeistert, es ist die Band, die mit viel Verve, Humor und Klasse mit einem feinen Bläsersatz und Akkordeon abwechslungsreiche, verschlungene Melodien und treibende Rhythmen produziert. Kein schlechter Auftakt für die nächsten sechs Tage. – Holger

FANFARE CIOCĂRLIA

SOMMERFESTIVAL DER KULTUREN, 11.-16.07.2017, Marktplatz, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Viel Bewegung und Rummel ist auf dem Festival der Kulturen, vor der Bühne sowie auf der Bühne. Dort wurschteln und werkeln Fanfare Ciocărlia. Ein paar Mal durchzählen braucht es, zwölf Musiker sind der letzte Stand. Fanfare Ciocărlia ist die Balkan Brass Band par Exellence. Längst sind sie weit über die Grenzen ihrer Heimat Rumänien bekannt und haben schon die großen Bühnen der Welt bespielt. Mit Goran Bregovic sicher einer der bekanntesten Acts vom Balkan. Vor ihrer internationalen Entdeckung haben sie, so heißt es, gemeinsam in ihrem kleinen entlegenen rumänischen Dorf auf Hochzeiten und Dorffesten gespielt, bis sie von einem Berliner Toningenieur entdeckt wurden. Balkan Brass verbinde ich eher mit einem Live-Erlebnis oder wahlweise auch der Musik aus Filmen von Emir Kusturica. Einen Extra-Artikel zu diesem Auftritt findet ihr hier. – Sabine

ORANGE BLOSSOM

SOMMERFESTIVAL DER KULTUREN, 11.-16.07.2017, Marktplatz, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Wer die Netflix-Serie „Marseille“ kennt, dem könnte Orange Blossom aus Nantes aus dem Soundtrack bekannt sein, für alle anderen dürfte der Gig ein Überraschungspaket gewesen sein. Und was für eines! Die ägyptische Sängerin Hend Ahmed beginnt mit sanfter Stimme und melancholischem Blick orientalische Melodien zu singen. Begleitet von Pierre-Jean Chabot an der Geige, zarten Gitarren-Riffs und dem mexikanischen Drummer Carlos Robles Arenas schaffen sie aus dem Stand eine geheimnisvolle Stimmung auf dem mal wieder bestens gefüllten Marktplatz. (Die älteren unter uns erinnern sich an Ofra Haza) Das ist aber nur die Einstimmung. Langsam aber sicher drehen die Franzosen an der Tempo- und Dynamikschraube, Chabot tobt wie ein Derwisch über die Bühne und das ganze entwickelt sich über neunzig Minuten zu einem wuchtigen Elektrobeat mit filigranen Arabesken. Nach einem heftigen Djembé-Solo endet das Set mit dem umwerfenden „Black Box“. Und Hend Ahmed, die den ganzen Abend so traurig geschaut hat, schenkt uns ein Lächeln. – Holger

HAJNAL

SOMMERFESTIVAL DER KULTUREN, 11.-16.07.2017, Marktplatz, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Bevor die Stuttgarter Hajnal loslegen, stellt Sängerin Hajnalka Péter ihre neue Formation „Women of Music“ mit einem Medley aus osteuropäischen Liedern vor.
Dann haucht, schreit, jubelt und jammert uns Hajnalka gewohnt aussdrucksstark von Arabien nach Bulgarien, wunderbar getragen von ihrer Band der Superlative.
Zu Hajnals Auftritt gibt’s hier einen ganzen Artikel. – Maren

MARSIS

SOMMERFESTIVAL DER KULTUREN, 11.-16.07.2017, Marktplatz, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Der Freitag gehört traditionell der türkischen Community Stuttgarts. „Caz à la turca“ heißt die vom Deutsch-Türkischen Forum betreute Reihe und mit schöner Regelmäßigkeit werden Stars der türkischen Musik-Szene eingeladen. Das macht sich auch beim Blick über den Platz bemerkbar: er ist noch besser als sonst bevölkert. Und als von Marsis noch lange nichts zu sehen ist, werden sie mit Sprechchören auf die Bühne gerufen. Die Band kommt vom Schwarzmeer und ist multikulturell besetzt: gesungen wird in türkisch, armenisch, lasisch und georgisch. (Nicht, dass wir das erkennen würden, aber es ist in Zeiten wie diesen eine nicht unwichtige Information). Mit Dudelsack und anderen traditionellen Instrumenten produzieren die fünf Musiker einen eingängig straighten Rock mit folkloristischen Verzierungen. Sänger Korhan Özyıldız begeistert jedenfalls das Publikum und auf dem Platz entwickelt sich ein ausgelassener Tanz. In Reihen untergehakt wogt die Menge hin und her. – Holger

SEDAA

SOMMERFESTIVAL DER KULTUREN, 11.-16.07.2017, Marktplatz, Stuttgart

Foto: Holger Vogt

Ein Kuriosum ist ja, dass das Sommerfestival – anders als Weindorf und Weihnachtsmarkt – für den Wochenmarkt den Platz räumen und nach dem Markt wieder alles aufbauen muss. Als wir Samstagmittag zur persisch-mongolischen Band Sedaa eintreffen, ist von diesem Kraftakt nichts mehr zu sehen. In der gleißenden Sonne haben sich vier in orangene Trachten gewandete Männer auf der Bühne aufgebaut. Mit traditionellen mongolischen Instrumenten wie der Pferdekopfgeige, einem ebensolchen (drei-saitigen) Bass und einer Art Hackbrett mit 120 Saiten erzeugen sie fremdartig klingende Melodien, die von einem erstaunlich konzentrierten und ruhigen Publikum erfreut aufgenommen werden. Jedes Solo und ganz besonders der mongolische Unterton- und Kehlkopfgesang werden – wie bei einem Jazz-Konzert – kennerhaft beklatscht. Der Iraner Omid Bahadori bedient nicht nur die Percussions und die Gitarre, er erläutert auch humorvoll die Lieder, die entweder vom Reiten, von der Liebe oder von Pferden handeln. Erstaunlich ist jedenfalls, wie mühelos persische und mongolische Stücke zusammenpassen. – Holger

FUEL FANDANGO

SOMMERFESTIVAL DER KULTUREN, 11.-16.07.2017, Marktplatz, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Den Samstag müssen wir leider auslassen, das große Festival-Finale mit der spanischen Elektro-Flamenco-Band Fuel Fandango lassen wir uns aber nicht entgehen. Wie zu erwarten hat sich heute Abend die spanische Community auf dem Marktplatz versammelt. In Spanien scheint die Band um Nita und Alejandro Acosta das große Ding zu sein. Und tatsächlich: der Auftritt hat das, was man wohl „internationales Format“ nennt. Hochprofessionell, perfekt durchchoreografiert und auf maximale musikalische und optische Wirkung angelegt. Sängerin Nita kokettiert nicht nur mit dem Publikum sondern auch mit jeder Kamera. Besondere Begeisterung rufen natürlich die Flamenco-Einlagen der Spanierin hervor. Und die stärkeren Stücke sind auch zweifellos die, in denen sie mit gewaltiger Stimme spanische Melodien intoniert. Mit zunehmendem Konzertfortschritt entwickelt sich das Ganze aber immer häufiger zu wenig originellem Europop, so dass letztlich eine Menge Potenzial verschenkt wird und das Festival nicht unbedingt mit dem stärksten Auftritt endet.

Dennoch bleibt als Fazit: wenn ich nächstes Jahr die Wahl haben werde, ob ich zum fünften Auftritt von Jamie Cullum gehe oder mir eine völlig unbekannte Band aus einem entlegenen Winkel der musikalischen Landkarte anhören kann, dann wird wieder die musikalische Neugier gewinnen und ich werde mich für’s Sommerfestival der Kulturen entscheiden. – Holger

SOMMERFESTIVAL DER KULTUREN, 11.-16.07.2017, Marktplatz, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

MARKTPLATZ IMPRESSIONEN

AMARISZI

FANFARE CIOCĂRLIA

ORANGE BLOSSOM

HAJNAL

MARSIS

SEDAA

FUEL FANDANGO

Ein Gedanke zu „SOMMERFESTIVAL DER KULTUREN, 11.-16.07.2017, Marktplatz, Stuttgart

  • 17. Juli 2017 um 23:16 Uhr
    Permalink

    Danke Holger, danke Micha. Schade, dass es schon wieder rum ist ….

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