HAJNAL & BAND, 14.07.2017, Sommerfestival der Kulturen, Marktplatz, Stuttgart
Was für andere der Karneval, ist für mich das Sommerfestival der Kulturen. Ich fiebere das ganze Jahr auf diese 6 Tage hin. Leider kann ich in diesem Jahr nur an einem einzigen Abend hingehen und entscheide mich für den Freitag mit Hajnal und Marsis (über die Kollege Holger berichten wird).
Zunächst stellt Sängerin Hajnalka Péter ihre neue Formation „Women of Music“ vor. Wer Weltmusik liebt, wird auch die anderen Mitglieder gut kennen: die Schwestern Nata und Russudan Meipariani, Lisa Tuyala und Sisu Lustig Häntsche. Kasia Kadłubowska wird heute von Cris Gavazzoni am Schlagwerk vertreten. Wir hören ein Medley aus vermutlich osteuropäischen Stücken, ich erkenne nur das ungewöhnlich interpretierte „Mse“. Ich sehe voraus, dass „Women of Music“ ein Hit wird, das Publikum ist hingerissen.
Es folgt eine kurze Pause, dann geht es mit Hajnal los. Ich kann jetzt gar nicht endlich sagen, ich hätte mir auch gerne zwei Stunden „Women of Music“ angehört.
Es ist noch kein Konzert dieser Gruppe vergangen, ohne dass mich Hajnalkas Stimme zum Weinen gebracht hat. Heute ist es schon bei der Ansage für Stück 2 soweit und zum Glück auch bei Fotograf Micha. Sie erzählt von der Tour durch den Nahen Osten mit ihrer früheren Band und bedauert, dass in diesem schönen Teil der Erde nichts mehr so ist, wie es damals war. Meist nerven mich Sänger mit Sendungs-Bewusstsein, aber bei ihr wirkt es nicht kitschig oder anmaßend. Viele der Stücke sind Interpretationen, „Damaskus“ stammt aus ihrer Feder und obwohl wir nicht verstehen was sie singt, wissen wir wohl, was sie uns sagen möchte. Oudist Samir Mansour spricht leise in Arabisch dazu, für mich die schönste aller Sprachen. Das gibt mir völlig den Rest – zum Glück bin ich ungeschminkt.
Ich kenne kaum eine Sängerin, die so ausdrucksstark ist – gesanglich und auch die Mimik betreffend. Aus ihrem Gesicht scheint im einen Moment die schöne stolze Orientalin und im nächsten das uralte, schwarz gewandete Mütterchen. Hajnalka haucht, schreit, jubelt und jammert uns von Arabien nach Bulgarien. Ein kleiner Ausflug in Bob Dylans Amerika ist aber auch drin: Bei „One More Cup“ ist es dann wieder soweit, ich muss ein bisschen weinen.
Um Hajnalka scharen sich Stuttgarter Supermusiker: Johann Polzer an den Drums, Ekkehard Rössle an Klarinette und Saxophon, Péter Papesch am Bass, Zaza Miminoshvili an der Gitarre und eben Oudist Samir Mansour. Sie haben unterschiedliche musikalische Hintergründe, vermutlich das Salz in dieser Suppe. Schön ist, dass man nicht das Gefühl hat, dass Hajnal ein Job für sie ist, sondern, dass sie es genießen, Hajnalka zu treiben, zu umschmeicheln, zu tragen. Hier passt alles, ohne zu langweilen.
Ich hoffe, dass wir Hajnal beim Sommerfestival der Kulturen mal in den späteren Abendstunden zu hören bekommen. Heute haben sie auch die begeistert, die wegen Marsis gekommen sind. Schön, dass es dieses Festival gibt und Bands, die in Stuttgart meist vor kleinem Publikum spielen, wahrgenommen werden.
Setliste:
Izlel Delio Haidutin (Bulgarien)
Damaskus (Komp. Hajnalka Péter)
Ketri Ketri / Szabolcs Szatmár (Ungarn Roma)
Liljano Mome (Bulgarien)
Dere Geliyor (Türkei)
Jarba Mare Jarbe (Ungarn / Lovara Roma)
One More Cup (Bob Dylan)
Gole Sangam (Iran)
El Bint (Arabien)
Lama Bada Yatathanna (Arabien)
Erikàs Tánc (Komp. Hajnalka Péter)
Besena Rovena (Albanien Roma)