MONSTER MAGNET, 08.06.2017, LKA, Stuttgart
Noch bevor Monster Magnet anfangen, schüttet mir der schmale Typ neben mir sein Bier über die Hose. Mann, ist ihm das peinlich. Er entschuldigt sich ein Dutzend Mal. Er sei noch nie im LKA gewesen, sagt er. Daher wohl das Gedöns. Wenn er häufiger hier wäre, wüsste er, dass das nicht der Rede wert ist. Passiert halt. Ist schließlich ein Metal-Konzert.
Aber da blinkt schon die Taschenlampe aus dem Backstage. Es kann losgehen. Und losgeht’s los mit „Dopes To Infinity“, dem Opener des gleichnamigen Albums von 1995, mit welchem Monster Magnet ihren Durchbruch hatten. „Das ist wie in den 90ern brüllt mir der schlacksige Typ ins Ohr.
Da hat er wohl recht, denn seither – seit „Dopes To Infinity“ – bin auch ich auf der Band hängen geblieben. Damals hatte ich gerade Abi gemacht, und das Album war praktisch der Soundtrack dazu. Während ich dem Gedanken noch nachhänge, entschuldigt sich dieses Mal der Kumpel des Schlacksigen: Der trinke normalerweise nichts. Aha, so ein Abend ist das also.
Der Sound einer Mischung sich wiederholender Riffs und wirrer, psychedelischer Geräusche oder Melodien zündet schnell. Er ist so wie eine Spule in einer Spindel. Flinkt saust sie im Kreis und wickelt deinen Geist auf. Dave Wyndorf, Mastermind und Enfant Terrible der Band, ist nicht nur gut bei Stimme, sondern trifft auch den Ton, den wir hören wollen, denn von der ersten Sekunde an zieht er die Rampensau aus der Tasche – mit einem Grinsen so breit wie sein Schädel von Ohr zu Ohr.
Wobei das ja ein bisschen so erscheint, als sei es keine Kunst, denn Dave Wyndorf ist schmal geworden – jedenfalls gegenüber seinem Post-Drogen-Selbst von vor einem halben Dutzend Jahren. Ihr wisst schon: Drogen runter, Gewicht hoch. Lief es jetzt wieder andersrum? Keine Ahnung. Er sieht aus, als sei er gut in Form. Aber die Opiate triefen derweil aus der PA. Vorsicht! Monster Magnet ist eine der wenigen Bands, bei denen man schon vom Sound allein high wird. So ein Abend ist das also!
Ich weiß nicht, ob dies auch die Ursache dafür ist, dass ich mir das mit meinen journalistischen Notizen dann irgendwie verbaue. Keine Ahnung was passiert, jedenfalls werden sie mir morgen beim Schreiben des Artikels nicht zur Verfügung stehen.
Doch das ist auch nicht wichtig, denn Monster Magnet steuern von High zu High. „Look to Your Orb for The Warning“ lässt einen völlig wegdriften. Das Publikum erzittert, die Arme erhoben, im Wechsel aus Fuzz und satten Riffs und irgendwelchen psychedelischen Klängen, die sich vermutlich den Windungen getrockneter Pilzscheiben entlangwinden. Die Stimmung ist großartig und ausgelassen, und der schlagseitige Typ neben mir leert mir das zweite Bier übers Bein.
Gerade will er sich noch entschuldigen, doch verfällt das ganze Publikum in die Gruppenzwangsneurose, „Powertrip“ mitzusingen. Das ist ein formidabler Song über das, was sich jeder, nicht nur die Lotto-Spieler unter uns, wünscht:
I’m never gonna work another day in my life
The gods told me to relax
They said I’m gonna be fixed up right
I’m never gonna work another day in my life
I’m way too busy powertripping
Ich denke mir halt:
#Wyndorf singt “I’m never gonna work another day in my life“ und alle grölen mit, aber er ist der Einzige bei dem es stimmt. #MonsterMagnet
— Claus R. Kullak (@ClausKullak) 8. Juni 2017
und twittere das auch (inklusive Schreibfehlern).
Ja, da ist vielleicht das, was man erreichen wollte, aber nicht hat. Es steht auf der Bühne. Wie vor 22 Jahren. Und wir stehen noch davor. Wie vor 22 Jahren. Alle sind ein bisschen nüchterner geworden. Aber wie am ersten Tag versinken wir noch im „Dinosaur Vacume“ von ‚Superjudge‘ oder im völlig verspulten Titeltrip von „Spine of God“. Inzwischen hat mir der Schmalhannes neben mir sein drittes Bier über die Hose geleert, weswegen ich ihm zur Abwechslung mal ein neues mitbringe, weil er mir schon ein wenig leid tut.
Aber damit will ich mich nicht aufhalten und versinke folgerichtig in den Knoten von „Spine of God“: Es geht nur immer zu ding ding d’di-dong, ding ding d’di-dong, ding ding d’di-dong, ding ding d’di-dong, ding ding d’di-dong, während Dave Wynedorf irgendwas dazunuschelt, das im übermäßigen Reverb aufgeht. Es geht ding ding d’di-dong, ding ding d’di-dong und ding ding d’di-dong, und ich weiß nicht, ob der Sänger jeden liebt oder Referenzen an The Doors einbaut, wie in dieser herrlichen Version des Songs auf YouTube, aber ich liege wieder auf einem Bett in irgendeinem Jugendzimmer, es ist 1994, eine Platte dreht sich und frisst sich in mein Hirn, und ich höre, was passiert, aber was ich höre, passt nicht zu dem, was ich sehe, und da ist dieser Sound des ding ding d’di-dong, ding ding d’di-dong, ding ding d’di-dong, und dann plötzlich, …
… als müsste man sich die Augen reiben, ist Pause und Zugabenrufe und Durcheinander und Bier an der Bar und Achistesschonsospät. Aber ich bin ganz entspannt, wie ein Junkie, dessen Versorgung gesichert ist, denn ich habe die zu erwartende Setlist angesehen und weiß, dass Monster Magnet noch „Negasonic Teenage Warhead“ spielen, worin Dave und sein Selbst eine Welt retten müssen.
Und so ist es dann auch, aber ich weiß nicht, was das für eine Welt ist, denn das hier ist nicht eine Band, die uns irgendwohin führt, die uns irgendwas zeigt. Das muss sie gar nicht. Das hat sie schon vor über 20 Jahren. Dennoch ist Monster Magnet nicht so ein Ding mit „wir haben nichts mehr zu sagen“, sondern mehr ein Flashback, auf dem wir alle hängen geblieben sind. Kein vertrocknetes Vergangenheitsding, sondern harzige, gute Nostalgie zwischen unseren Fingerspitzen – nicht wie diese Altherrennostalgie bei großen Acts in der Schleyer-Halle. Monster Magnet sind das, was war, immer noch. Sie sind wie
Und während Dave da irgendwas davon singt, dass er uns verleugnen wird, denke ich mir nur:
Und das macht die Band ja auch. Denn da ist noch „Tractor“ und vor allem „Space Lord“, auf das alle gewartet haben, Motherfucker. Und dann mit einem Knall – oder auch ohne – ist alles vorbei, beziehungsweise der Schlemihl neben mir will mich noch zu einer dicken Tüte einladen. Aber ich lehne dankend ab: Nach der Band bin ich magnetisiert genug.