ERIC PFEIL, 11.03.2017, InDieWohnzimmer, Stuttgart
Eigentlich ist Eric Pfeil Wohnzimmerkonzert-Skeptiker. Nur noch wenig bis gar nicht mehr ausgehen und sich musikalische Unterhaltung bequem in die eigenen vier Wänden kommen zu lassen, ist nämlich abzulehnen. Zumindest in Stuttgart gelte dieser Einwand aber schon mal nicht, erzählt er im Radiointerview der Satokii-Sendung im Freien Radio vor dem Auftritt. Die Stuttgarter Musikfans, die das Wohnzimmer-Stammpublikum bilden, gingen sehr wohl aus dem Haus, das habe er inzwischen schon mitbekommen.
Das Wohnzimmer-Format ist tatsächlich, zumindest für einen Großteil der Gäste heute Abend, eine Ergänzung, aber kein Ersatz zum Konzerterlebnis in den Läden und Bars, in denen sich sonst die musikalische Freizeitgestaltung abspielt. Weiterer Grund, der für diese Konzert-Variante spricht: Bevor man eine Band gar nicht sieht, weil Stuttgart mal wieder nicht auf dem Tourplan steht, schaut man sie sich eben im Wohnzimmer an. Kann man den Damen und dem Herrn hinter den Kulissen gar nicht genug danken für so manches Highlight, das einem hier schon präsentiert wurde.
Es ist Pfeils dritter Auftritt bei Claudias und Christines (und inzwischen auch Gig-Blog-Holgers) InDieWohnzimmer-Reihe (wir berichteten hier und hier) und man kennt sich schon ein bisschen. Zudem ist die Idee für das Wohnzimmer-Live-Album nicht unwesentlich auf die positiven Erfahrungen in Stuttgart-Feuerbach zurückzuführen. Für Künstler (und Publikum) ist es also fast schon ein Heimspiel. Diesmal ist Pfeil allerdings erstmals nicht alleine unterwegs, sondern hat sein dreiköpfiges Team dabei. Am Schluss der Tour soll ja schließlich ein Produkt stehen. Dafür werden Ton- und Filmaufnahmen gemacht und für Chorgesang wird das Publikum heute auch gebraucht.
Schon aufregend das alles, das merkt man allen Beteiligten auch ein bisschen an. Geschäftig wird mit Bild- und Tontechnik hantiert, letzte Chance nochmal die Frisur zu justieren oder die exponierte Platzwahl zu überdenken. Knapp fünfzig Gäste dürften es heute sein, wie üblich sitzt man aufgereiht auf Sofa, Klappstühlen oder Boden, Stehplätze mit guter Sicht gibt’s außerdem auf der Wendeltreppe. Positiv finde ich, dass es heute nur neue Songs zu hören gibt, die mir und allen anderen entsprechend komplett unbekannt sind. Nicht mal als Zugabe wird ein liebgewonnener Hit gespielt. Hätte man sich zwar schon ein bisschen gewünscht, aber so bleibt die Spannung erhalten und das Konzerterlebnis ist auch wirklich ganz anders als bei den ersten beiden Malen.
Zehn von dreizehn Auftritten hat Pfeil schon hinter sich, entsprechend sind die Finger der rechten Hand schon ein bisschen lädiert und mit Heftpflastern getaped, tut dem Gitarrenspiel aber keinen Abbruch.
Die elf Stücke, die wir heute zu hören bekommen, sind typisches Eric-Pfeil-Material. In den Texten geht es um verfahrene zwischenmenschliche Situationen, die unerwartete Wendungen nehmen, Szenen aus imaginären Italo-Western, Abschied nehmen und immer wieder fungiert das Wetter als unbeeindruckter und unberechenbarer Hintergrund für allerlei seltsame Begebenheiten. In einem Stück setzt der Wolkenbruch genau dann ein, als man ihn am wenigsten gebrauchen kann – bei einer Hochzeitsfeier an einem Ort, an dem es sonst nie regnet. Wüstenhitze und Sommerwetter spielen immer wieder eine Rolle; „Lass es regnen,“ darf das Publikum bei einem Stück eine Textzeile des Refrains im Chor singen.
Interessant und erwünscht sind, abgesehen vom Gesang und den Lebenszeichen des Publikums, natürlich auch die zufälligen Geräusche, die man im Studio eher weniger aufnehmen würde. Besonders gerne genommen würden beispielsweise Tiergeräusche. Claudias Schildkröte ist leider noch im Winterschlaf, kurz wird überlegt, den Hahn, der am Ende der Straße lebt, zu besuchen und aufzunehmen.
Ein Eric-Pfeil-Auftritt wäre kein Eric-Pfeil-Auftritt ohne die obligatorischen Plattenempfehlungen – immerhin ist der Mann renommierter Musikjournalist. In jeder Stadt, in der er auftritt, kauft Pfeil Schallplatten, um sie beim abendlichen Konzert zu präsentieren. Vom Second-Hand-Records-Besuch wurden mitgebracht (offenbar nach zunehmender Obskuriät sortiert) das Robyn-Hitchcock-Album „I Often Dream of Trains,“ (1984) „Trans“ (1982) von Neil Young, ein von Kraftwerk inspiriertes Synth-Pop-Album, anscheinend gar nicht schlecht, sowie eine Platte der Siegel-Schwall Band, einer Electric-Blues-Gruppe aus Chicago, gegründet 1964 (danke, Google).
Schade, dass in Stuttgart, abgesehen von charmanten Gastauftritten von Ton- und Kameramann, keine weiteren musikalischen Gäste dabei waren. Ging aber auch so. Gesanglich war das Stuttgarter Wohnzimmer, so bekamen wir es von ganz oben bescheinigt, „deutlich besser als Bremen“ (sorry, Bremen! :'( ), aber nicht ganz so glockenklar wie Münster, gegen dessen größtenteils weibliches Publikum man wohl chancenlos sein dürfte. Wir sind auf das Endergebnis in Albumform gespannt und freuen uns schon auf das nächste Mal – falls Booker mitlesen: gerne auch außerhalb des vertrauten Wohnzimmerrahmens.