STUDIO BRAUN, 05.03.2017, Altes Feuerwehrhaus, Stuttgart

STUDIO BRAUN, 05.03.2017, Stuttgart, Altes Feuerwehrhaus Heslach

Foto: Michael Haußmann

Die braunen Buam von der Waterkant (Rocko Schamoni, Heinz Strunk, Jaques Palminger) haben einen guten, gewichtigen Grund, um wieder gemeinsam auf Tour zu gehen. Mehrere Kilo schwer und stattliche Ausmaße hat das Studio Braun Buch „Drei Farben Braun“ – die große Werkschau. Vorbesteller oder wenigstens Schnellbesteller konnten das Werk Ende vergangenen Jahres bei Hanseplatte mit persönlicher Widmung von Herausgeber Gereon Klug erwerben. Auch die jetzt noch erhältlichen Exemplare sind meines Wissens sämtlich durchnummeriert und von dem Kollektiv signiert. Egal ob eine Studio Braun, Fraktus oder Solotour eines der braunen Protagonisten ansteht, man kann sich darauf verlassen, dass Gereon Klug am Merch steht, um Geld in wertige Produkte einzutauschen. Ich habe bei ihm den Verdacht, dass er der eigentliche Strippenzieher ist hinter allem, was im weiteren Sinn mit Studio Braun zusammenhängt. Nach dem Milli-Vanilli-Prinzip lässt er braune Posterboys nach seiner Pfeife tanzen, sprechen und singen. Genug Spekulation, genug Gereon Klug. Trotzdem noch der Hinweis – jeder sollte den Hanseplatte-Newsletter abonnieren, jeder sollte die gesammelten Newsletter „Low Fidelity“ in Buchform besitzen.

Der letzte Auftritt von Studio Braun unter diesem Label fand in Stuttgart im Schocken im Jahr 2004 statt. Im Gepäck das letzte Album mit „Telefonarbeiten – Ein Kessel Braunes“. Danach war unter der Ankündigung „Von braunem Boden wird nie wieder ein Telefongespräch ausgehen“ (oder so ähnlich) Schluss mit den Scherzanrufen. Einerseits schade, andererseits haben die Drei auf diesem Gebiet alles erreicht, was es zu erreichen gibt. Ich besitze sämtliche CDs und 7-Inch-Singles mit Telefonaten, und ich gebe Jaques Palminger uneingeschränkt recht, als er heute Abend behauptet, dass das Material immer noch sehr gut ist. Ich bin dafür besonders empfänglich. Wie oft habe ich Bekannten einzelne Gespräche vorgespielt, in der Hoffnung, eine nur ansatzweise vergleichbare Reaktion zu erfahren. Die sieht bei mir i.d.R. so aus: Unter Tränen liege ich gekrümmt am Boden und bekomme kaum Luft. Nicht ein einziges Mal habe ich eine ähnliche Wirkung gesehen. Es gibt tatsächlich ohne Scheiß Leute, die das nicht lustig finden. Unbegreiflich für mich. Stücke wie „Motorsäge“, „Mauern“, „Alle Thiels“ oder „Tatze“ sind das Lustigste überhaupt. Nichts anderes kommt da dran, behaupte ich. Einige Begriffe aus den Gesprächen haben sich sogar fest in meinen und meinem allernächsten Umfeld eingenistet. „Nachdeuten“ für etwas nicht verstehen, „Dschungelgelöt“ für alles mögliche chaotisch aussehende, „Hinten dicht“ für hinten dicht. Fällt das Stichwort Kreta kommt sofort: „Aus Kreta kommst Du!?“ Spätestens wenn sich spätere Generationen mit dem umfangreichen braunen Werk wissenschaftlich auseinandersetzen, wird sich die Bedeutung zeigen, da bin ich mir ganz sicher.

STUDIO BRAUN, 05.03.2017, Stuttgart, Altes Feuerwehrhaus Heslach

Foto: Michael Haußmann

Großspurig beginnt die Veranstaltung. Die Intros sind regelmäßig mit das Beste der Show. Nur leider sitze ich entweder ungünstig oder der mit nicht ganz astreiner Aussprache geschlagene Heinz Strunk kommt einfach schlecht akustisch rüber, auch noch mit verzerrter Stimme, jedenfalls kann ich das nur schlecht nachdeuten. Wird wieder die (berechtigte) Behauptung sein, Studio Braun ist das Geilste, die braunen Jungs riemige Hengste, deren aggressiv getimte Libido sich funkenschlagend ihren Weg zum Ziel bahnt, oder so ähnlich. Stimmt ja alles. Offen wird gleich zu Beginn klar gestellt, dass wir uns auf einer Verkaufsveranstaltung befinden, es geht darum „Zufallskunden in Bestandskunden zu verwandeln“, und in der Pause bitte Werbung glotzen. Angelehnt am Aufbau des Buches geht es durch die Geschichte des Kulturphänomens Studio Braun. Zunächst (furchtbare) Jugendbilder von allen dreien und die dazu erfundenen Geschichten. Anschließend kommen Fundstücke, erfundene Anzeigen und Bietgesuche. Hat mir im Buch schon sehr gefallen. Wir erfahren noch das spaßige Detail, dass einer Anzeige am Laternenmast, der krasse Tierschändungen zu entnehmen sind, die damals echte Telefonnummer von Schorsch Kamerun beigefügt war. Er hatte in den kommenden Wochen „viel Freude“.

Es geht lustig weiter mit einem Bericht der Gruppenperformance „Freiwillige Werbung für Fanta“, in der unter anderem Fanta im Supermarkt eingekauft und vor dem Supermarkt billiger verkauft wurde.

STUDIO BRAUN, 05.03.2017, Stuttgart, Altes Feuerwehrhaus Heslach

Foto: Michael Haußmann

Kein Studio-Braun-Auftritt ohne Musikperformance – pervers versaute Schlagerlieder über ein Schäferstündchen mit einem Schaf („Du bist mei süße Beuten, i will dei Glocken leuten…“), und am Schlimmsten: Ein Lied vorgetragen in schlechtestem bayerisch. Kam mir beides schon bekannt vor aus früheren Veranstaltungen.

STUDIO BRAUN, 05.03.2017, Stuttgart, Altes Feuerwehrhaus Heslach

Foto: Michael Haußmann

Meine persönlichen Höhepunkte liefert beide Palminger, a.k.a. Chubasco, Hans Fuchs, Fummelinchen oder Bernd Wand. Er hat gleich zu Beginn angekündigt, dass die erste Reihe so richtig auf die Mütze bekommen wird. Völlig berechtigt. Wer sich freiwillig bei einer solchen Veranstaltung ganz nach vorne setzt, hat es nicht anders verdient. Es war klar, dass es früher oder später jemanden treffen wird. Bei einem teilweise improvisierten Stück wird eine junge Frau eingebunden, die Palminger nach ihrem Namen fragt. Als er den Namen „Mandy“ wiederholt, lässt er eine unangenehme Pause vor dem weitern Vortrag. Da ging es schon los bei mir. Als er später Bilder von den drei Jungs in Frauenkleidern kommentiert, kann ich nicht mehr aufrecht sitzen vor lachen.

STUDIO BRAUN, 05.03.2017, Stuttgart, Altes Feuerwehrhaus Heslach

Foto: Michael Haußmann

Zurück zu Bernd Wand, dem Optiker for Life der Techno-Pioniere Fraktus – der größte Coup von Studio Braun – dieses Thema wird weiträumig umschifft. Es wird nur kurz erwähnt, dass man die Band kenne. Für Unkundige wird noch eine „Telefonarbeit“ präsentiert: „English Translator“, in der ungewollt ein Übersetzer ein Telefonat zwischen zwei Deutschen ins Englische übersetzt. Ein Klassiker. Den Abschluss bildet das Lied „Polizeiboot Norbert“ von „Ein Kessel Braunes“ mit eingebautem Palminger-Bash, auch das kommt mir bekannt vor.

Ich sage es mit Heinz Strunk – richtig geil abgeliefert haben die Braunen. Den Stuttgart-Bash, den es in dieser Form sicher auch in Frankfurt oder Heidelberg gibt, den nehmen wir genau deshalb nicht persönlich. Wer noch umfassender ins braune Universum eintauchen will, kann das auf 400 Seiten in „Drei Farben Braun“, dem besten Studio-Braun-Buch aller Zeiten.

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