THE GRAVELTONES, FITCHES, 13.02.2017, Goldmark’s, Stuttgart
Erfreulicherweise klappt es immer wieder, dass Bands sich durch ihre Konzerte tatsächlich ein Publikum „erspielen“. Noch keine zwei Monate ist es her, dass die englische Band „The Graveltones“ als Vorband von „The Temperance Movement“ im clubCANN gastierte. Und dort hat sie bei einigen einen so guten Eindruck hinterlassen, dass sich das Goldmark’s an diesem Montagabend erfreulicherweise immer weiter füllt.
Zunächst profitiert von dem erwartungsfrohen Publikum die Vorband „Fitches“, die zunächst auf klassische Elemente der Rockmusik setzt: Gesang, Gitarre, Bass, Schlagzeug – Lautstärke, Bärte, Bier und nackte Oberkörper. Passend dazu würde sich das an Ford angelegte Bandlogo hervorragend auf dem Rücken einer mit Fransen an den Ärmeln versehenen Leder-Kutte machen. Musikalisch geht es mit dem ersten Song sehr druckvoll und vielversprechend los, was auf die für eine Vorband relativ lange Dauer des Gigs nicht in dem Maße durchgehalten wird. Ambitioniert ist der häufige Einsatz von verschiedenen Taktarten. So finden sich immer wieder 6/8-Takte oder auch mal ein 5/4-Takt. Jedoch würde den Songs etwas mehr Geradlinigkeit gut stehen, genauso wie häufigeres Einsetzen eines von der Rock-Norm abweichender Bass-Sound, wie beim zweiten Song des Abends. Welchen Enthusiasmus die vier Jungs aus Dortmund auf die Bühne bringen, ist bemerkenswert, und so werden sie für ihren Auftritt mit viel Applaus bedacht.
Das nächste Bier ist kaum geholt und die Vorband mit den anwesenden Experten besprochen, da ist die Bühne auch schon bereitet für die „The Graveltones“. Und schon beim Aufbau fällt das Instrument auf, das in der nächsten Stunde vermutlich bei vielen im Fokus der Aufmerksamkeit stehen wird: Das Schlagzeug. So sind die Snare und vor allem die linke Tom extrem weit vom Musiker weggedreht, was ich so tatsächlich noch nie beobachtet habe. Während man sich noch wundert, wie das Set aufgebaut ist, wundere ich mich wenige Minuten später, wie es von Mikey Sorbello gespielt wird. Allein die Haltung der Sticks, gepaart mit dem weißen, unkonventionell gestellten Set, erinnert eher an das Bix als das Goldmark’s. Doch schnell ist klar, dass die Musik perfekt in das enge Ambiente des Clubs am Charlottenplatz passt. Natürlich müssen die White Stripes als erste Reminiszenz herhalten und der Sound der Graveltones bewegt sich sehr in diesem Garage-Bereich.
Jimmy O. ist insgesamt kaum zu bremsen, weder was seinen Gesang, noch was sein Gitarrenspiel angeht. Energisch und wild schreit er schon beinahe die Texte heraus, die Stimme dabei oft kurz vor dem Überschnappen, aber eben nur kurz davor. Und bevor nochmals Drummer Sorbello eine Lobhudelei abbekommt, muss die Leistung Jimmys explizit gewürdigt werden. Wie unter Strom spielt er oft unkonventionell – schlägt auf die Gitarre oder reißt förmlich die Seiten von seinem Instrument. Dabei gelingt es ihm, immer wieder interessante Akzente zu setzen, die dazu beitragen, dass sein Spiel nie in einen monotonen Blues-Rock abgleitet. Und er ist ständig in Bewegung, springt über die Bühne oder auch mal in das Publikum, das dabei erfolgreich dem wild um sich schlagenden Gitarrenhals ausweichen kann.
Auch Schlagzeuger Sorbello gelingt es, nie „nur“ Heavy-Blues-Rhythmen in seine Felle zu hauen. Er steuert die Songs, setzt mal hier eine kleine Ruhephase und entfacht an anderer Stelle wiederum einen Sturm. Und immer wieder schafft er es, den Songs eine Art Swing zu verleihen, obwohl er dabei einen ungeheuren Druck entfacht. In Kombination all dieser kaum zu beschreibenden Aspekte entsteht ein Sog, dem man sich live eigentlich nicht entziehen kann und von dem man sich nur wünschen kann, ihn bald wieder einmal in Stuttgart genießen zu können.