DREADSKIN KICK BOX, 11.01.2017, Ritterstüble, Stuttgart
Gute Vorsätze für 2017: Nie wieder in die Schleyerhalle gehen, lieber kleine und ungewöhnliche Locations besuchen. Und vor allem: Noch mehr über lokale Musik berichten. Fein, dass sich dies alles gleich beim ersten Gig des Jahres umsetzen lässt. Und „Dreadskin Kick Box im Ritterstüble“, das sind sogar gleich zwei wunderschöne Geschichten. Die eine über eine Eckkneipe, wie man sie nur wenige in Stuttgart findet. Und die andere über einen Musiker, der nach sage und schreibe dreißig Jahren seine Nische gefunden hat.
Dreadskin Kick Box, das ist das Ein-Mann-Projekt von Josi „Dreadskin“ Höger. Als Frontmann seiner Band The Mood a.k.a. spielte der Vaihinger schon traditionelle jamaikanische 1960er-Musik wie Rocksteady, Reggae und Ska, als diese in Deutschland gerade erst mit dem zweiten Aufguss – dem Two-Tone-Ska von Madness und The Specials – etwas bekannter wurde: in den 1980ern. Aber auch nach dreißig Jahren auf der Bühne, zwei Alben und unzähligen Umbesetzungen hat The Mood a.k.a. gerade mal in der Skinhead-Szene, bei einigen Genre-Kennern und kurioserweise im Baskenland eine kleine Anhängerschaft gewonnen. Schade, aber auch nicht verwunderlich. Denn stilistisch ist Dreadskin kompromisslos. Auch wenn es in der Band-Besetzung Bläser, Keyboards, Percussions und anderes Lametta gab (und gibt), sein Markenzeichen ist auch im großen Setup die Reduktion des Ska auf seine Grundbestandteile: Offbeat und Gesang. Mit seiner schneidend-hart gespielten Gitarre und seiner markanten Soul-Stimme ist er ganz nah an Altmeistern wie Toots Hibbert, aber meilenweit entfernt vom erfolgreicheren, süßlichen Love-and-Peace-Pop-Reggae oder dümmlichem Party-Pop-Ska.
Und dieser Minimalismus hat nun seinen konsequenten Ausdruck gefunden: in Form einer Ein-Mann-Band. Wesentlich agiler als eine 5- bis 6-Mann-Kombo, ohne aufwändige Arrangements und band-interne Zugeständnisse. Und auch im echten Wortsinn beweglich: gerade kommt Dreadskin von einer spontanen Belgien-Tour zurück. Mit seiner abenteuerlich umgebauten Gitarre spielt Dreadskin gleichzeitig in der Bass- und Gitarrentonlage und produziert einzelne Schlagzeug-Effekte. In seiner Kickbox, einem schlichten Pappkarton, verstecken sich eine Fußmaschine, ein Schlagzeug-Trigger und ein Schellenring. Mit Hilfe einiger Effektgeräte (aber komplett ohne Loop-Maschinen) erzeugt er so einen verblüffend band-ähnlichen Sound (auch wenn dieser Effekt durch eine etwas bessere technische Ausstattung sicher noch gesteigert werden könnte). Und mit diesem Setup findet er auch Platz in kleinen Eckkneipen, wie zum Beispiel dem Ritterstüble.
Womit wir bei der zweiten schönen Geschichte wären. Diese urige Gaststätte in einem Heslacher Seitensträßchen wäre nämlich schon längst verschwunden, wenn nicht die Stammgäste 2009 kurzerhand einen Verein gegründet hätten und den von der Schließung bedrohten Laden übernommen hätten. Seitdem betreiben sie ihn mit viel Herz und Gastfreundschaft. Ein Konzert pro Monat gönnen sie sich auch. Was einem Miesepeter aus der Nachbarschaft nicht zu gefallen scheint, denn schon um Viertel nach Acht schickt er die Polizei vorbei, die allerdings überhaupt nicht daran denkt, dem lustigen Treiben Einhalt zu gebieten und nach einem freundlichen Schwätzchen mit dem Wirt von dannen zieht. Ein – sagen wir mal – recht markantes Publikum hat sich zum Gig eingefunden. Sicher einige Stammgäste dabei, angejahrte Bohémiens, Heslacher Originale, ein paar Stuttgarter Ska-Musiker, Freunde des Künstlers und eine kleine Skinhead- und Soulgirl-Abordnung. Sehr familiär das Ganze, und alle bestens gelaunt.
Das Programm erstreckt sich über fast zwei Stunden, nahezu alles Eigenkompositionen, wenige Titel von The Mood a.k.a. und natürlich ein paar Klassiker des Genres. Zu „Mister Wong“ einem kernigen Ska aus dem Mood-Repertoire bekommt Josi Unterstützung von Li, Partnerin und Gründungsmitglied von The Mood a.k.a. Auch wenn der Laden nicht komplett ins Tanzen gerät, ein kollektives Mitwippen ist zu erkennen. Im Zugabenteil werden auch Zuschauerwünsche erfüllt. Bob Marleys „One Love“ wird angestimmt und bei Toots‘ „Monkey Man“ geht zur allgemeinen Erheiterung das Mikrofon durch’s Publikum. Live-Ska-Karaoke quasi. Feine Überraschung zum Abschluss: Al Wilsons Northern-Soul-Klassiker „The Snake“ in einer rudimentären Ska-Version. Großartig!
Liebe „Ritter der Tafelrunde“, von solchen Konzerten wünschen wir uns noch viele weitere!
Als Vater von Li freue ich mich, dass Josi eine so famose Kritik und Würdigung seiner Musik, seines Vortrags und seines Einsatzes für diese Art Musik bekommen hat. Meine Li hat daran ihren Anteil, auch durch unermüdlichen Einsatz und sehr viel Freude an dieser Musik. Danke.