THE SOULBOY COLLECTIVE, 12.11.2016, InDieWohnzimmer, Stuttgart
Als ich vor einigen Jahren zufällig über The Soulboy Collective stolperte, dachte ich, eine echte Entdeckung gemacht zu haben. Ein Twee-Pop-Juwel von den britischen Inseln, das garantiert keiner kennt. Wunderbare Melodien, melancholisch-ironische Texte und ein ordentlicher Schuss Northern Soul. Etwas verwirrend fand ich allerdings, dass auf Covers und in Videos der Kornwestheimer Rathausturm auftauchte. Solche architektonischen Monströsitäten findet sich sicher auch in vielen mittelenglischen New Towns. Dass aber ausgerechnet das Wahrzeichen der Salamander-Stadt von einer britischen Band verwendet wird, erschien mir dann doch zu schrullig, als dass es wahr sein könnte. Und bei meinen Gig-Blog-Kollegen, da erntete ich nur ein Gähnen. Kannte doch jeder schon lange vor mir dieses Band-Projekt aus Kornwestheim.
Wenn man die angeblich 23 Jahre währende Band-Geschichte näher betrachtet, erkennt man sofort: Die einzige Konstante ist Jürgen Dobelmann, der Gründer, Kopf und Sänger des DIY-Projekts. Inzwischen ist er in München beheimatet, was in der Band-Biografie gerne betont wird, da es doch deutlich weltläufiger klingt als Kornwestheim. Das erste und bisher einzige Album „Clique Tragedy“ ist bereits 2010 erschienen und seitdem hat das Soulboy Collective gerade mal acht Auftritte gehabt, darunter einen auf dem „Indietracks“, einem putzigen Indie-Festival in Derbyshire. Und nun findet der neunte im Stuttgarter InDieWohnzimmer statt. Die Band ist zu viert angerückt. In der aktuellen Besetzung haben sie bisher mal gerade einen Gig gespielt und sie versprechen, dass der heutige der längste in der Bandgeschichte werden wird. Textblätter und Setlists sind großzügig um die Band herum verteilt. Mangelnde Live-Routine wird durch gewissenhafte Vorbereitung kompensiert. Als zweites Stamm-Mitglied der aktuellen Besetzung wird Felix Homeier an der Gitarre vorgestellt. Die zweite Gesangsstimme steuert die Sängerin Kommissar Lex aus Berlin bei und am Bass betätigt sich Bernd Hartwich von der Münchner Band „Der Englische Garten“. Das Schlagzeug und der ganze Rest kommen vom Macbook. Und das sind bei den manchmal recht aufwändigen Arrangements nicht nur Streicher oder Bläser, sondern vor allem diverse Samples.
„Pickpocket Pop“ nennt Dobelmann seinen Stil, da man sich halt gerne bei anderen bediene. Zumeist sind Beziehungsgeschichten das Thema, immer mit einem ironischen Augenzwinkern, wie zum Beispiel „Let’s Stay Undecided“ oder der Northern-Soul-Kracher „I’m Not In Love But I Could Be“. Überhaupt: seine Ansagen, eine Mischung aus nerdiger Schüchternheit und scherzhafter Großmäuligkeit, machen einen guten Teil des Unterhaltungsfaktors aus. Da wird „Happily Married (But Not To Each Other)“ als „Song des Jahres 2016“ des Bundesverbands Indiepop angekündigt (für den er übrigens noch Mitglieder sucht). Und „We Will Succeed If We Take Matters In Our Own Hands“ habe er geschrieben, als er beim Hören des neuen New-Order-Albums festgestellt hätte, dass man das auch besser machen könne. Und tatsächlich: Es ist verblüffend, mit welcher Regelmäßigkeit Dobelmann Melodien raushaut, die wunderbar eingängig, aber niemals banal sind. Beide Tracks werden auf dem nächsten Album „Snob Fatigue“ vertreten sein. Hoffentlich auch der kernige Song, den Gitarrist Felix Homeier in seinem allerersten Gesangsauftritt mit viel Verve zum Besten gibt.
Der Liveauftritt selbst ist mangels Schlagzeug leider nicht so druckvoll, wie man ihn sich wünschen würde, auch wenn sich Bassist Bernd Hartwich abrackert, als halbe Rhythmus-Sektion dem Sound eine kraftvolle Basis zu geben. Soundmäßig hapert es leider auch ein wenig im proppenvollen Wohnzimmer. Aber heute geht es auch nicht um das perfekte Live-Erlebnis, heute ist großes Familientreffen. Die Eltern sind angerückt, viele Freunde und Fans aus Stuttgart und Umgebung. Kurzum: Das gesellschaftliche Ereignis steht im Vordergrund. Da stört es auch nicht, dass die Setlist nach zehn Titeln erschöpft ist. Bleibt schon mehr Zeit für gemeinsames Feiern.