SOPHIA, 04.11.2016, Manufaktur, Schorndorf
Was hat mich eigentlich geritten, ausgerechnet über Sophia berichten zu wollen? Klar, des Fotografen immer stilsichere Konzertwahl könnte ein Grund gewesen sein. Vielleicht auch die Aussicht auf einen gemütlichen Wochenausklang in der Manufaktur? Denn, um ehrlich zu sein: Viel mehr als der Name war mir von der Band nicht bekannt. Ein kurzes Warmup mit dem jeweils neuesten Album reicht normalerweise, um sich auf den Auftritt einer Indie-Band vorzubereiten, wird sie mit diesem ohnehin den größten Teil eines meist knapp einstündigen Gigs bestreiten. Bei Sophia heißt dieses „As We Make Our Way (Unknown Harbours)“ und ist ein gefälliges Indiepop-Opus mit melancholischem Grundton, eingängigen Melodien und etwas Shoegaze. Kurzum: Keine allzu hohen Erwartungen, ein Konzertabend zum Zurücklehnen. Von wegen!
Ein kleiner Blick in die Gig-Blog-Archive von 2009 und 2010 hätte genügt um zu erfahren: die Band um Robin Proper-Sheppard hat nicht nur eine gut zwanzigjährige Historie und eine ansehnliche Diskografie, sie genießt auch kultische Verehrung ob ihrer musikalischen Qualität, ihres Tiefgangs und Schwermuts. Und sie hat für das neue Album einen für die Fans unerträglich langen Zeitraum von sieben Jahren benötigt. Kein Wunder, dass sich um die zweihundert Zuschauer in der Manufaktur eingefunden haben. Und der einzige, der keine jahrelange gemeinsame Historie mit Sophia nachweisen kann, scheine ich zu sein. Na, toll.
Dabei beginnt der Gig noch ganz erwartungsgemäß. Das aktuelle Album steht auf dem Plan (inklusive Ouvertüre vom Band). Publikumsansprache gibt’s keine. Robin Proper-Sheppard, der aus unserer Perspektive mit seinem Seitenscheitel ein wenig an Johnny Cash erinnert, scheint heute nicht besonders gesprächig zu sein. Die Band geht äußerst präzise und routiniert zu Werke, wirkt aber recht distanziert. Das Publikum – übrigens erstaunlich alt, wir dürften uns im Schnitt um die 40 bewegen – nimmt alles mit größter Konzentration, mucksmäuschenstill und höflich applaudierend entgegen. Alles sehr dezent, ein kleines Gähnen kann ich aber nicht unterdrücken.
Erst als Proper-Sheppard nach einer knappen Stunde ankündigt, nun auch ein paar alte Titel spielen zu wollen, kommt Bewegung in Band und Publikum. Auch seine Redebeiträge werden länger. „Shoandoaf“ lobt er auf’s Äußerste. Fragt, wer alles bei seinem Solo-Gig gewesen sei. Und, ach ja, „Shtuttgort sucks“ gibt er uns auch noch mit. Und was jetzt folgt, ist vermutlich ein „Best of“ aus der Sophia-Diskographie, für mich als Novizen ein durchaus beeindruckendes Zeugnis der großen stilistischen Spannbreite. Von folkigen Singer-Songwriter-Stücken, über Dreampop und Shoegaze bis hin zu mächtigen Postrock-mäßigen, symphonisch angelegten Tracks reicht das Spektrum. Von ganz, ganz zart und leise bis zu brachial laut wird auch die gesamte Dynamik ausgelotet. Besonders eindrucksvoll „Technology Won’t Save Us“ vom gleichnamigen Album und „The River Song“, der in einem gewaltigen Gitarrengewitter endet.
Nach gut zwei Stunden und drei Titeln in der Zugabe endet ein Gig, der für die Fans wahrscheinlich ein großartiges Erlebnis war. Für mich als Sophia-Anfänger war er – auch wegen einiger Längen – eher eine Herausforderung.