SHOTGUN JIMMIE, 01.09.2016, Manufaktur, Schorndorf
„Join the Band, come on tour, get in the van, what are you waiting for?“ Mit dem Opener seines aktuellen Albums „Field of Trampolines“ eröffnet der Kanadier Shotgun Jimmie sein Gartenkonzert in der Manufaktur Schorndorf. Die Freuden des Tour-Lebens beschreibt der Song. „We got the whole wide world to see!“ Viele kleine Episoden aus Polen, Bratislava, Zagreb und „Doitschländ“ streut er ein, nicht ohne ironische Untertöne.
Die ganze Ironie eröffnet sich erst, wenn man das Setup betrachtet: Shotgun Jimmie aka Jim Kilpatrick sitzt mutterseelenalleine auf der Bühne, von einer Band ist weit und breit nix zu sehen. Mit einem abenteuerlich zusammengeschusterten Schlagzeug zu seinen Füßen und seiner Gitarre im Arm sitzt er da im dunkelbraunen großkarierten Hemd (schickes Nerd-Detail: Füller und Kapodaster in der Brusttasche) und muss sogar die Backing-Vocals selber singen.
Wenn ich bedenke, welche Schwierigkeiten mir schon die Bedienung eines einzigen Musikinstruments macht, ringen mir solche Ein-Mann-Bands immer größte Bewunderung ab. Gleichzeitig zu singen, Schlagzeug und Gitarre zu spielen und die vielen Gitarren-Fußtaster zu bedienen. Keine Ahnung, wie das ein einziges Gehirn hinbekommen soll. Und das lustigste daran, Shotgun Jimmie scheint es auch nicht immer zu wissen. Da geht schon mal ein Harmoniewechsel schief, wird der falsche Fußtaster getreten, der Verzerrer übertrieben stark eingestellt oder der exakte Ton erst im dritten bis fünften Anlauf getroffen. Dies alles baut der kauzig-sympathische Kanadier, der mich manchmal an den jungen Al Bundy erinnert, allerdings so versiert in seinen Vortrag ein, dass man schon fast Absicht dahinter vermuten muss. Keine Frage, der spröde DIY-Charme ist es, der seiner Musik die Würze gibt.
Und das wunderbar skurile Spektrum von Song-Themen, denen sich bisher noch keiner anzunehmen getraut hat. Im Song „Solar Array“ zum Beispiel, der sich mit Solarzellen und Phänomenen wie dem „Supermoon“ beschäftigt und letzlich in der gesungenen Buchstabenfolge „B-I-O-L-U-M-I-N-E-S-C-E-N-C-E“ endet. Herrlich.
Jimmie scheint den Abend im nahezu voll besetzten Biergarten jedenfalls zu genießen, schaut in ruhigen Momenten in den Sternenhimmel und den im Anflug auf Stuttgart querenden Flugzeugen nach. Wenig später gibt er wieder eine Kostprobe seines Talents als Komiker, indem er ein schräges Gitarrensolo durch das Drehen seines fürchterlich quietschenden Hockers untermalt. In den Songpausen erzählt er kleine Episoden aus seinem Musikerleben, wie er lange als Hausmeister gearbeitet habe und dass er nun auf eine Kunstschule gehe. Konzeptkunst sei sein Ding: „It’s all about idea, nothing about execution.“ Deshalb wolle er als nächstes auch nur zweieinhalb Songs singen.
Mit zuerst nur einer Zugabe beschließt Shotgun Jimmie den Abend, rekrutiert zum letzten Song dann aber noch flugs einen Schlagzeuger aus dem Publikum und ist letztlich so begeistert über die Tatsache, sogar eine zweite Zugaben geben zu müssen, dass er überlegt, sich sein erstes Tattoo stechen zu lassen: „Double Encore Schorndorf 2016“.
Sagt’s, packt seine Equipment in den Samsonite, der bis eben noch als Bassdrum fungierte, und mischt sich zum Plaudern unter’s Publikum. Gut zu wissen, dass schon am 14. Dezember mit „The Burning Hell“ eine weitere kanadische Band mit ähnlichem Humor, ähnlich hohen Sympathiewerten und ähnlicher Musik in der Manufaktur spielen wird. Wir freuen uns drauf.