JAN BLOMQVIST, 31.03.2016, Im Wizemann, Stuttgart

JAN BLOMQVIST, 31.03.2016, Im Wizemann

Foto: X-tof Hoyer

Der Beat bei ca. 130 bpm, sphärische Klänge, die sich langsam zu einer Melodie vereinigen, ein Off-Beat-Hi-Hat Sound – das ist das Grundgerüst für stundenlanges Tanzen im von Lichtblitzen durchschnittenen Dunkel eines Clubs. Vergessen sind Zeit, Raum, Aussehen, gestern und morgen, der Alltag. Die Wahrnehmung ist völlig auf die Veränderungen des Sounds gerichtet, die alle 4, 12 oder 16 Takte die Dynamik der Musik ihre Richtung geben. Wieso sollte diese Musik in einen Konzert-Club? Warum bringt man sie raus aus ihrer natürlichen Umgebung, dem Club oder dem Festival? Der in Berlin ansässige Jan Blomqvist will genau das und startet seine „Remote-Control-Album-Tour“ durch Deutschland und die Schweiz im Im Wizemann, veranstaltet vom Stuttgarter DJ Marius Lehnert (Discotronic Collective).

Der Abend wird durch den Stuttgarter Support Alexander Maier eingeleitet, wie Lehnert ebenfalls früherer Resident-DJ im Rocker 33 und eine feste Größe des Elektro-Kessels. Und schon tritt eine erste Gemeinsamkeit zu Support-Bands auf: Sie haben zuweilen einen schweren Stand. Die kleine Halle füllt sich erst allmählich, das Publikum ist in Plauderlaune, die Musik verfängt sich noch nicht in den Köpfen und Beinen der Anwesenden. Nach einer kurzen Umbaupause und ohne nochmals extra die Bühne zu verlassen, beginnen Jan Blomqvist, Felix Lehmann und Christian Dammann mit verhaltenen, wabernden Sound und gedämpftem Bühnenlicht fast unbemerkt ihr Set. Erst als der Beat einsetzt, richtet sich die Aufmerksamkeit auf die drei Musiker. Die verstehen es, die Tracks live aufzubauen und vor allem hinsichtlich der Beats ist es ein großer Gewinn, diese in Form eines Schlagzeugers visualisiert zu bekommen.

JAN BLOMQVIST, 31.03.2016, Im Wizemann

Foto: X-tof Hoyer

Im Zentrum steht natürlich Jan Blomqvist an vielen Knöpfen und Reglern sowie einem kleinen Synthie, daneben Felix Lehmann am Piano und ebenfalls vielen Knöpfen und Reglern und Christian Dammann an den teils analogen, teils elektronischen Drums. Ähnlich wie im vergangenen Sommer bei „Howling“ im clubCANN ist der Abend eine Mischung aus Konzert und Clubset, ohne sich wirklich für eins der beiden zu entscheiden. Und das ist auch die größte Schwäche des Prinzips „Clubmusik in Konzert-Venue“. Das führt schließlich dazu, dass ein Teil des Publikums sich auch wie in einem Club verhält: Man geht zwischendrin mal raus, eine rauchen, um kurz frische Luft zu schnappen oder unterhält sich einfach im Saal. Das ist nicht unbedingt ein Vorwurf, denn im Club ist die Musik die den Abend zusammenhaltende Konstante, die selbst bei einem Wechsel am DJ-Pult meistens nicht aussetzt. Wer da letztendlich für den Soundtrack der Nacht verantwortlich ist, bleibt (außer für die Insider) meist unklar und sogar unwichtig.

JAN BLOMQVIST, 31.03.2016, Im Wizemann

Foto: X-tof Hoyer

Doch dann werden von der Elektro-Band eben doch Pausen zwischen einzelnen Tracks gesetzt und im Saal reagiert man, zumindest bei den ersten zwei Pausen, nicht wie es bei einem Konzert üblich ist. Wäre es nicht besser, tatsächlich zu versuchen, das Konzert als einen zusammenhängenden Track zu spielen? Die Ansagen Blomqvists sind durch die Mikroeinstellungen für den gehauchten und sich an die elektronischen Klänge anschmiegenden Gesang sowieso unverständlich. Und ein weiterer Faktor spräche noch dafür: Bei jeder Pause, sei sie auch noch so kurz, nehmen Spannung, Konzentration und Intensität spürbar ab. Es braucht schlicht Zeit, bis man sich auf den Beat und die Klänge einlassen kann und bestenfalls einen trance-ähnlichen Zustand erreicht. Man spürt, dass sich das Konzert von Track zu Track steigert, um schließlich bei Blomqvists bekanntesten Songs wie „Something Says“ und „Remote Control“ seinen Höhepunkt zu erreichen. Hier zeigt sich dann auch die Stärke der Songs, nämlich eingängige Melodien, die mit Hilfe von minimalen Impulsen zu einem wunderbaren Song zusammengebaut werden. Nun wird auch das Licht dynamischer eingesetzt und die zwischenzeitlichen Knarz- und Knacks-Geräusche aus den Boxen sind nicht mehr zu hören.

JAN BLOMQVIST, 31.03.2016, Im Wizemann

Foto: X-tof Hoyer

Natürlich ist es völlig legitim elektronische Musik als klassisches Konzert aufzuziehen, keine Frage. Und das Trio wird gegen Ende durch Zwischenbeifall, Pfeifen und einem groovenden Publikum belohnt. Zudem würde es mit der Zeit eintönig, wenn jeder Musikstil nur in der dafür vorgesehen und angestammten Umgebung stattfände. Die Qualität der Musik schmälert das in keiner Weise. Was allerdings doch etwas fehlt, ist die Einbildung der nicht zu Ende gehen wollenden Nacht und des Gefühls, nun noch für mindestens drei Stunden weiter zu tanzen. Diese Illusion ist durch das engere Korsett des Konzerts gar nicht erst gegeben. Aber vielleicht darf man das nicht zu eng sehen.

JAN BLOMQVIST, 31.03.2016, Im Wizemann

Foto: X-tof Hoyer

Jan Blomqvist

Alexander Meier

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