BEN CAPLAN, JOHN ALLEN, 02.02.2016, Manufaktur, Schorndorf

BEN CAPLAN, JOHN ALLEN, 02.02.2016, Manufaktur, Schorndorf

Foto: X-tof Hoyer

Der Kanadier Ben Caplan ist nicht nur ein markanter und stimmgewaltiger Sänger, er hat mit den „Casual Smokers“ auch eine fantastische Begleitband. Ob knarziger Blues und Soul, verruchter Bar-Jazz, Klezmer, Country oder Vaudeville – eine Reihe hervorragender Musiker schafft eine wunderbar vielfältige musikalische Kulisse, vor der der sympathische Kauz brilliert. Zumindest auf seinen Alben. Aber leider nicht hier und jetzt auf der Bühne der Schorndorfer Manufaktur. Sie seien im Laufe der vielwöchigen Europa-Tournee alle gestorben. An Erschöpfung. Deshalb seien nur noch er und die Sängerin Taryn Kawaja unterwegs. Ein witziger Erklärungsversuch, aber auch eine herbe Enttäuschung.

BEN CAPLAN, JOHN ALLEN, 02.02.2016, Manufaktur, Schorndorf

Foto: X-tof Hoyer

Dabei hat der Abend so gut begonnen: der Hamburger John Allen – auf den ersten Blick ein potenzieller Gewinner des Ben-Caplan-Lookalike-Contests – hat den Laden schon nach wenigen Songs im Griff. Mit Tom-Waits’scher Reibeisenstimme, kraftvollem Gitarrenspiel und vor allem charmant-ironischen Ansagen kommt er in der gut gefüllten Manufaktur hervorragend an. Er hat allerdings auch leichtes Spiel: schon lang haben wir kein solch aufmerksames und ruhiges Publikum mehr erlebt. Da wird jede Pointe belacht, jeder Song ausgiebig beklatscht und – das sei als Warmup für Caplan ohnehin wichtig – lauthals mitgesungen. Er weiß dies zu schätzen und genießt es. Für mich eine tolle Entdeckung und ein Eintrag auf der Wunschliste für zukünftige Wohnzimmerkonzerte. Nur eines ist wirklich schade: Dass ein so humorvoller und sympathischer Typ den Lehrer-Job an den Nagel gehängt hat und damit für unsere Kinder verloren gegangen ist.

BEN CAPLAN, JOHN ALLEN, 02.02.2016, Manufaktur, Schorndorf

Foto: X-tof Hoyer

Nach kurzer Umbaupause – die Hoffnung, dass nun vielleicht doch noch die Instrumente für die Band hereingeschoben werden, wird leider enttäuscht – betritt Ben Caplan die Bühne. Schon die optische Erscheinung ist beeindruckend: in beigem Anzug mit rosa Hemd (genauso stilsicher wie Bernd Begemann, bloß weit besser in Form), ein gewaltiger Bart, das Haupthaar zu einem verwegenen Dutt aufgetürmt, eine Zahnreihe, die – wenn sie nicht eine Laune der Natur ist – eine fünfstelligen Betrag gekostet haben dürfte. Und dann diese Stimme! Alter Elmar-Gunsch-Trick: extra tief und sonor und dann ganz nah ans Mikro. Brummbassiger geht’s nicht.

Aber erst beim Gesangsvortrag spielt Caplan das gesamte stimmliche Spektrum aus. Vom besagten Tiefbass, durch alle Tonlagen und Lautstärken, mal rauchig, mal kratzig, mal butterweich und schmeichelnd, bis hin zum markerschütternden Geschrei. Mit wem ist er nicht schon alles verglichen worden: Tom Waits, Tom Jones, Louis Armstrong. Zielt alles zu kurz, seinen Variantenreichtum hat keiner dieser Großen drauf.

BEN CAPLAN, JOHN ALLEN, 02.02.2016, Manufaktur, Schorndorf

Foto: X-tof Hoyer

Routiniert spielt er sich durch sein Programm, teilweise unterstützt von Taryn Kawaja, die mal Melodica oder Harmoniegesang beisteuert, sich einmal sogar vierhändig mit Caplan am Piano betätigt. Die übrigen Songs gibt Caplan alleine an der Gitarre. Physisch nimmt er mühelos die gesamte Bühne ein, stimmlich den ganzen Raum. Mal geriert er sich als wahnsinniger, augenrollender Derwisch, dann wieder als ruhiger, sensibler Chansonnier. Das Publikum ist begeistert, ich finde dennoch die eine oder andere Länge im Programm. „Fabulous“ sei das Publikum. Und „terrific“. Was bei John Allen noch ursympathisch und glaubwürdig rüberkam, wirkt bei Caplan etwas zu glatt und aufgesetzt.

Nach einem insgesamt runden Abend und zwei fulminanten Zugabenrunden landet Caplan schlussendlich dann doch noch auf meiner Liste der nochmal zu besuchenden Konzerte. Allerdings mit einer Fußnote: „nur noch mit Band“.

BEN CAPLAN, JOHN ALLEN, 02.02.2016, Manufaktur, Schorndorf

Foto: X-tof Hoyer

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