DIE MEGA 90ER LIVE! mit EAST 17, SNAP!, CULTURE BEAT, HADDAWAY, 2 UNLIMITED und BENJAMIN BOYCE, 19.12.2015, Schleyerhalle, Stuttgart
East 17, 2 Unlimited, Culture Beat, Snap! und Haddaway auf einer Bühne – ganz, ganz groß. Irgendwie. Irgendwie aber auch nicht. Musik, die die Welt nicht braucht, aber aus irgendeinem Grund wohl mal brauchte. „Rhythmis a dancer“, „No Limit“, „It’s alright“ und der ganze Kram, der in den 90ern hoch und runter lief weil er… weil er… tsja, weiss ich jetzt auch nicht mehr so genau. An der hochwertigen Qualität oder der musikalischen Ausgebufftheit kann es ja kaum gelegen haben. Lief trotzdem hoch und runter und auch wenn man sich musikalisch eigentlich in eine komplett andere Richtungen orientiert hat (die es in den 90ern ja gottseidank auch gab), entkommen konnte man Eurodance und Boybands dank Musikfernsehen und Radio nicht. Meistens hat man sich über Texte mit pfiffig lyrischem Einschlag á la Mr. President (Paradebeispiel „Coco Jambo“) zu billigem UmtzUmtz-Beat nur noch gewundert. Ab und an hat man sich dann aber auch dabei ertappt (und gleichzeitig sehr dafür geschämt), dass man einen dieser Hits tatsächlich gemocht hat. Bei mir war „No limit“ von 2 Unlimited einer dieser guilty pleasures. Ob es an der Sängerin gelegen hat? Oder tatsächlich am Song selbst? Weiss ich jetzt auch nicht mehr. Oder ich hab’s verdrängt. Jedenfalls klingt das Line-Up dieser Mega 90er-Party (immer ziemlich cool, wenn man schon in den Namen der Veranstaltung packt, dass es richtig toll wird) schon ziemlich lustig. Und gruselig auch. Und wir sind heute hier in der Schleyerhalle, um rauszufinden was überwiegen wird.
Das Publikum ist alterstechnisch sehr homogen, so irgendwo zwischen 35 und 45 Jahren. Die Stimmung ist gut in der recht vollen (wen auch nicht ausverkauften) Halle. Eingeheizt wird mit Musik aus der Konserve (natürlich aus den 90ern) und Bildern von Tamagotchis, Al Bundy, dem Prinz von Bel Air oder (und dafür gibt es den stattlichsten Applaus) dem Gameboy. Einen Moderator gibt es auch. Der erzählt ein bisschen was und trägt irgendwelche 90er-Fummel auf. Vereinzelt machen das ein paar Leute im Publikum auch. Ich hab alles richtig gemacht, denn nüchtern bin ich nicht mehr. Hab mir schon gedacht, dass das sonst eher schwer zu ertragen sein wird. So bin ich also schon ziemlich gutgelaunt, als East 17 unter großem Applaus die Bühne betreten. Hä, waren das nicht vier? Sind aber nur noch drei und die sehen auch schon irgendwie bissle durchgerockt aus. Die Originalbesetzung ist das sicher nicht. Egal, denn gleich der erste Song „House of Love“ schickt einen auf eine lustige Reise in die Jugend, wo gute Musik noch nicht aus allen Ecken auf einen einprasselte und Eurodance der heiße Scheiß war. Sogar den Text können wir noch bissle. Kann man mit dem Bierbecher in der Hand schön mitsingen. Die Stimmung ist jedenfalls schon ziemlich gut. Erstaunlich viele Männer tanzen. Die Mädels sowieso. Es folgen weniger bekannte und dann sogar Stücke vom neuen Album, das doch eigentlich niemand braucht, oder? „Das ist echt dreist!“ findet Sonja sogar. Mit „Thunder“ und ihrem vielleicht größten Hit „It’s alright“ sind am Schluss dann wieder alle versöhnt. Es gibt viel Applaus.
Es folgen Snap!, und die entpuppen sich für mich so ein bisschen als Highlight des Abends. Weil sie sichtlich Spaß haben und weil sie können was sie da tun. In Originalbesetzung seien sie, also der „Real Deal“, so verkündet Frontfrau Penny Ford jedenfalls. Nach ein wenig Internetrecherche bin ich mir da aber nicht ganz so sicher. Eine von vielen ehemaligen Sängerinnen ist sie wohl, der (nennen wir es mal) Rapper wurde aber ganz sicher ausgetauscht. Ist aber bei all den Bands heute sowieso müßig zu prüfen. Und ganz ehrlich, einen Unterschied macht es ja auch nicht wirklich. Also back to Partybusiness. Hits wie „Do you see the Light“, „The Power“ oder natürlich dem Megakracher „Rhythmis a Dancer“ machen Stimmung, auch bei uns.
Als Nächstes steht dann der kurzfristig angekündigte Ehrengast und Ex-Dschungelbewohner Benjamin Boyce auf der Bühne, ehemaliges Mitglied der sogar für Boyband-Verhältnisse schlechten Caught In The Act. Und ehrlich, statt BB (prangt stolz von seiner Brust) hätte man besser einen Sack Kartoffeln auf die Bühne gestellt. Ganz peinlicher Auftritt mit sehr wenig Applaus, billigen Posen, kitschigem Licht, neuen Songs und vereinzelten Buhrufen. Next please!
Culture Beat ist das dann, die deutsche Eurodance-Formation, die seinerzeit große Hits wie „Mr. Vain“ und „Got to get it“ hatte. Bei den Hits singen wir mit, die restlichen Songs hätte es mal wieder nicht gebraucht.
Es folgt Haddaway. Durchgenudelt sieht er aus, sagen auch meine Begleiter. Ziemlich cool findet er sich aber immer noch, merkt man auch gleich. „What is Love?“ ist der einzige Song, an den ich mich im Nachhinein erinnere. Ist aber wohl auch der einzige, den ich je kannte. Und weil er wohl weiss, dass er nicht allzu viel Bekanntes im Gepäck hat, spielt er den einen gleich nochmal. Und damit wird er sich heute in guter Gesellschaft befinden. Muss man sich auch erst mal trauen. Immerhin hat der gebürtige Holländer (und studierte Politologe) bissle was für’s Auge mitgebracht. Zwei sehr durchtrainierte, spärlich bekleidete Tänzerinnen steppen im Hintergrund ab während Haddaway und seine blonde Sängerin die Massen anfeuern.
2 Unlimited setzen den Schlusspunkt bei der Mega90er-Party. Die sind mit „Rapper“ Ray Slijngaard und Sängerin Anita Dothsogar tatsächlich in Originalbesetzung da. Letztere hat ein bisschen abgebaut seit ich sie das letzte Mal gesehen habe. Mit „No Limit“, „Tribal Dance“, „Let the Beat control your Body“ und „The real thing“ hat das holländische Duo überraschend viele Hits im Gepäck. Die Stimmung ist bestens, auch wenn die ersten Gäste wohl schon los sind um ihre letzte Bahn zu kriegen.
Wir machen uns dann auch auf den Heimweg und trällern dabei den ein oder anderen eben gehörten Hit längst vergangener Tage vor uns hin. War schon lustig das Ganze. Aber eben mehr Event als echtes Konzert. Seltsamerweise kriegen wir am nächsten Tag nicht mal mehr alle Hits zusammen, die gespielt wurden. Ja selbst bei der Reihenfolge der Bands kommen wir durcheinander: Haddaway vor Culture Beat oder anders herum? Wohl ein Zeichen dafür, dass alles ein wenig austauschbar ist und wir auch alles nicht so ernst genommen haben. Muss man wohl so machen, weil grauslige Texte zu schlechtem Retortenbeat (meist irgendwo zwischen Amsterdam und Kitzbühl produziert) sonst nicht funktionieren. Wenn man den Musikliebhaber in sich gegen Bier getauscht hat, war das aber schon eine dufte Sache – „Trip down Memory Lane“ halt. Mehr als die Hits hätte dann aber wohl auch niemand in der Halle gebraucht. Echte Fans wird es ja eh keine geben (mit Ausnahme von East 17 vielleicht, aber allzu viele werden es auch da nicht sein).
One love, one god, everybody in the house of love!
Ganz schön pornöses Bildmaterial vom Haddaway-Auftritt, gefällt mir! Das Foto 17/18 von der East 17 Bildstrecke: Da ist Euch ein Szenenfoto von The Walking Dead reingerutscht, oder?