DER MANN aka DIE TÜREN, 22.10.2015, Merlin, Stuttgart
Wenn es eine Band gibt, die das Konzept der scheinbaren Konzeptlosigkeit in einer grandiosen Weise beherrschen, dann sind es Die Türen bzw. Der Mann, die eigentlich Die Türen sind. Da kann man schon etwas verwirrt sein, wenn man diesen Wandel nur am Rande mitbekommt und sich nicht ständig beim zugehörigen Label Staatsakt, das 2002 von den Die-Türen-Urgesteinen Maurice Summen, Ramin Bijan und Gunther Osburg eigens gegründet wurde, über das Schaffen der Band informiert.
Trotz meines Unwissens, was nun genau hinter dem Projekt steht, entscheide ich mich im pickepackevollen Konzertherbst für die im Merlin spielenden Der Mann aka Die Türen und werde, dort angekommen, sofort mit der Frage überrascht, ob ich nicht für die leider erkrankte Kollegin S. einspringen will. Klar, mach ich, dann werde ich mich einfach doch noch etwas einlesen, was hinter Der Mann nun eigentlich steckt. Es ist eigentlich ganz einfach: Es sind die drei Musiker der Türen, Summen (Gesang, Schlagzeug), Bijan (Bass, Gesang) und Andreas Spechtl (Gitarre, Gesang und Mitglied der Band Ja, Panik), die mit dem Gründungsmitglied Gunther Osburg (Gitarre, Gesang) wieder zusammengefunden haben. Am Keyboard werden sie formidabel von Carsten Meyer und an den Drums bzw. zweiten Drums und Percussion vom irgendwie überall mitspielenden unnachahmlichen Chris Imler unterstützt. In der Summe ergibt diese Zusammenstellung ein herrlich schräges Sextett, das sich da auf der Bühne versammelt.
Die Schrägheit ist schon ersichtlich, bevor der erste Ton gespielt ist, denn die sechs Musiker erscheinen mit einer kaum auszudenkenden Melange von Outfits auf der Bühne: Blaumänner, Jogginghose, Pyjama und zwischendrin Gunther Osburg, der das Bemühen seiner Mitstreiter, besonders skurril zu erscheinen, einfach ignoriert. Und diese bunte, leicht verschrobene Art ist auch typisch für die Musik der Band. Schöne Popmelodien wie beim zweiten Song „Jeder Mensch will was Besonderes sein“, hintersinnige und kluge Texte mit einem Schuss Ironie, rockige Anleihen wie bei „Kopf ausruhen“, die häufig in einen veritablen Clubsound übergehen, versehen mit etwas Funk oder Disko.
Hinzu kommen die einzelnen Musiker, denen man gerne zuschaut bei dem, was sie auf der Bühne machen. Maurice Summen z.B. ist eine coole Rampensau und schafft es, ironisch wirkende Verse so zu singen, dass sie sehr ernst gemeint klingen, dabei aber nicht peinlich oder bemüht intellektuell. Das Titelstück dieses Türen-Projekts, „Ich bin ein Mann“, z.B. vereint viele der genannten Eigenschaften und ist ein Beispiel dafür, wie gute Popmusik heute klingen kann. Ein tanzbarer, treibender Elektrobeat, der live gegen Ende mit analogen Einwürfen der Gitarren oder des Keyboards aufwartet. Typisch für die Band ist dann allerdings, dass sie oft nicht im gleichen Schema verharren, sondern dann eine fast schon als Rockballade zu klassifizierende Nummer hinterherschicken. Genre- und Stilgrenzen sind dabei uninteressant.
Hinzu kommt noch der spezielle Humor, der mir persönlich sehr gut gefällt. So z.B. beim Stück „Reformhaus Song“, bei dem Bassist Ramin Bijan zur Ukulele greift und von allen Anderen durch engagierten Hintergrundgesang unterstützt wird und Keyboarder Carsten Meyer sichtbar bemüht in die Panflöte pustet. Oder der Beginn des Zugabenblocks, als fast alle auf der Bühne warten, bis einer schließlich die neue Kippenpackung nebst Gin- und Tonicflasche aus dem Backstagebereich bringt. Erstmal eine kurze Raucherpause auf der Bühne und die Frage an das Publikum, ob jemand ein „Klinke-Gin-Kabel“ habe – genau mein Humorniveau!
Immer wieder erwecken die sechs den Eindruck, dass sie selber manchmal nicht so genau wissen, was der oder jener Mitmusiker auf der Bühne gleich macht. Da wird mal beim Beginn eines Songs etwas gestolpert oder ein Einsatz verpasst. Das stört aber in keiner Weise, da die Band im nächsten Augenblick voll da ist und einen präzise groovenden Song auf die Bühnenbretter bringt wie „Ich appelliere“, bei dem auch noch Chris Imler seine Gesangskünste präsentieren darf. Vielleicht gehören die kleinen Macken auch zum kalkulierten Bild des scheinbar nicht Perfekten dazu, ich kann es nicht genau beurteilen. Was ich aber nach diesem kurzweiligen und richtig guten Konzert sagen kann, ist: Ich appelliere, mehr Musik von den Türen zu hören – und von Der Mann.