THE CAT EMPIRE, 21.10.2015, LKA, Stuttgart
Ob sie schon jemals in Stuttgart gespielt hätten? Harry James Angus, Trompeter und zweiter Frontmann von The Cat Empire, ist sich nicht ganz sicher. Wir aber: Näher als bei ihren Auftritten auf dem Zeltival in Karlsruhe (2004, 2009 und 2014) und auf dem diesjährigen Southside Festival waren die Australier noch nicht an der Landeshauptstadt. Und so ist es kein Wunder, dass das LKA schon längst ausverkauft ist. Die große Überraschung: Das Publikum ist erstaunlich jung. Es sind einige dabei, die wahrscheinlich nachweisen mussten, ob sie überhaupt schon so alt sind wie die Band, die sich vor 16 Jahren gründete. Eventuell ein Werbeeffekt des Southside?
Und wenn das LKA voll ist, dann ist es wirklich voll. Das Gedränge an der Theke ist nahezu undurchdringlich. Das Ansinnen, die Fotografin rechtzeitig in den Fotograben zu bugsieren, macht eine frühe Ankunft erforderlich. Die lohnt sich aber sowieso: Mit dem Beatboxer Tom Thum aus Brisbane haben Cat Empire einen klasse Support dabei. Er beherrscht nicht nur virtuos die üblichen Kabinettstückchen seines Genres. Mit Sample- und Loopgeräten bastelt er genau so locker vielschichtige Drum & Bass-Tracks zusammen, wie er einen Jazzclub der Vierziger Jahre auferstehen lässt. Nur ein Massive-Attack-Cover, bei dem ihm eine Sängerin zur Seite steht, zündet nicht richtig. Dennoch eine spannende halbe Stunde, in der der Australier den Laden für seine Landsleute auf Betriebstemperatur bringt.
„Genre: you name it!“ So ordnen sich Cat Empire auf ihrer Facebook-Seite ein. Und tatsächlich: jede Aufzählung musikalischer Stilrichtungen, die die Australier auf die Bühne bringen, ist unvollständig. Rock, Pop, Jazz, Funk, Reggae, Ska, Polka, Dub, HipHop, Walzer, Latin… eine derartig wilde Mischung globaler Musik kann vermutlich nur „down under“ entstehen, wo alle anderen popmusikalischen Zentren sehr weit weg sind. Nüchterner formuliert: alles, was im entferntesten partytauglich und tanzbar ist, wird in diesem Gebräu vermengt. Und es wirkt.
Cat Empire sind eine dieser Bands, denen Bühnenshow und Outfit komplett schnurz ist, und die sich einfach auf ihre musikalische Brillanz und Energie verlässt, um jedes Publikum mitzureißen. Und dies funktioniert im LKA vom ersten Ton an. Mit Felix Riebl und Harry James Angus gibt es zwei Frontmänner, die so unterschiedlich sind, dass man schon ein Casting dahinter vermuten möchte. Hier der smarte Beau, dort der bärige Kumpeltyp. Beide haben zwar nicht die begnadetsten Stimmen der südlichen Hemisphäre, sind aber als Band-Leader eine Bank.
Schon beim Opener „Brighter Than Gold“ stimmt das Publikum – ohne dass die Band darum bitten muss – in den Refrain ein. Und es entwickelt sich in kürzester Zeit die erwartete Party. Mit „How To Explain“ hauen die Aussies den ersten echten Hit raus, und dieser ist ein gutes Beispiel für den wilden Ritt durch alle Genres: nach Angus‘ grandiosen Trompeten-Intro stimmt Riebl eine eingängige Pop-Melodie an, die dann in einen Ska fällt, bevor sie sich in eine Up-Tempo-Salsa verwandelt, die im Outro in einen Dub mündet. Große Pop-Musik, gefällig, aber mit Anspruch.
Acht Mann sind auf der Bühne, und unter den durchweg formidablen Musikern (darunter einer zuständig für Scratching!) ist der Keyboarder Ollie McGill hervorzuheben. Er treibt nicht nur die Latin-Titel mächtig voran, er streut auch mühelos komplexe Jazz-Soli ein. Das ganze wird übrigens mit einem exzellenten Sound in die Halle getragen (außer in die leicht klaustrophobische Ecke vorne rechts, wo uns der Foto-Job hingeführt hat).
Und so perfekt und gut gelaunt das alles ist, letztlich ist es mir insgesamt doch zu glatt, zu latin-lastig und gefällig: Im Mittelpart des Konzerts kann ich mir ein Gähnen nicht verkneifen. Insbesondere die neueren Titel lassen die Raffinesse der frühen Cat Empire vermissen und sind mir zu sehr auf Party-Klopper getrimmt. Spätestens am Ende des offiziellen Sets bei ihrem Hit „The Chariot“ haben mich die Australier aber wieder. Mit zwei opulenten Zugaberunden bringen sie letztlich ein Gesamtprogramm von zwei Stunden auf die Bühne und entlassen eine glückliche und verschwitzte Meute in die Nacht.
Und da nach jedem noch so opulenten Mahl immer noch ein Nachtisch passt, ist unsere Freude riesig, als wir vor der Halle unseren alten Freunde Shoshin treffen, die sich – wie letzte Woche in Ludwigsburg – zu einem Guerilla-Gig aufgebaut haben. Sehr erfrischend ist nach all dem großen perfekten Pop-Sound in der schwitzigen Halle dieser raue Crossover-Punk-Rock an der frischen Luft. Das gefällt nicht nur den Cat-Empire-Fans, da gesellen sich sogar Felix Riebl und andere Bandmitglieder unter die Zuhörer. So treffen sich The Cat Empire und Shoshin zu einem späteren Pläuschchen unter Musikern. Und wir stellen fest: After-Gig-Gigs könnten der neue Trend werden.