SHOSHIN, 14.10.2015, Parkplatz Rockfabrik, Ludwigsburg
Ich bin immer noch dabei, mit dem gerade so unschön zu Ende gegangen Gig von Public Image Limited zu hadern, als uns beim Verlassen der Rockfabrik Gitarrenklänge empfangen. Und ich kann es nicht fassen: das klingt nach Shoshin, die da am anderen Ende des Parkplatzes einen ihrer berüchtigten Guerilla-Gigs geben!
Tatsächlich: im Eingangsbereich von Porsche Design haben sich Gitarrist Pete Haley, Bassist Joe Stuart und die Schlagzeugerin Sophie Labrey zu einem dieser Spontan-Konzerte aufgebaut, mit denen sie sich im Laufe der letzten Jahre eine Fan-Gemeinde in ganz Europa aufgebaut haben.
Als sie Anfang des Jahres eine Deutschland-Tour und einen Gig im Goldmark’s ankündigten, habe ich sofort einen unserer Gig-Blog-Fragebogen losgeschickt und einen Haufen intelligenter, lustiger und ausführlicher Antworten bekommen. Groß war die Enttäuschung, dass der zu bewerbende Gig vom Verstanstalter abgesagt wurde und der Fragebogen in der Schublade verschwinden musste.
Als Shoshin dann – im Sommer hatten sie bereits beim Hurricane und Southside gespielt – für den Herbst eine neue Club-Tour durch Deutschland ankündigten, stand Stuttgart nicht mehr auf dem Plan und ich überlegte tatsächlich kurz, ob ihre Gigs in Lahr oder Augsburg eine Option wären. Denn schon aus der Konserve begeistert mit ihre Musik: derber Punkrock mit Einschlägen von Reggae und Dub, Riffs wie von Rage Against The Machine und eine Stimme, die in den hohen Lagen an Sting erinnert. Was die Live-Qualitäten betrifft, eilt der Band allerdings ein noch besserer Ruf voraus. So sollen sie 2010 auf dem Eurosonic Norderslag Festival zu den Publikums-Lieblingen gewählt worden sein. Und das, obwohl sie gar nicht zum Festival-Line-Up gehörten, sondern nur ihre halblegalen Gigs vor den Clubs und in Privaträumen gespielt haben.
Hier und jetzt in der unangenehmen Kälte vor der Rofa haben sie in Nullkommanix einen guten Teil des PiL-Publikums versammelt, einige tanzen, die CDs zum Freundschaftspreis gehen weg wie geschnitten Brot und Shoshin spielen eine handvoll Titel, die sofort ihre ganze Klasse und Live-Erfahrung zeigen. Immer gewürzt durch das wohlige Kribbeln, dass ein solcher Gig auch jederzeit von herbeigerufenen Ordungshütern beendet werden könnte. Es ist nämlich erstaunlich laut (und wohlklingend), was die drei mit ihrer mit Autobatterien betriebenen Mini-Anlage produzieren.
Besonders angetan sind wir von Sophie Labrey, die mit beeindruckender Präzision und gewaltigem Krafteinsatz aus ihrem Mini-Drumset einen mächtig treibenden Beat rausknüppelt. Haleys Gesang mündet immer wieder in Rap-artige Sprechkaskaden. Und Joe Stuart ist wahrlich keiner dieser Bassisten, die sich irgendwo im Hintergrund verdrücken. Als Stuttgarter haben wir mit den Nerven die Bezugsgröße für engagierte Drei-Mann-Bands ja vor Ort, und was Zusammenspiel und individuelle Qualität betrifft, können die drei aus Manchester diesem Vergleich locker standhalten.
Shoshin ist übrigens ein Begriff aus dem Buddhismus und steht für Offenheit und Vorurteilsfreiheit. Ziemlich passend für diese Band, die mit ihrer Street Credibility und überaus intelligenten und sympathischen Guerilla-Promotion eigentlich jeden neugierigen Musik-Fan erreichen sollte. An diesem Abend macht der kostenlose Mini-Gig jedenfalls fast mehr Spaß als das große PiL-Konzert. Stuttgarter Veranstalter, lasst euch sagen: diese Band dürft ihr nicht noch einmal an unserer Stadt vorüberziehen lassen!