FRITTENBUDE, 10.10.2015, Im Wizemann, Stuttgart
Mein dritter Besuch im immer noch recht neuen Club „Im Wizemann“ und bevor die Aufkleber-Dichte auf den Toiletten noch höher wird, doch noch ein paar wenige Worte zur Location: Lobend muss das bisher immer zuvorkommende Personal an den Bars erwähnt werden, an denen keine langen Wartezeiten entstehen. Zudem lädt der Eingangsbereich dazu ein, die ersten Konzerteindrücke noch vor Ort auszutauschen, besser jedenfalls, als in der schon sehr langen Garderobeschlange: Tipp für alle, die ausverkaufte Gigs eher angenehm entspannt in den letzten Reihen verfolgen wollen: Jacken mit reinnehmen. Dass nun, wie auch schon nach dem Orsons-Abend, die Ausweise kontrolliert wurden, mag an dem erstaunlich hohen Teen-Anteil im Publikum liegen, womit ich zum eigentlichen Anlass unseres Besuches komme: Frittenbude auf ihrer Tour zum neuen Album „Küken des Orion“.
Doch davor betreten Schlag 20 Uhr als Support Fuck Art, Let’s Dance aus Hamburg, die beim gleichen Label (Audiolith) wie die Fritten oder auch Feine Sahne Fischfilet gezeichnet sind, die Bühne im kleineren von beiden Konzertsälen. Spätestens beim zweiten Song ist klar, dass die Basedrum den durchgehenden 4/4-Beat nicht mehr verlassen wird, dazu noch zwei Gitarren und ein Bass, die überzeugen, wenn sie gegen die Base laufen, aber spätestens beim dritten Song sollte jeder dann das Konzept verstanden haben, das dem Bandnamen durchaus alle Ehre macht.
Umbaupause, der Saal füllt sich, Intro aus König der Löwen, Auftritt der Jungs von Frittenbude. Die drei Gründungsmusiker Johannes Rögner (Gesang), Martin Steer (Gitarre) und Jakob Häglsperger (Bass + Synthesizer) werden auf dieser Tour durch zwei Musiker unterstützt (Drums + Keyboard). Und von Anfang an ist klar, wohin die Reise geht: nach vorne, ohne Atempause und das Publikum zieht mit – es wird getanzt, gepogt, gehüpft. Und genau dafür ist diese Musik gedacht. Jede Bewegung weniger ist gleichbedeutend mit weniger Vergnügen am Konzert, so kommt es mir wenigstens vor. Dabei fällt schnell auf, dass im Gegensatz zur Vorband ab und an eine Melodie herausgearbeitet wird.
Ich versuche mich im hinteren Drittel der Halle auf die Musik und die Texte zu konzentrieren, von denen ich nur das letzte Stück des offiziellen Sets kenne, „Mindestens in 1000 Jahren“. Ein paar Beobachtungen: Im zweiten Song („Hildegard“) erkenne ich Versatzstücke des Klassikers der Knef, „Für mich soll’s rote Rosen regnen“. Ein pumpender Beat, die Menge kommt in Bewegung. Dass es für Frittenbude statt „Rosen“ „Acid“ regnen sollte, um die Welt bunter zu gestalten, verstehe ich erst beim Nachhören zu Hause. Und das zieht sich leider durch das gesamte Konzert. Ohne die Kenntnis der Texte ist es sehr schwierig, sie zu verstehen, teilweise unmöglich oder eben nur bruchstückhaft. Das fällt bei Kenntnis der Texte und im euphorisierten, tanzenden Pulk natürlich nicht ins Gewicht.
„Hallo, hallo, hallo Deutschland, Du fühlst dich immer noch so deutsch an“, der Refrain des Songs „Deutschland 500“, lässt mich aufhorchen. Drei Jahre alte Zeilen, die eine ambivalente Haltung gegenüber unserem Land und der teils seltsamen Einstellungen mancher Bewohner treffend auf den Punkt bringen und bei deren Erklingen ich mich frage, ob dieses Gefühl sich irgendwann einmal ändern wird – eine Frage, die am besten jede/r für sich selbst beantworten sollte. Gerade mit solchen Texten schaffen es Frittenbude neben dem ansonsten oft besungenen hedonistischen Lebenswandels, gesellschaftlich relevante Themen zu platzieren. Und dieser Umstand wird durch eine kurze Momentaufnahme versinnbildlicht: Eine Antifa-Fahne wird hochgehalten und ca. zwei Reihen dahinter formt jemand mit den Händen ein Herz.
Die weiteren Songs wummern durch die neu gestrichene Halle und dabei fällt mein Blick irgendwann auf den raffinierten Bühnenhintergrund, der – je nach Beleuchtung – antike Menschen- und Tierstatuen, einen riesigen Kopf oder riesige gelbe Fritten darstellt. Die Fritten erschließen sich mir recht schnell, die Statuen nicht, aber vielleicht gibt es einfach nichts zu erschließen, vielleicht soll es einfach nur interessant aussehen. Völlig legitim, genauso wie der durchgehende Beat und die mir auffallende, immer ähnliche Betonung Rögners Sprech-Gesangs. Da muss man vielleicht nicht immer etwas erschließen oder an einer fehlenden Dynamik oder Abwechslung mäkeln, sondern kann einfach Spaß haben, sich auf die Stimmung einlassen, um mit einem seligen Lächeln nach Hause oder passenderweise in die wummernde Welt des nächsten Clubs zu ziehen.