CROSBY, STILLS & NASH, 06.10.2015, Porsche-Arena, Stuttgart

Crosby, Stills & Nash

Foto: Steffen Schmid

Wer hätte das schon ahnen können… Vielversprechender Youtube-Clips jüngerem Datums zum Trotz war im Vorfeld doch kaum ersichtlich, wie toll, ja wie stimmgewaltig die Harmonien von David Crosby und Graham Nash klingen würden, wie wenig ausschweifende Gitarren-Soli Stephen Stills stören würden; überhaupt, wie würdevoll das zweistündige Konzert des legendären Trios geraten würde: Wahrlich, das alles ist zauberhaft!

„David Crosby singt wie ein Engel“, schwärmt Auskenner Joe Whirlypop, der sich doch höchst selten zu derartigem Überschwang verleiten lässt, auch noch einen Tag nach dem Konzert. Eine Aussage, die ebenso vielsagend ist wie das Bild angegrauter Konzertveteranen mit Wohlstandsbäuchlein, die mit Tränen der Rührung in den Augen den drei alten Männern in unscheinbarer Kleidung applaudieren: Die Herren Crosby, Stills & Nash verlassen da gerade nach einer phänomenalen Interpretation der „Suite: Judy Blue Eyes“ die Bühne der Porsche-Arena zum letzten Mal an diesem Abend. „Auf Wiedersehen“, ruft Graham Nash zum wiederholten Male, eine jugendliche Erscheinung mit weißen Haaren im Jeans-Hemd, der im Februar 74 wird. Das macht Mut ebenso wie der gesamte Auftritt der Folkrock-Heroen, der lediglich vom etwas geringen Besucherzuspruch getrübt wird. Würden Crosby, Stills und Nash nämlich gemeinsam mit ihrem einstigen, mittlerweile im Clinch mit Crosby liegenden Teilzeitmitglied Neil Young problemlos die Schleyer-Halle nebenan ausverkaufen, bleiben heute viele Plätze in der weitaus kleineren Arena unbesetzt. Dass das ein fataler Fehler ist, zeigt sich schnell.

Crosby, Stills and Nash

Foto: Steffen Schmid

„Der kalifornische Klang vereint Folk und Country, Harmonien, Hippietum und Hedonismus“, erklärt Arne Willander in der Titelstory des aktuellen Rolling Stone. Dass er dabei von den Eagles und nicht von CSN spricht, erschließt sich lediglich aus der Betonung des Hedonismus. Die übrigen Attribute sind geradezu essenziell, möchte man den lockerleichten West-Coast-Sound beschreiben, den das Trio so nachhaltig geprägt hat wie kaum jemand sonst. Noch heute gelingt dieser so mühelos, dass es für Connaisseure der Spielart eine wahre Freude ist. Das liegt vor allem am tadellosen Gesang der Hauptakteure aber auch an der Klasse ihrer Begleitband: Am Schlagzeug brilliert der 67-jährige Russ Kunkel, der als Drummer auf nahezu sämtlichen relevanten West-Coast-Alben zu hören ist, Shayne Fontayne, der kürzlich mit Jackson Browne in der Liederhalle glänzte, ist profilierter Studio- und Livegitarrist, der gebürtige Stuttgarter Kevin McCormick spielt Bass und das Tastenspiel James Raymonds (Keyboards) und Todd Caldwell (Orgel) ist positiv dezent.

Crosby, Stills & Nash

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Aller heimeliger Anmut und aufgestellten Kerzen ungeachtet, steht er mitunter im Eindruck lärmender Gitarrenbreitseiten der Protagonisten und des meisterlichen Shane Fontayne im Hintergrund. Die Lautstärke findet in Nashs erhabenen Knabengesang in ewigen Bombast-Klassikern wie dem kirchenkritischen „Cathedral“, „Our House“, jener Ode auf den Rückzug ins Private, oder dem unvergleichlichen „Marrakesh Express“ ihren wohlklingenden Gegenpol. „Southern Cross“ und das epische „Déjà Vu“ vom gleichnamigen gemeinsamen Album mit Neil Young sind weitere Glanzmomente der ersten Hälfte des Konzerts. Stephen Stills singt dann noch „Bluebird“, einen Hit seiner fantastischen vorherigen Band Buffalo Springfield, bevor das Publikum in eine zwanzigminütige Pause entlassen wird.

Crosby, Stills and Nash

Foto: Steffen Schmid

Die zweite Hälfte beginnt mit dem vertrauten „Helplessly Hoping“, bevor Nash („Myself at Last“) und Crosby („Somebody Home“) nacheinander überraschend gute neuere Solosongs zum Besten geben. Vor allem Crosbys Stück ist eine echte Perle. Ein unaufgeregter Folksong, der kurioserweise ein wenig an Lou Reeds Art Songwriting erinnert. „Guinnevere“, längst ein Klassiker amerikanischen Folks, gerät zum beeindruckenden Schaulaufen der großartigen Stimmen Nashs und vor allem Crosbys. Da kann Stephen Stills mit „Virtual World“ selbstredend nicht mithalten – aber das konnte er als Vokalist ohnehin nie. Seine Qualitäten als Sänger liegen eher in der etwas schroffen Ergänzung der über allem schwebenden Brillanz seiner Kollegen. Überaus deutlich wird das auch bei den klimaktisch aufeinander folgenden Hits „Chicago“, „Almost Cut My Hair“ und „Wooden Ships“, die den regulären Teil des Konzerts denkbar formvollendet abrunden.

Crosby, Stills & Nash

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Die Zugaben schließen passend an: „Teach You Children“ wird textsicher und beachtlich laut vom Publikum nach mehrmaligen Bitten der Band mitgesungen. Stephen Stills größter Solohit „Love the One Your With“ folgt als weiterer Crowdpleaser, bevor das Konzert seinen abschließenden Höhepunkt in einem Klassiker findet, der schon beim Woodstock Festival 1969 zu den prägendsten Momenten zählte: „Suite: Judy Blue Eyes“ und ein letztes kraftvolles Aufbäumen aller Energie und Qualitäten Band und ihrer Mitmusiker ist das perfekte Ende eines fulminanten Konzerts.

Crosby, Stills & Nash

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Ein Konzertbegleiter, der CSN 1983, acht Jahre also vor der Geburt des Autors dieser Zeilen, zum letzten Mal gesehen hat, nickt anerkennend: „Zwischen den beiden Auftritten liegen Welten. Damals waren wir uns alle sicher, David Crosby würde bald sterben“. Über drei Jahrzehnte und eine Lebertransplantation später ist davon nichts mehr zu spüren. Crosby singt wirklich wie ein Engel und spielt mit seinen langjährigen Mitstreitern ein Konzert, das sicherlich zu den besten gehört, die es dieses Jahr in Stuttgart zu sehen gab.

Crosby, Stills & Nash

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