RYLEY WALKER, 09.09.2015, Manufaktur, Schorndorf
Ja, es wird Herbst, lieber Kollege Lino und ihr anderen Sommerfrohnaturen, und das ist gut so! Denn: Kein Grillterror mehr (außer bei den ganz Hartgesottenen, die immer noch nicht genug haben), kein Rausgehzwang (in den Park, ins Berg, in die Eisdiele…), keine großflächig unbedeckten Körper sehen müssen, die man lieber nicht gesehen hätte (Liste könnte beliebig lange fortgesetzt werden)… Stattdessen: Endlich mal wieder in Ruhe drin bleiben, Zuhause oder auch in der Schorndorfer Manufaktur und beispielsweise Ryley Walker hören.
Bei dem Namen muss man eigentlich eh schon Schauspieler oder Cowboy oder ein begnadeter Gitarrist werden. Für letzteres hat sich Walker entschieden, aber wie! Der 24-Jährige aus Chicago zaubert wunderbar verwobene, virtuos gezupfte Klänge aus seiner Akustikgitarre. Gemeinsam mit seiner Band „Strand of Oaks“ schafft er es an diese Abend von Beginn an, das Publikum komplett in seinen Bann zu ziehen. Und das trotz einer durchgängigen Liedlänge von 5 Minuten plus und einiger frickeliger und improvisierter Passagen, die (zumindest für mich und andere Liebhaber klarer Melodien und Harmonien) nicht unbedingt ganz leicht verdaulich sind ob ihrer jazzig-experimentellen Klänge und Laute (rascheln, knistern, kratzen). Aber: Ganz egal, denn umso schöner ist’s dann, wenn sich diese Klanggewitter aus hohen Keyboardtönen, schwankendem Kontrabass und kunstvoll verworrenen Gitarren dann schlussendlich doch wieder in „Wohlgefallen“ auflösen und zu einem harmonischen Ganzen zurück finden. Binsenweisheit: Ohne den Herbst wäre der nächste Frühling doch nur halb so schön!
Geduld ist manchmal eben eine Tugend und vielleicht liegt es auch daran, dass es vor allem Männer im mittleren Alter sind, die heute hier sind. Und zwar erstaunlich viele, laut Veranstalter etwa 120 (gut, die eine oder andere weibliche Person eingerechnet). Selbst während kurzer Stimmpausen und eines ausgedehnten Basssolos wird kaum geschwätzt, toll! Dies und die umliegende Idylle beeindrucken wohl auch den Interpreten und so verspricht dieser kurzerhand, auf dem nächsten Album einen Titel „German Wine Country“ zu benennen. Überhaupt zeigt sich der Interpret an diesem Abend gut gelaunt.
Neben Songs vom neuen Album „Primrose Green“ – der gleichnamige Song laut Walker ein echter „assshaker“ – bekommen wir auch noch einige ältere Stücke zu hören. Zwei Lieder spielt Walker akustisch ohne Band. Große Kunst, nicht langweilig oder schrammelig, sondern wunderbar gezupft und mit akzentuierter Stimme, die mal sanft klingt mal animalisch schreit. Hier darf auch der sich aufdrängende Nick Drake-Vergleich nicht fehlen (insbesondere bei der Coverversion „Over the Hill“ von John Martyn). Minimalistisch, ohne langweilig zu sein – kunstvoll aber gänzlich unprätentiös.
So auch Walkers Ankündigung zur weiteren Abendgestaltung – after the show we’re gonna hang around and drink beers – sprach’s und tat’s mit einem durch einen Fan überreichten Sixpack Bitburger (sein Lieblingsbier, es sei ihm verziehen). Gitarre, Melancholie, Bier – Herbst, ja du bist’s!
Großartiger Text, meisterhafte Fotos! Unser neues Dreamteam für die Manu?
danke! gerne! wenn nur die schnöden Alltagsverpflichtungen nicht immer wären…
Danke! Immer wieder gerne in der Manu.