PULLUP ORCHESTRA, 10.07.2015, Innenhof Weltcafé, Stuttgart
Das Rezept für einen umwerfenden Sommerabend unter ein paar hundert Freunden? Man lade sich eine fulminante Band ein, stelle ein wenig Technik und viel Bier bereit, sichere sich eine Genehmigung für eine der schönsten Open Air-Locations in Stuttgart und informiere zwei (!) Tage vorher seine 10.000 Facebook-Freunde und Follower. Es gibt nicht viele in Stuttgart, die ein solches Event aus dem Ärmel schütteln. Aber halt Reiner Bocka – in diesem Fall als Betreiber des Weltcafé Stuttgart. Ich ahne, manch anderer Veranstalter mag diesen Namen schon nicht mehr hören, aber wer knapp eine Woche nach dem Marienplatzfest schon wieder ein paar Hundert Leute begeistert, verdient auch eine nochmalige Erwähnung.
Ich wette, dass kaum einer der circa drei- bis vierhundert Zuschauer vorher schonmal etwas vom Pullup Orchestra gehört hatte. Auch ich nicht. Aber das Vertrauen auf Reiners sicheres Händchen und ein paar Youtube-Videos im Vorfeld reichen. Und mit dieser Band kann wirklich nichts schiefgehen: BRAP nennen sie ihren Stilmix aus Brass und Rap. Funk, Soul und HipHop mit einer fünfköpfigen Bläser-Sektion, darunter ein mächtiges Susaphon, drei Mann an Schlagwerkzeugen, ein Rapper und eine ebenso attraktive wie stimmgewaltige Sängerin. Und vor allem: acht Jahre Erfahrung als Straßenmusiker. Da beherrscht man jeden Trick, aus neugierigen Passanten eine tanzende und singende Masse zu machen.
Erst recht, wenn das Konzert an einem warmen Sommerabend im wunderschönen Innenhof des alten Waisenhauses stattfindet. Ein paar Scheinwerfer, zwei kleine Lautsprecher für die Sänger werden aufgestellt, ein fröhliches Publikum postiert sich im Halbkreis – und ab geht die Party mit den zehn Schweizern. Vielstimmige Bläserfanfaren, nicht umkomplexe, synkopische Rhythmen, Sprechgesang in Schwiizerdütsch: ein wahrlich zündende Mischung. Glücklicherweise fernab jeglicher pseudolustiger Guggenmusik. Perfekt, mit viel Druck und Choreografie vorgetragen. Am ehesten vergleichbar mit den Münchnern Moop Mama, aber auch Fans von LaBrassBanda oder Äl Jawala sind hier bestens aufgehoben.
Später streut das Pullup Orchestra – Zufall oder nicht? – noch Max Herres „A-N-N-A“ ein, das er vielleicht sogar zeitgleich wenige hundert Meter weiter bei den Jazzopen spielt. Und einen Überraschungseinsatz bekommt Putte als Beatboxer.
Am Ende des Auftritts haben die Musiker wirklich alle Anwesenden erreicht. Die gesamte Runde inklusive Reiner ist in Bewegung, es wird getanzt, geklatscht und mitgesungen. Zwei chinesische Touristen, die beim Aufbau des Gigs wohl eher zufällig durch den Hof flanierten, sind ebenfalls hängengeblieben und filmen den gesamten Auftritt mit ihren Kameras. Ich male mir aus, was sie wohl zu diesen Bildern zu Hause erzählen werden… Und ich freue mich mal wieder, dass Stuttgart um so vieles cooler ist als sein Ruf.