FARIN URLAUB, 12.06.2015, Schleyerhalle, Stuttgart

Farin Urlaub Racing Team

Foto: X-tof Hoyer

Ob es gelingt, hier nicht Farin Urlaubs Heimatband zu erwähnen? Das wird ja so was von spannend…

Mehrere Tausend haben sich in die sitzreihenabgehängte Schleyerhalle zu Farin Urlaub Racing Teams (kurz FURT) „Es besteht keine Gefahr für die Öffentlichkeit“-Konzert eingefunden. Entweder tragen sie FURT-T-Shirts, Hemden einer anderen, musikalisch ähnlich klingenden Band oder Festival-T-Shirts über der Haut, eine junge Dame hingegen trägt ein handtellergroßes Hello-Kitty-Tattoo über dem Dekolletee auf der Haut.

Kurz nach acht erklingt ein ruhiges Intro, zu dem zu schnell mitgeklatscht wird – der Vorhang fällt und ab geht’s mit „Was Die Welt Jetzt Braucht“. Das Damen besetzte Racing Team startet von der Pole-Position, Luftdruck bauen die vier Blechbläsern von den Busters auf, die live immer dabei sind, die vier Backroundsängerinner sorgen für Wind von hinten. Für so einen Kalauersatz werde ich wahrscheinlich von der Rennleitung disqualifiziert. Zu recht. Nach dem zweiten Song hat er die Halle auf seiner Seite.

Drei Songs später begrüßt ein blendend aufgelegter Jan Vetter alias Farin Urlaub das Publikum. Das ist ein lustiger Mann:

Wer will alles eine La Ola machen? – Publikum jubelt.

Wer will, dass ich die Fresse halte und weiterspiele? – Publikum jubelt.

Warum melden sich jetzt zwei Mal die gleichen Leute? – Publikum murmelt.

Die Schwaben sind die Schweizer Deutschlands, immer neutral bleiben… – Publikum  murmelt, manche buhen, Farin lacht und singt die drei Worte Ich sah Dich… bricht ab und die ganze Halle singt sofort ohne Band-Begleitung im bekannt hohem Tempo den Song „Am Strand“. Das schaut er sich ein paar Momente amüsiert an, dann steigt die Band ein. Urlaub kann sich auf sein Publikum verlassen. Textsicherheit oberstes Gebot.

Ein unaufhörlicher Fluss an Crowdsurfern, einer Straße gleich, hat sich gebildet. Die glatzköpfigen Security-Bären pflücken ein Mädel nach dem anderen am Graben ab und schicken sie wieder zurück. 20 min später sind sie wieder da.

Nach den Startsongs kämpft sich die Band durch die weniger abwechslungsreichen Lieder, durchgängig schnelles Tempo, ähnlicher Aufbau: Fun-Punk-Rock. Das hohe Tempo wird von den gelegentlich eingestreuten langen lustigen Moderationen gedrosselt, gut so. Musikalisch interessant wird es für mich, wenn die Ska-Bläser mit am Start sind. Das macht die Lieder breiter, voller.

Das FURT-Konzert in Zahlen: 32 Songs in 2 Stunden, das macht abzüglich Ansagezeit max. 3 min pro Song. Farins Texte sind wie bei dieser anderen Nachwuchsband, bei der er gelegentlich aushilft. Im besten Sinne gut gereimt. Seine Herz-Schmerz-Reime lauten Sei mir nicht bös, ich bin polyamourös. Oder Dynamit – Innenstadtgebiet. Der Mann interessiert sich für Städtebau. Außerdem trinkt er Tee auf der Bühne. Isst kein Fleisch. Ist Nichtraucher und Antialkoholiker. Trägt ein schlichtes, schwarzes Hemd, mit dem er sagen möchte: Als Rockstar kommt es nicht auf die Kleidung an. Scheint es gar, dass der Herr Vetter ein Spießer ist? Wenn ich mir da z.B. Smudo von den Fanta 4 anschaue, vielleicht kommt der cooler rüber… aber Moment. Urlaub engagiert sich für Greenpeace, Attac, amnesty international usw. Er brachte einen Bildband über Ost-Timor raus. Er parliert auf der Bühne mit seiner japanischen Backroundsängerin in deren Landessprache. Smudo hingegen fuhr Autorennen…

Kurz vor Ende der Show wird die Gangart härter, die Texte düsterer. Nesrin „Nessie“ Sirinoglu an der Gitarre, Rachel Rep am Schlagzeug und Bassistin Cindia Krüger produzieren Hardrock. Mehr Frauen an die Instrumente! Der harte Ton tut dem Konzert gut, weil die Zugabenrunde mit den Busters natürlich poppiger, spaßiger und ska-iger wird. Werden muss, schließlich spielen hier Farin Urlaub Racing Team und nicht Sunn O))). Zur Verabschiedung zeugen lange, gemeinsame Verbeugungswellen der zusammen zwölf Musiker davon, dass alle sichtlich Vergnügen am Auftritt hatten.

Aber insgesamt frage ich mich: Wo waren eigentlich Bela B, Rod González und die bekannten Songs? Irgendwie hat da doch was gefehlt…

Hier die Setlist zum Nachsingen:

Was die Welt jetzt braucht
Glücklich
Ich gehöre nicht dazu
Klasse
Am Strand
Herz? Verloren
Unsichtbar
Augenblick
1000 Jahre schlechten Sex
3000
iDisco
Unscharf
Sommer
Der ziemlich okaye Popsong
Newton hatte Recht
Das Traurigste
Niemals
OK
Immer dabei
Dynamit
Die Leiche
Zehn
Alle dasselbe
Wunderbar
Petze
Trotzdem

Unter Wasser
Keine Angst
Karten

Wo ist das Problem?
Abschiedslied
Zehn²

2 Gedanken zu „FARIN URLAUB, 12.06.2015, Schleyerhalle, Stuttgart

  • 15. Juni 2015 um 10:53 Uhr
    Permalink

    Großartig, Betram, und der Smudo-Vergleich sollte kanonisch werden.

  • 17. Juni 2015 um 09:18 Uhr
    Permalink

    Danke, Jens.

    Smudo-Vergleich kanonisch: Gefällt mir. Können ja mal damit anfangen… ;-)

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