LEVIN GOES LIGHTLY, 06.05.2015, Schocken, Stuttgart

Levin Goes Lightly

Foto: Steffen Schmid

Es ist halbzwölf, wir stehen im sich langsam leerenden Schocken und fragen uns mit breitem Grinsen im Gesicht: „Was zum Teufel war denn das?“ Wir haben gerade einen wahrlich fulminanten Auftritt von Levin Goes Lightly gesehen. Und ich leg mich fest: Was Levin mit diesem Album-Release-Gig abgeliefert hat, wird man später als seinen Durchbruch bezeichnen. Selten hat ein einziger Gig einen derart massiven Fortschritt eines Künstlers manifestiert.

Levin Goes Lightly

Foto: Steffen Schmid

Und unsere Erwartungen waren hoch. X-mal schon haben wir den stillen Hünen gesehen. Allein, mit Gitarre und Beats aus der Konserve. Wir haben uns an seinem minimalistischen Konzept, seinen hypnotischen Melodien und seinem kühl-morbiden Gesangsvortrag erfreut. Haben mit ihm gelitten, wenn er ein ignorantes Publikum vor sich hatte, wenn er fiebergeplagt den Support-Act geben musste. Und bei seinem letzten Gig im Merlin haben wir schon die kommenden Veränderungen geahnt und uns auf das neue Album gefreut.

Levin Goes Lightly

Foto: Steffen Schmid

Jetzt ist „Neo Romantic“ da. Das Album hat schon die ersten überaus positiven Besprechungen eingefahren und wurde ausgiebig in der Stuttgarter Zeitung gelobt. Deshalb waren wir natürlich darauf vorbereitet, dass sich stilistisch etwas getan hat, dass aus dem Ein-Mann-Projekt Levin Goes Lightly eine Band geworden ist. Und dass diese Platte bei Ralv Milberg eingespielt gemastert wurde, dem offensichtlich gerade alles gelingt, was er anfasst. (Update 11.5.: Aufnahme und Mix stammen von Thomas Zehnle, lediglich das Mastering erfolgte bei Milberg. Darauf hat uns Ralv hingewiesen.) Lag es nun daran oder an Levins unermüdlichem Auftreten, das Schocken ist jedenfalls bumsvoll. Ursprünglich sollte der Auftritt, wie der Release-Gig der Nerven, in der Beatbox im Keller stattfinden. Aber es zeichnete sich ein derartiger Andrang ab, dass man ihn auf die Hauptbühne verlegte und sogar noch die Galerie öffnen musste.

Levin Goes Lightly

Foto: Steffen Schmid

Das Publikum ist eine Vollversammlung der Musikschaffenden aus dem Dunstkreis Waggons, Rakete, Second Hand Records usw. Ob Human Abfall, Torben Denver Band, Die Nerven oder Wolf Mountains, fast jede Band ist angerückt. Kein Wunder, die Verflechtungen sind vielfältig und von einigen dieser Bands steht auch ein Mitglied auf der Bühne. Dazu noch all das übliche Szene-Volk, das sich dieses Spektakel nicht entgehen lassen will.

Levin Goes Lightly

Foto: Steffen Schmid

Levin scheint all dieser Rummel (vermeiden wir mal den Begriff „Hype“) nicht besonders zu beeindrucken. Wortlos betritt er um zehn Uhr die Bühne, postiert sich hinter seiner monströsen Farfisa-Orgel, lässt sich erstmal gehörig einnebeln und eröffnet den Abend mit „Silence is violence“. Gesang und elektronische Beats kennen wir ja noch vom „alten“ Levin Goes Lightly, aber alles darüber hinaus, die dominanten Orgel-Sounds, die knochentrockene Rhythmus-Sektion sowie die sparsam gesetzten Gitarren-Akzente machen daraus erst den Sound des neuen Albums. Ob das jetzt seine Ursprünge im No Wave, New Wave oder Post Punk hat, hat mag ich nicht beurteilen. Aber es sind sicher die Reminiszenzen an die späten 1970er / frühen 1980er, die einem alten Zausel wie mir wohlige Nostalgie-Gefühle bescheren.

Levin Goes Lightly

Foto: Steffen Schmid

Mit „She’s Dancing“ und „1989“, dem Opener des Albums, geht es ohne Unterbrechung weiter. Der Sound ist – zumindest für uns, die wir vorne in der Mitte stehen – brillant. Meister Milberg steht persönlich hinter den Reglern. „Perfume“, eine federleichte Dream-Pop-Melodie, wird von Mehtap Avci gesungen. Höhepunkte des Gigs sind ganz klar „Spider’s Web“ und vor allem „Speedways“. Jeweils mit minimalen Beats beginnend, baut die Band bei beiden Titeln über acht bis zehn Minuten gewaltige Walls of Sound auf. Das ist mächtig und kraftvoll, da kann man Elemente aus Post Rock oder Krautrock wiederfinden. (Bei „Spider’s Web“ blitzt übrigens Levins früher Titel „Ego-Shooter“ in Form des eins zu eins übernommenen Intros durch.) Levin, der sonst eher unbewegt hinter der Orgel agiert, fällt hier in seinen markanten ekstatischen Tanz und wirft die ganze Wucht dieser Musik in seine Bewegungen.

Levin Goes Lightly

Foto: Steffen Schmid

Wie es sich für einen Release-Gig gehört, geht das Album – das es ganz zeitgemäß nur auf Vinyl oder als Download gibt – weg wie geschnitten Brot. Und es ist eine unbedingte Kaufempfehlung. Zehn großartige Titel, perfekt produziert, tolles Artwork und ein imposantes Poster. So großartig es aber auch ist, die Energie eines Levin-Goes-Lightly-Gig wie diesem kann es trotzdem nicht transportieren.

Levin Goes Lightly

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