ROME, GERWALD, 02.05.2015, Dieselstraße, Esslingen
Rome, die Band um den Luxemburger Jérôme Reuter, feiert ihr zehnjähriges Band-Jubiläum mit nichts geringerem als einer Welttournee. Dass zwischen Moskau, Los Angeles, Tel-Aviv, Madrid und London auch Esslingen auf dem Tourplan steht, verdanken wir mal wieder der Reihe Young River Concerts und deren Kurator Luca Gillian. Kürzlich noch solo für’s Komma gebucht, kommt Reuter nun im Jubiläumsjahr mit seiner gesamten Band und findet ein gut gefülltes Kulturzentrum Dieselstraße vor. Selten habe ich ein derart gemischtes Publikum gesehen: wie erwartet viele schwarz Gewandete, aber auch Punks, Hippies, ältere Herrschaften um die sechzig, Business Men mit Anzug und Krawatte. Spricht eindeutig für die Band, dass sie so unterschiedliche Menschen anspricht.
Mit Vorbands ist das ja so eine Sache: häufig werden sie vom Label mitgeschickt, ob sie nun zum Main Act passen oder nicht. Meistens für keinen der Beteiligten eine besondere Freude. Wenn der Support Act aber so passgenau vom Veranstalter – quasi als seine Empfehlung an die Rome-Fans – dazugebucht wird wie heute, dann kann das ein erfreuliches Erlebnis für Künstler und Publikum werden. Gerwald, den wir mit seinen dunklen Balladen schon im Wohnzimmer und im Merlin gesehen haben, hat jedenfalls heute die Chance, auf der großen Bühne vor einem neuen Publikum zu spielen. Und er hat ein Glück, das nur wenigen Support Acts vergönnt ist: das gesamte Publikum ist äußerst aufmerksam und lauscht ihm ohne jegliches Getratsche. Für uns „alte“ Gerwald-Fans hat er ein paar neue Titel dabei, die etwas poppiger daherkommen als seine bisherigen Songs. Seine Murder Ballads und der Funeral March hingegen sind natürlich genau das richtige für das Rome-Publikum. Er scheint gut anzukommen, hat seine Chance genutzt, der Applaus ist mehr als nur höflich.
Die Beschäftigung mit dem Werk von Rome im Vorfeld des Konzerts ließ doch einige Fragen offen. In welche Schublade steckt man eigentlich diese Band, die in den zehn Jahren ihres Bestehens nicht nur ein knappes Dutzend CDs veröffentlicht hat (darunter das 3-teilige Opus „Die Ästhetik der Herrschaftsfreiheit“), sondern auch den Stilrichtungen Neofolk, Gothic und Industrial zugeordnet wird? Am besten in keine. Auch optisch gibt es keine Hilfe. Reuter uns seine Bandkollegen sehen eher wie ein modernes Jazz-Quartett als eine Rockband aus. Als „Chanson Noir“ bezeichnen Rome ihren Stil.
All diese Überlegungen erübrigen sich aber ganz schnell, als die Band mit ihrem Gig beginnt. Reuters tiefe Stimme, sein eindringlicher Gesang, der monotone Bass und dezente Keyboard-Akzente im Opener „The Accidents of Gesture“ schaffen sofort eine sehr intime Stimmung. Das Publikum ist hochkonzentriert, auch hier kein Mucks.
Wir brauchen Raum- und Lichtbedingungen, die keine zu große Distanz aufkommen lassen. Man muss in die Musik eintauchen können, sonst funktionierts nicht.
hat Reuter mal in einem Interview erwähnt. Und diese Bedingungen erfüllt die Dieselstraße tatsächlich gut. Während die Lichteffekte manchmal zwar etwas zufällig wirken, ist der Sound einfach brilliant.
Die Band spielt ein opulentes Set von fast zwanzig Titeln, auch hier gibt es nur spärliche direkte Ansprache ans Publikum. Bemerkenswert ist für mich der Bassist, der nicht nur eine sehr markante Gestalt ist, sondern auch einen „Fender VI“ spielt. Und zwar so, dass der Sechs-Saiter einen Sinn hat: einmal spielt der die klassische Bassbegleitung und im nächsten Titel gibt er quasi die „zweite Gitarre“ in den hohen Lagen.
Ich nehme mir fest vor, mich mehr mit den Inhalten der Songs zu beschäftigen. Rome ist ein politische Band. Ihre Alben gehen sie immer mit einem Konzept an. Flucht, Freiheit und Exil sind Themen, die in ihrem Werk immer wieder auftauchen. Und den Titel „A Farewell to Europe“ leitet Reuter mit einer seiner wenigen Ansagen ein:
Das haben wir neulich auch in Athen gespielt. Das war schon seltsam…
Danke für die Aufklärung bezügl. “Fender VI” – habe das ganze Konzert über gerätselt, ob es sich um einen Bass oder eine Gitarre handelt…