JAMHED, 30.04.2015, Rakete, Stuttgart

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Foto: Özlem Yavuz

Manche Seiten Stuttgarts sind zurzeit dann doch wirklich sehr erfreulich, und damit sind nicht die Augen- und Ohren beleidigenden Massen an Wasen-Saufseppels gemeint, welche Stadtbahnen und Teile der Stadt vollgöbeln. Wir reden von guter, neuer Musik, tatsächlich hier aus der Gegend. Neben den mittlerweile national hoch gehandelten Die Nerven, Levin Goes Lightly, All Diese Gewalt und Human Abfall, gibt es mit den The Tremolettes, JFR Moon etc. etc. noch weitere Bands, die wachsen, immer besser werden, und musikalisch auch ziemlich genau meinen Geschmack treffen. Waren es vor zwei Wochen an gleicher Stelle die sehr tolle The Torben Denver Band, sind es heute Jamhed.

Von denen bin ich ja eh schon Fan, spätestens seit ihrem Debütalbum „Taken Apart“. Heute Abend ist Releaseparty-Konzert zum neuen Longplayer mit dem kurzen und knackigen Titel „Lollipop Giveaway In Wee Wah Wonderland“. Erfreulich viele geschmackssichere Menschen haben sich dazu eingefunden, als es um halb zwölf losgeht.

Das erste Stück mit seinem Spaghetti-Western Einschlag und „ahaa ahaa“ Chören hat schon einfaches Spiel mit mir. Genau mein Ding, das wird super, das steht jetzt schon fest. Für den Sound sorgt der Toningenieur-Meister Ralv Milberg himself, der auch auf dem neuen Album die Töne in die richtige Form gebracht hat. Bis auf etwas verzerrtes Brummen, wenn der Bass in hohen Lagen spielt, ist der Sound wirklich gut, und man kann auch das zweite Stück Psychedelic Pop genießen, das irgendwo in der Schnittmenge aus Brian Jonestown Massacre, Dandy Warhols, Magic Castles und Madchester-Bands herumtollt. Neukollegin Janglemaier, die vor Jahren beim BJM-Konzert auch dabei war, wirft ebenfalls den Namen Dandy Warhols in die Runde. Eine dritte Meinung braucht es bei so zwei Experten dann gar nicht mehr!

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Foto: Özlem Yavuz

Wie schon kürzlich bei der Torben Denver Band ist es wunderbar festzustellen, wie mit bloßem Auge und Ohr die Riesenfortschritte in der musikalischen Entwicklung dieser Bands festzustellen sind. Stilistisch sind sich Jamhed ziemlich treu geblieben, aber das Zusammenspiel, wie das Quartett es mittlerweile schafft ihre Musik live zu präsentieren, das begeistert. Beim für mich ersten Mal als Vorband von The See See war es schon toll, aber mittlerweile klingt alles viel organischer, noch dynamischer, mehr auf den Punkt. Und jetzt holen wir uns doch eine dritte Meinung: Madame Psychosis fühlt sich stilistisch etwas an die Stone Roses erinnert.

Kompositorisch scheinen die neuen Songs noch besser geworden zu sein. War ich schon beim Debüt überrascht, wie reif und gut die Lieder sind, funktionieren die Neuen auf Anhieb mindestens genau so gut. Mit dem Titelsong des neuen Albums scheint sogar ein richtiger Hit gelungen zu sein. Eine Perle, die klingt wie ein verlorenes Juwel aus End-60er Zeiten. Wirklich ganz großartig!

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Foto: Özlem Yavuz

Was mir am Sound der Jamheds schon immer gefallen hat, ist wie die locker schrammelnde Rhythmusgitarre Philips im Zusammenspiel mit dem locker perlenden E-Piano von Luis klingt. Und die zweistimmigen Gesangs-Parts zwischen Gitarrist Philip und Drummer Christoph im Übrigen genauso. Oh, und die laut-leise Dynamiken sind auch toll. Ach ja, das melodische Bassspiel Jeremias samt in der Musik versunkener, schweißtreibender Performance sollte nicht unerwähnt bleiben. Und dann auch noch das kompetende Gitarren-Fingerpicking usw. usf.…

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Foto: Özlem Yavuz

Der facebook-Eintrag „Record Label“ sagt noch „unsigned“, aber Jamhed-Flüsterin Sabine steckt mir zu, das sei wohl auch Vergangenheit. Erfreulich! Aber was gibt’s denn noch zu erzählen vom Konzert? Nun, launige Ansagen zur Produktion des neuen Albums, bei dem z.B. ein Allgäuer Totengräber die Tuba eingespielt haben soll. Bei zwei Songs dürfen wir den auch von der Torben Denver Band bekannten Querflötisten Alex Mink goutieren. Das Instrument passt zu dieser Art Musik eh perfekt, und ein Soloduell zwischen Querflöte und Sitar dürfte auch nicht sehr häufig auf Konzertbühnen stattfinden. Sitar ebenfalls ein Instrument, dass schon die Musik einer artverwandten Band wie Elephant Stone bereichert. Die Beglückung des Publikums mit Lollipops ist ebenfalls eine sehr charmante Idee.

Der Zuruf eines Zuschauers „Ihr seid doch die Byrds, ihr seid doch gar nicht Jamhed“ darf man übrigens als Kompliment werten. Die Einflüsse und die Inspirationen sind natürlich rauszuhören, aber es ist nicht ein Song dabei, den man als Kopie von irgendwas verstehen könnte. Die machen ihr eigenes Ding, sie schwimmen nicht auf irgendeinem Hype, einem angesagtem Stil, eher im Gegenteil, und sie machen es verdammt gut.

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Foto: Özlem Yavuz

Nach satten 80 Minuten gibt vor den zwei Zugaben noch ein flottes Beatstück im „The Beat Goes On“ Rhythmus. Die Zugaben hingegen umfassen ein Lied, das schon vom Ding her wunderbar nach farewell und Abschied klingt. Dürfte sich um „Somewhere“ vom neuen Album handeln, welches auch das letzte Stück der neuen Platte ist. Das finale Stück und Rausschmeisser hier hingegen ist eine Art langsamer Blues, mit viel E-Piano und Auf- und Abschwellen der Musik. Und die euphorischen Reaktionen unserer Fotografin und Madame P., die ich etwas zum Konzert überreden musste, sind dann noch die Kirsche auf diesem Super-Abend.

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