ROYAL BLOOD, 26.03.2015, Rockfabrik, Ludwigsburg
Die Rockfabrik tobt. Drummer Ben Thatcher balanciert auf der Absperrung zum Graben und klatscht jeden Zuschauer ab, der ihm seine Hände entgegenreckt. Ich reibe mir Augen (und Ohren) und weiß nicht, worüber ich mich mehr wundern soll. Über das eben Erlebte: die Zwei-Mann-Band Royal Blood, die einen derartigen Alarm gemacht hat, dass man immer die im Hintergrund versteckte Zusatz-Band sucht? Oder die Tatsache, dass ich nach mehr als dreißig Jahren Konzertgeherei zum allerersten Mal in der Ludwigsburger Kult-Location zu Gast bin?
Natürlich habe ich immer mit Interesse die Rockfabrik-Berichte der anderen Gig-Blogger gelesen. Informationen über Bands mit seltsamen Umlauten, hochexklusive Geheimgigs und Verstörendes über Stilrichtungen wie Death Metal verarbeitet. Aber es war erst die ausgiebige Würdigung der Rofa im Roman „Autoreverse“, dem Generationen-Portrait des „Kollegen Geiger“, die mir klar gemacht hat, warum ich hier gar nicht landen konnte.
Während sich Geigers und meine Wege – wenn auch unbekannterweise – in den Anfängen der Achtziger Jahre bei den Samstagsparties der Tanzschule Dieterle und beim Plattenkauf im Govi gekreuzt haben dürften, haben sie sich danach wohl auseinanderentwickelt. Zwangsläufig. Hard Rock, Metal und so, das war für uns Musik für Provinzler mit Doppelkennzeichen und Langhaarige aus Vorort-Jugendhäusern. Punk, Wave, Ska – das war unsere Musik. Echte Städter halt. Insofern fast logisch, dass ich nie in der Rockfabrik gelandet bin.
Da braucht es schon eine Band wie Royal Blood, um diese Genre-Grenzen zu überwinden und diese Jahrzehnte alte Bildungslücke zu schließen. Kuttenträger und Langhaar-Metaller à la Wacken sehe ich hier allerdings keine. Im Gegenteil: Das Publikum ist erstaunlich vielfältig. Von recht jungem, schicken Party-Publikum bis zu in Ehren ergrauten Musik-Liebhabern hat sich alles versammelt. Frauenanteil gut ein Drittel, würde ich sagen. Der Laden ist zwar recht weitläufig, der Bereich, von dem man gut auf die Bühne sehen kann, allerdings eher beschränkt. Folglich drängt es sich dort massiv. Die Stimmung ist aber gut und der Support Act Bad Breeding bringt mit einer Mischung aus Punk und Hardcore ordentlich Bewegung in die Masse vor der Bühne.
Der Umbau für Royal Blood dauert – obwohl eigentlich nur der Kram der Vorband entfernt werden muss – leider ziemlich lang, was leider wieder zu einer gewissen Abkühlung führt. Und beim ersten Ton von Royal Blood wird klar, dass man auch hier die Tradition pflegt, den Support bewusst lausig abzumischen, damit der Main Act besonders wuchtig klingt. Die Anlage, die bis eben noch eher blechern und bass-arm klang, hat plötzlich eine beeindruckende Dynamik. Die Jacke flattert im Luftzug der Subwoofer. Aber es liegt beiweitem nicht nur am Mischer, das Duo aus Brighton ist tatsächlich eine Macht.
Mike Kerr, der mit seinem Bass-Spiel manchen Gitarristen neidisch machen dürfte, produziert über ein geheimnisvolles Arrangement von Effektgeräten und Verstärkern einen wahrhaft brachialen und erstaunlich vielfältigen Sound. Die musikalische Basis dürfte wohl Blues-Rock sein, eine genauere Einordung traue ich mir nicht zu, zu groß sind meine Lücken im Bereich Rock. „Queens of the Stone Age“ und „Stoner Rock“ werden mir als Referenzen zugeraunt. Keine Ahnung, kenne ich nicht. Ist auch egal. Hier und jetzt spielt eine wirklich fantastische Live-Kapelle, das Publikum geht steil und man mag es einfach nicht glauben, dass nur zwei Mann einen derartigen Sound produzieren. Ben Thatcher, der eigentlich eher wie ein Hiphopper aussieht, gibt sich stoisch. Während er mit massivem Arm-Einsatz sein Schlagzeug bearbeitet, ist er sonst völlig ruhig und mustert mit mürrischem Blick das Publikum. Kerr hingegen nutzt den gesamten Platz auf der leergeräumten Bühne.
Bei den letzten beiden Titeln legen die zwei nochmal eine Schippe drauf und verabschieden sich nach exakt einer Stunde ohne Zugabe. Was aber völlig ok ist, denn der Auftritt war perfekt und eine weitere Steigerung wäre ohnehin nicht mehr vorstellbar.