JUNGLE, PARASITE SINGLE, 24.03.2015, LKA, Stuttgart

Jungle

Foto: Michael Haußmann

Heute Mittag, ein einsam auf der Landstraße liegender, schwarzer BH… mittenmang… für Unwissende ein vielleicht verstörender Anblick („lechz“ und so), für uns große Mystiker und Große-Zusammenhänge-Versteher jedoch ein klares Vorzeichen: Der Abend heute wird gut (muss ich nicht weiter erklären)! Jungle schaffen es dann aber tatsächlich, die durch das erotische Orakel hochgehypten Erwartungen noch zu übertreffen. Muss man auch erst mal können.

Das LKA sehe ich zum ersten Mal dergestalt, dass der hintere Bereich abgehängt wurde. Und es zeigt sich schnell, dass das eigentlich ganz gut ist. So angenehm dimensioniert wird eine heimelige Atmosphäre erzeugt, ich bin überrascht. Mit mir sind grob geschätzt 200-250 Leute anwesend, meist jüngerer bis mittelalter Baureihe, die sich von den Hamburgern Parasite Single bevorbanden lassen. Und die sind prima.

Parasite Single

Foto: Michael Haußmann

Schon zu dem Bandnamen entwickelt mein Lebensentwurf eine Affinität, aber auch ihre Musik weckt vergessen geglaubte musikalische Vorlieben in mir. Ziemlich entspannter, sehr gefälliger Synthiepop wird geboten, der mich des Öfteren an die frühen Underworld erinnert. Effektbeladene, gedoppelte Stimme, Gitarrenmuster, die den elektronischen Sound anreichern, und ein wenig melancholische, aber trotzdem poppige Melodien, das gefällt nicht nur mir, sondern auch sicht- und hörbar dem Publikum. Wahrscheinlich sogar dem baumlangen Paar vor mir, das ununterbrochen das ganze Set durchknutscht. Wirklich nix gegen Love, bin ja kein verklemmter Unmensch, aber doch nicht so prominent in meinem Blickfeld.

Parasite Single

Foto: Michael Haußmann

Egal, für die letzten Songs wird Tok:Tok auf die Bühne gerufen, welche den Gesang übernimmt. Ihre Stimme erinnert mich ein wenig an Anna Ternheim, und der Sound entfernt sich nun ein wenig vom bisherig gebotenen, bleibt aber weiterhin sehr gut hörbarer Synthiepop, der frisch klingt. Kommt nicht häufig vor, dass man sich bei der Vorband nicht eine Sekunde langweilt. Die gute halbe Stunde von Parasite Single ist so ein Fall.

Das Debütalbum von Jungle fand vor ein paar Monaten den Weg zu mir. Es lief nicht in Dauerrotation, aber dieser entspannte Neo-Soul, der doch irgendwie kein Soul ist, klang interessant. Songtitel blieben keine hängen, aber großes Interesse wie das live so wird. Interessant dann auch das Intro, ein langsam sich aufbauender, etwas düsterer Track, der ein wenig an Dead Can Dance erinnert. Ein Knall, und Jungle kommen in siebenköpfiger Formation im Gegenlicht auf die Bühne.

Jungle

Foto: Michael Haußmann

Falsettgesang ist ein prägendes Merkmal des Jungle Sounds. Live meist vierstimmig dargeboten. Nicht nur von den beiden Masterminds Tom und Josh in der Mitte der Bühne, sondern auch vom Sängerin-Sänger Duo, die außen stehen. Im Hintergrund trommelt der Drummer, der Percussionist perkussioniert meist auf Bongos, und ein weiterer Herr bedient Gitarre oder Bass. Der Sound ist fett, laut, aber nicht zu laut, gut ausgesteuert.

Was auffällt, im Vergleich zur Platte ist das live härter, direkter, tanzbarer. Das Grundgerüst mit den unverwechselbaren, tollen Falsettgesängen, die sich mit einem etwas kühlen, ein wenig an 80er Pop erinnernden Instrumentalsound paaren, bleibt gleich, aber es kickt deutlich mehr in den Popo. Wo Malky einen wärmeren, relaxten Sound bevorzugen, oder The Stepkids wesentlich experimenteller und verspulter an die Thematik „Neuinterpretation des Thema Soul“ rangehen, haben Jungle ihren ganz eigenen, unvergleichlichen Stil gefunden.

Jungle

Foto: Michael Haußmann

Unterstrichen wird das Ganze durch eine sehr schöne, stilsichere Lightshow, und gerade als man denkt, die Songs sind sich jetzt ein wenig zu ähnlich vom Grunddings her, kommt ein gepfiffenes Intro daher, das Ende eines Liedes baut sich über dieselben Akkordwechsel in ekstatische Höhen auf, oder ein Stück kommt relaxter daher, und der Gesang ist mal nicht nur volle Breite vierstimmig. Eine faszinierende, raffinierte Symbiose aus Pop, Elektro und Soul. Eingängig und in die Beine gehend genug für größere Bühnen, clever und stilsicher komponiert und arrangiert, um auch dem Feuilleton zu gefallen. Keine Ahnung wie sehr Jungle gehyped sind, dazu müsste ich die einschlägig bekannten Journaillen lesen, aber falls sie es sind, ist es ein Hype, mit dem ich sehr gut leben kann. Gute Musik bleibt eben gute Musik, egal wer und wie viele es hören.

Nachdem wir noch ein Lied hören, welches sich zu einem Daft Punk ähnlichen Höhepunkt steigert, gibt es nach knapp einer Stunde noch eine Zugabe. Ein leicht funkiger Bass unterfüttert diesen letzten Kracher. Ist jetzt auch nicht die Regel, dass eine Band mit nur einem Album es schafft so ein Konzert abzubrennen. Und dann lassen wir uns auch von den Apothekerpreisen beim Merch die Stimmung nicht mehr vermiesen.

Jungle

Parasite Single

Ein Gedanke zu „JUNGLE, PARASITE SINGLE, 24.03.2015, LKA, Stuttgart

  • 29. März 2015 um 19:12 Uhr
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    Schöner Artikel! Coole Bilder, fette Farben!

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