ALCOHOLIC FAITH MISSION, 19.03.2015, Manufaktur, Schorndorf
Augen auf bei der Wahl des Bandnamens. Einprägsam und gut zu googeln soll er sein. Reykjavíkurdætur eher schwierig. Möglichst einzigartig, oder „unique“, wie der Marketing-Mensch sagt. Neun Bands namens Mono wissen ein Lied davon zu singen. Und im falschen Genre möchte man ja auch nicht landen. Mit Alcoholic Faith Mission sei sie deshalb nicht ganz glücklich, erzählt Sängerin Kristine Permild im Interview. Dauernd müsse man ihn erklären und gleich hinterherschieben, welche Musik man denn so mache.
Und welche Musik ist es nun, die uns die fünf Skandinavier zu Gehör bringen? Orchestraler Folk-Pop mit mehrstimmigem Gesang, lese ich irgendwo. Und dieser sei mindestens so schön wie der von Admiral Fallow, lockt mich unser Fotograf. Wohl wissend, dass Admiral Fallow für mich die Bezugsgröße für Harmoniegesang sind. Er will die Dänen unbedingt sehen, hatte sogar eines ihrer Alben auf der Jahresbestenliste, findet aber keinen Schreiberling. Nun denn, AFMs aktuelles Album „Orbitor“ ist mir eigentlich etwas zu zuckrig, aber ich lasse mich überreden. Wann habe ich denn jemals eine schlechte Band in der Manufaktur gehört?
Und um das Fazit gleich vorwegzunehmen: höre immer auf die Empfehlung eines Gig-Bloggers! Ich kann unserem Fotografen gar nicht genug danken, dass er mich hierher geschleppt hat. Denn was Alcoholic Faith Mission in der Manufaktur abgeliefert haben, ist für mich die erfreulichste Überraschung des bisherigen Konzertjahres und ein Gig, der in allen Kategorien Höchstnoten verdient.
Bis auf den Zuschauerzuspruch. Der ist mal wieder spärlich. Vierzig Leute dürften es etwa sein und die verteilen sich auch noch im gesamten Saal. Da wünschen sich die Dänen – zunächst vergeblich – etwas mehr Dichte vor der Bühne. Sie lassen sich aber nicht entmutigen und starten den Abend mit „Orbitor“, dem Titeltrack des aktuellen Albums. Und als nach dem gut zweiminütigen Intro aus Synthesizer-Gefiepse, einem gestrichenen E-Bass und kleinen Bläser-Akzenten die gesamte Band einsetzt, wird sofort klar: das ist Breitband-Indie-Pop mit Schmackes! Blubbernde Synthieloops, zweistimmiger Gesang und eine Band, die aus dem Stand genial zusammenspielt. Und zwar wesentlich bombastischer, lauter und druckvoller als die Studio-Alben vermuten ließen.
Mit Thorben Seiero Jensen und Kristine Permild gibt es gleich zwei veritable Frontleute, und während Jensen schon allein durch seine Statur und die markante Falsett-Stimme beeindruckt, ist Kristine Permild ein wahrer Wirbelwind und Sympathie-Bolzen. Permanent ist sie in Bewegung, strahlt ins Publikum, dass es eine wahre Freude ist und geht immer mit maximalem Einsatz zu Werke. Als sie die zusätzliche Stand-Trommel bearbeitet, fliegen die Holzspäne in alle Richtungen davon.
Ohnehin ist der Einsatz von Rhythmus-Instrumenten geradezu verschwenderisch. Magnus Hylander Friis spielt ein massives klassisches und elektronisches Drumset und hat vermutlich den größten Anteil an der Dynamik des Live-Events. Unterstützt wird er durch ein zusätzliches Drumpad, das Bassist Sune Solund bearbeitet, diverses Klein-Schlagzeug und die besagte Tom, die von Kristine Permild malträtiert wird.
Den Synthesizer-Sound und damit die melodische Basis produziert – dezent im Hintergrund agierend – Anders Hjort, der zusätzlich auch noch Akzente mit Flügelhorn und Posaune setzt.
Mein persönliches Highlight: „Into Pieces“, das mit seiner rhythmischen Vertracktheit, den mäandernden Piano-Läufen und dem Harmoniegesang eine Koproduktion von Agent Fresco und Blaudzun sein könnte. Ohnehin: im gesamten Set findet sich kein schwacher Titel. Der Spannungsbogen wird über den ganzen Abend gehalten, die Pausen zwischen den Titeln sind knapp. Und zur Zugabe kann Kristine Permild dann tatsächlich alle Zuschauer vor die Bühne locken. Mit der Ballade „Season Me Right“ und „Nut In Your Eye“ beschließen die Dänen einen großen Konzertabend voller Gänsehaut-Momente. Und ich wünsche mir, sie möglichst bald vor einem weit größeren Publikum zu sehen. Zum Stuttgart Festival oder zum Marienplatzfest würden sie jedenfalls sehr gut passen.
Die Setlist:
Orbitor
My Eyes To See
Everyone’s Got Dynamite
Come Here Wash In Over Me
Dream In Silence
Into Pieces
Another You
We Need Fear
The Best Days Of My Life
Dancing Fools
Crystalized Night
Throw Us To The Wolves
Season Me Right
Nut In Your Eye