EARTH, 07.02.2015, Manufaktur, Schorndorf

Earth

Foto: Steffen Schmid

Endlich schließt sich der Kreis. Ein Earth-Konzert in der Manufaktur ist überfällig. Wir haben uns bereits 2009 über ein Sunn O))) – Konzert an gleicher Stelle freuen dürfen. Deren Gründung geht auf ihre Verehrung für die frühen Melvins, und insbesondere Earth zurück. Das geht sogar so weit, dass Sunn O))) betonen, der Bandname sei eine Umkehrung der Tatsache, dass die Erde um die Sonne kreist.

Bei Sunn O))) dreht sich die Sonne um die Erde, um Earth. Mit Konzerten der Melvins wurden wir in den vergangenen Jahren ebenfalls in der Manufaktur dankenswerterweise bestens versorgt. Heute also endlich Earth auf der Bühne, wo ich sie schon lange sehen will. Schlecht versorgt mit Konzerten dieser Band waren wir in Baden-Württemberg seit der Wiederkehr um das Jahr 2008 eigentlich nicht. Eine Show im Schocken, diverse Shows im JUBEZ in Karlsruhe. Heute dürfen wir aber das erste Metal-Set von Earth erwarten. Das liegt am aktuellen Album „Primitive and Deadly“, welches die erste hart rockende Earth-Platte seit Mitte der 1990er geworden ist.

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Foto: Steffen Schmid

Noch länger ist es her, dass Stücke mit Gesang dabei sind. Zuletzt 1991 hat ein Kumpel von Earth-Kopf Dylan Carlson gesungen, der auf dem Reissue als „Kurt Kobain“ bezeichnet ist. Man kommt an einem Bericht über Earth oder Carlson an der Verbindung zu ihm einfach nicht vorbei. Aber das soll es jetzt schon gewesen sein. Auf „Primitive and Deadly“ ist Mark Lanegan zu hören, der auch wieder diverse Gemeinsamkeiten mit Kurt Cobain und Dylan Carlson hat bzw. hatte wie Herkunft, Karriere und Betäubungsmittel. Als die Earth-Tour angekündigt wurde, hieß es, dass versucht wird Lanegan auf einigen Konzerten als Sänger dabei zu haben – hier und heute hat das nicht sollen sein. Wäre eine schöne Abwechslung gewesen, wenn man schon diverse Instrumental-Shows von Earth gesehen hat.

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Foto: Steffen Schmid

Dylan Carlson dürfte für die, die ihn zuletzt 2009 im Schocken gesehen haben, nicht mehr zu erkennen sein. Wir taxieren den Gewichtsverlust auf mindestens 30kg, was eher an einer schweren Erkrankung vor ein paar Jahren liegen dürfte, als an einem gesunden Lebenswandel. Er begrüßt uns mit der, für mich wenig überraschenden Ankündigung, viel von der neuen Platte und ein paar alte Favoriten zu spielen. Später erwähnt er noch, wenn wir das richtig verstanden haben, dass das neue Album sich besser verkauft hat, als alle anderen Alben zusammen. An mir liegt es nicht – ich habe auch alle anderen im Schrank stehen.

„Even Hell Has Its Heros“ – ein Favorit von mir vom neuen Album – hat ein Spaghetti-Western-Feel und ist natürlich ein top Auftakt. Ein Stück wie die meisten des Abends weit jenseits der Fünf-Minuten-Marke. Am Schlagzeug sitzt wie immer Adrienne Davies, die ihrem zeitlupenhaftem Spiel treu geblieben ist, neuerdings aber etwas mehr dreschen darf, weil das ganze Set erwartungsgemäß härter ausfällt, als die früheren noch viel langsameren und sanften Shows. Dylan Carlson hat mal gesagt, er habe in seinem Leben musikalisch nur eine gute Idee gehabt: „Play Slow“. Das zieht er ziemlich konsequent durch, aktuell slow und laut.

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Foto: Steffen Schmid

Noch langsamer wird es mit „The Bees Made Honey In The Lion’s Skull“ – passt nicht so ganz ins Set, denke ich noch, aber wird dann schon schnell deutlich, dass das Stück eine Metalliclackierung bekommen hat.

„There Is A Serpent Coming“ von der neuen Platte – ein Stück mit Mark Lanegan am Gesang, dem auch der Titel „Primitive and Deadly“ entnommen ist. Carlson kündigt an, dass er nicht versuchen wird zu singen, damit uns das Stück trotzdem gefällt. Bei Stücken die man ohnehin nur instrumental kennt fehlt der Gesang natürlich nicht, anders bei einem, das man nicht anders als mit Gesang kennt. Trotzdem entfaltet sich eine meditative Wirkung, die übrigens jedes Stück hat und ich mir schon mehrmals einen Sitzplatz wünsche.

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Foto: Steffen Schmid

Sehr gut gefällt mir dann „Old Black“ aus dem Jahr 2011. Mein regelmäßiger Soundtrack zum Kochen, weil in der Küche ein alter iPod rumliegt auf dem sich das Earth-Album „Angels Of Darkness, Demons Of Light I“ befindet. Ein Rezensent hat über dieses Album geschrieben, dass er sich dieses als den absoluten Soundtrack für die Post-Apokalypse vorstellen kann. Spätestens jetzt fühlt sich die Zeit gestaucht an. Wie lange ging das jetzt – zehn Minuten, 15 Minuten?

„Ouroboros Is Broken“ in der 2008er Version ist ein weiteres Highlight. Wegen des wie immer sehr guten Klangs in der Manufaktur kommen die Stücke der Quälität auf den Alben sehr, sehr nahe.

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Foto: Steffen Schmid

Weiteres Highlight ist der größte Hit auf „Primitive and Deadly“ „Torn By The Fox Of The Crescent Moon“. Dylan Carlson steht auf seltsam komplizierte, lange Titel. Weitere Beispiele: „A Bureocratic Desire For Extra-Capsular Extraction“, „Miami Morning Coming Down II (Shine)“ oder „German Dental Works“. Jedenfalls „Torn…“ hat den besten Hook, das beste Riff der neuen Platte, diente als Teaser für das Album und ist DER Hit. Noch vor der schönen Zugabe „From The Zodiacal Light“.

Schade finde ich, dass das schönste Lied „Coda Maestoso In F (Flat) Minor“ (1996), das ich schon in diversen sehr ruhigen Versionen live zu hören bekam, und das eigentlich ein richtiges Rocklied ist, nicht im Set vorkommt, obwohl es gerade jetzt genau richtig wäre.

Earth haben, wie immer, nicht enttäuscht. Könnte ich mir wie ein Bohren-Konzert aber auch sehr gut bestuhlt vorstellen. Keine Musik, die einen durchrüttelt, sondern fast in Trance versetzten kann. Jedenfalls ein weiteres Lebensziel erreicht – unlock next Level.

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Foto: Steffen Schmid

Ein Gedanke zu „EARTH, 07.02.2015, Manufaktur, Schorndorf

  • 20. Februar 2015 um 10:30 Uhr
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    sehr schön. genau so war es.
    ein bisschen vermisse ich aber ein paar worte zu den sehr beindruckenden black spirituals im vorprogramm

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