GEREON KLUG, 18.01.2015, Merlin, Stuttgart
Digger, was fühlst du, bist du nice angegeilt? Du bist mein geiler Digger, bist du. Heute Abend wird gesoffen.
Man weiß es nicht, warum das Füllhorn an irrsinnig lustigen Sprüchen dieser ganzen Hamburger (Schamoni, Strunk, Palminger, um nur mal die bekanntesten des Fachs zu nennen, aber auch ein normales Bernd Begemann– oder Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen-Konzert versorgt einen immer ausreichend mit Slogan-Munition) immer so gut gefüllt ist. Harte Übung wahrscheinlich, täglicher Kontakt untereinander, irgendwann ist man kontaminiert und redet tatsächlich nur noch so.
Bekannt ist uns der Herr Klug schon seit Jahren. Bei Fraktus, Rocko Schamoni und Andreas Dorau ist er uns schon immer als irgendwie skurrile Erscheinung beim Merchandising aufgefallen, und seine Hanseplatte-Newsletter verehren wir schon seit Jahren. Letztere wurden nun ausgedruckt und als Buch herausgebracht. „Low Fidelity. Hans E. Plattes Briefe gegen den Mainstream“ heißt das famose Werk aus dem uns heute Abend vorgelesen wird. 20:15 Uhr geht’s los, und zwar mit obig zitiertem „Was fühlst Du“-Track von Adolf Noise aus der Compilation „Low Fidelity“. Der Soundtrack zum Buch quasi, mit unveröffentlichten Sachen diverser Hansestadt-People (Die Sterne, Schamoni, Erobique, Kid Kopphausen, Deichkind etc. etc.).
Gut und elegant angezogen ist er, eine prächtige Mähne krönt sein Haupt. Dergestalt versichert er sich erst mal rück, ob wir denn auch nice angegeilt, resp. gut gelaunt seien. Die Frage beantwortet er sich mit ja, schließlich erwarte uns alle ja eine freudige Woche bei Mercedes Benz. Der erste vorgelesene Newsletter ist ein Frühwerk aus dem Jahre 2009, in welchem auch von einer Verkehrsinsel in St. Pauli die Rede ist, die von 20–50 Karnickeln bevölkert sei. True Story versichert er uns. Wahren Begebenheiten werden wir in seinen Newslettern noch öfter begegnen, obwohl diese im Laufe der Jahre immer weniger bis gar nichts mehr mit den beworbenen Produkten des Hanseplatte Shops zu tun haben werden. Oder um es mit Klug zu sagen:
Über Musik ist alles gesagt, über die Menschen noch nicht.
Kurze Erklärung für die Wenigen, die den Hanseplatte-Newsletter noch nie gelesen habe: Wie schreibt denn der Gereon Klug so? Ganz unterschiedlich! Mal arten die Texte in psychedelisches Dada aus, oft sind es aber extrem gekonnte Parodien oder Karikaturen von Geschäfts- oder Werbesprech. Da er ein „großer Freund von Ideen“ ist, kommen gerne auch Texte über neue Geschäftsideen (z.B. Tier-App, um Tierstimmen zu übersetzen), neue Betrugsmethoden (der umgekehrte Haustürtrick, bei welchem man dem Klingelnden sofort und ungefragt eine aufs Maul haut) und so Sachen zum Einsatz. Aber auch in Bars aufgegabeltes wie „Zwei Expressis, aber pesto!“ wird humoristisch in die Newsletter verpackt.
Man lacht viel, und ähnlich wie Strunk und Schamoni beömmelt sich auch Klug selbst über die Absurdität des Vorgelesenen. Sehr sympathisch kommt er rüber, hat eine angenehme Lesestimme, und ab und an bindet er uns in den Vortrag ein. So dürfen wir zwischen kurzen Claims, die als Werbung für einen Club gedacht sind, immer „Merlin“ rufen. Eine Art „weißer Gospel“ nennt er das.
Überhaupt Werbung, tatsächlich ist er in dem Metier auch tätig. So prangen am Stuttgarter Hauptbahnhof zur Zeit wohl zwei Werbetafeln mit Slogans von ihm für eine bekannte, hiesige Schokomarke. Es scheint wohl eine Hassliebe zu der Branche zu sein, da er einen von ihm besuchten Werbekongress als Veranstaltung mit 10.000 Arschgeigen bezeichnet.
Die Gags sind zu viele, als dass man sie hier alle aufzählen könnte. Ob Geschichten über und Zitiertes von DJ Koze („Lass uns mal über dich reden. Wie findest Du meine neue Platte?“), gefakete Tim Mälzer-Editorials samt Anklagedrohung von diesem, die absurde Mail eines „Bernd Strohm“, der Gereon Klug einen Erziehungsratgeber mit dem Titel „Meins Kampf“ anbietet, oder der abstrusen Fantasie eines Indie-Dschungelcamps mit u.a. Jochen Distelmeyer und Lindenberg, die knapp 100 Minuten inklusive 15 minütiger Pause sind dicht mit Pointen komprimiert. Oder um es mit seinem wohl berühmtesten Claim zu sagen: „Leider geil!“
Schon wieder bin ich nice angegeilt!