DER NINO AUS WIEN, 16.01.2015, Merlin, Stuttgart

DER NINO AUS WIEN, 16.01.2015, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Ich weiß nicht, ob das auf Gegenseitigkeit beruht, aber österreichische Musik scheint bei deutschen Musikfans richtig in Mode zu sein. Keine Jahresendliste, die ohne die Wiener Rock-Combo „Wanda“ und ihren Hit „Bologna“ auskam. Und auch der Label-Kollege Der Nino aus Wien genießt eine bevorzugte Wahrnehmung in den Indie-Postillen. So ist das Booking dieses verschrobenen Gesellen ein echter Glücksfall für den Auftakt-Gig beim diesjährigen Pop Freaks Festival im Merlin. Der Laden ist gut gefüllt – ok, nicht so voll wie letztes Jahr bei Dagobert – aber es hat sich neben dem üblichen Merlin-Publikum doch ein ordentlicher Haufen von Nino-Fans eingefunden, was man unschwer an den kundigen Zwischenrufen im Laufe des Abends erkennen kann.

DER NINO AUS WIEN, 16.01.2015, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Als Musiker kann man sicher ganz viel Zeit darauf verwenden, sich einen möglichst kreativen Band-Namen auszudenken. Hohe Wiedererkennung, viel Bedeutung, toll zu googlen und so. Man kann aber auch das einfachste tun: sagen, wie man heißt und woher man kommt. So wie der Paul aus Liverpool, der Udo aus Hamburg oder halt: Der Nino aus Wien. Und mit seiner Musik geht’s Letzterer genauso pragmatisch an. Mögen andere auf der Suche nach dem individuellen Sound sein, der Nino Mandl bereitet eine eingängige Melange aus Indie-Rock, Pop und ein bisschen Schlager. Mit diesen einfachen Zutaten hätte er aber wohl kaum Bekanntheit über Österreich hinaus erlangt. Da muss noch mehr sein.

DER NINO AUS WIEN, 16.01.2015, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Und tatsächlich: wenn man den so schwer definierbaren Wiener Schmäh erleben möchte, dann ist ein Nino-Konzert genau das Richtige. Diese einzigartige Mischung aus Charme, Humor, Schlitzohrigkeit und Schlagfertigkeit verkörpert der Nino Mandl in Perfektion. Das alles gepaart mit einer enormen Langsamkeit und Verhuschtheit, die einen bei jeder seiner komplett vernuschelten Ansagen doch sehr an seiner Nüchternheit zweifeln lassen. Das ist höchst amüsant und schafft einen wunderbaren Rahmen für seine Lieder.

Und es scheint bei den Damen sehr gut anzukommen, wovon man sich mit einem Blick in schmachtende Gesichter vergewissern kann.

DER NINO AUS WIEN, 16.01.2015, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Wenn auch musikalisch eher konventionell, so sind viele seiner Songs textlich ein großes Vergnügen. Meist in Moll gehalten und mit einem melancholischen Grundton. Nino ist ein gewiefter Geschichtenerzähler. Von banal bis absurd, garniert mit teils haarsträubenden Reimen und raffiniert verzögerten Pointen, erzählt er von coolen Personen, der allerbesten Sängerin oder – natürlich im obligatorischen Dreivierteltakt – von Schlagobersköchen.

Und natürlich die herrlich traurige Geschichte von Betrug und Trennung in „Du Oarsch“.

DER NINO AUS WIEN, 16.01.2015, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

In seinen besten Momenten wird sogar die Lyrik von der Qualität eines Nils Koppruch erkennbar. Auch die ähnlich lapidare Art, in der seine Lieder vorträgt, lässt mich manchmal an den Hanseaten denken.

Im Museum siehst du das Bild, in dem mehreres vereint ist, in dem jeder Strich gemeint ist und nichts einzelnes allein ist. Und es fließt alles zusammen, und erzeugt ein Feuerwerk aus der Arbeit der Gedanken und der Farbe, die sich färbt.

Auch wenn das Konzert – vielleicht gerade wegen dieser Langsamkeit – gewisse Längen hat und den Spannungsbogen nicht über den ganzen Abend halten kann, zur Zugabe laufen Nino und seine Band nochmal zur Hochform auf und beenden den ersten Pop-Freaks-Abend mit dem wunderbar morbid-gelangweilten „Schlusslied“.

DER NINO AUS WIEN, 16.01.2015, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

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