FATES WARNING, 05.11.2014, Universum, Stuttgart

Fates Warning

Foto: Michael Haußmann

Konzert einer altehrwürdigen Band, zudem eines uncoolen Metalsubgenres, deren Bandname auch nicht ironisch von Indies auf T-Shirt aufgetragen wird, anyone? Ich, genau mein Ding! Zumal mich mit Fates Warning noch die Erinnerung des einzigen Weihnachten verbindet, an dem mein Cousin und ich uns gegenseitig was schenkten. Ich bekam die „No Exit“, gewünscht weil diese damals Platte des Monats im Metal Hammer war. Was er bekam weiß ich nicht mehr (Europe?). Zur Vorbereitung des Konzerts heute Abend sendete ZDFkultur auch am letzten Montag netterweise die Folge „Progressive Metal“ der sehr sehenswerten Reihe „Metal Evolution“.

„No Exit“ kenne ich also noch gut von früher, ein Stückchen weniger gut als das Nachfolgealbum „Perfect Symmetry“. Damals das Album im CD-Verleih besorgt und auf Kassette überspielt, danach an einen Freund ausgeliehen und nie wieder zurückbekommen. Wenn das hier der betreffende, „vergessliche“ Metalfreund liest: ich habe die Kassette nicht vergessen und möchte sie wieder, Buddie!

Kommen wir zum heutigen Abend, der gegen 20:30 mit der italienischen Band „Headless“ startet. Erwartungsgemäß setzt sich das Publikum im zur Hälfte gefüllten Universum aus wenigen Frauen und vielen männlichen Normcorelern zusammen, die bestimmt auch alle gut in Mathe und Logik sind. Aber das hatten wir ja schon mal. Progmusik ist schon ein wenig Musik für Nerds (die wirklichen Nerds in der ursprünglichen Definition, nicht dieser ironische Hipsterquatsch), die sich um ein cooles Aussehen einen Teufel scheren, und das Geld statt in Mode lieber beim Conrad ausgeben. So mein bestimmt falsches Klischee. Auf jeden Fall dürfen wir erst mal sehr sauber gespielten, eher klassischen Metal/Hard Rock goutieren. Meine Eindrücke schwanken zwischen etwas zu bieder und zu brav, bis hin zu qualitätsvoll und abwechslungsreich. Queensryche zu Empire-Zeiten vielleicht als ganz vage Assoziation. Wie so oft bei Metalbands ist das Können an den Musikinstrumenten sehr hoch.

Headless

Foto: Michael Haußmann

Aber ein paarmal ertappe ich mich, dass ich bei bestimmten Gesangsparts denke, verdammt, das erinnert mich doch an etwas. Überhaupt, der Sänger. Nicht nur, dass er wirklich sehr gut singt, seine englischen Ansagen haben keinerlei italienischen Akzent (was einfach nicht sein kann meine Landsleute kennend), und mit seiner ganzen Art und Aussehen sieht er wie hinzugefügt aus. Als er dann ankündigt, dass sie jetzt einen Song („Bedroom Eyes„) seiner ehemaligen Band spielen, wird mir klar, warum mir seine Stimme so vertraut vorkommt. Vor über 20 Jahren habe ich ihn, Göran Edman, schon im LKA gesehen, damals als Sänger meines 80er Idols Yngwie Malmsteen auf der Fire & Ice Tour. Die Platten, auf denen er gesungen hat, liefen damals rauf und runter bei mir. Und selbst John Norums (Ex-Europe) LP „Total Control“, auf der er mitsingt, liegt in meinem Plattenschrank.

Headless

Foto: Michael Haußmann

So gewinnt der eh schon solide Auftritt von Headless für mich noch an nostalgischem Wert. Irgendwie rührend und auch nachdenklich stimmend zu sehen, was so ein ehemaliger Starsänger, der in Japan und Russland bestimmt vor hundertausend Leuten singen durfte, heute so macht. Und auch seine extrem zurückhaltende Art wirkt auf mich einerseits sehr sympathisch, aber auch ein wenig verloren. Ich gratuliere ihm noch persönlich nach dem Auftritt, wechsele noch ein paar Worte mit ihm, und warte auf Fates Warning.

Diese kommen um 21:40 Uhr auf die sehr kleine, und wie so oft spärlich ausgeleuchtete Bühne. Seit Anfang der 80er gibt es diese Band, und der Auftritt zeigt, sie sind wirklich würdevoll und gut gealtert. Das liegt nicht nur am noch beneidenswert vollen Haupthaar von Mastermind Jim Matheos und Sänger Ray Alder, das Quintett zeigt ein Konzert der musikalischen Extraklasse, was das anfangs zurückhaltende Publikum am Ende mit Ovationen feiern wird. Begeisterung bei Prog-Metal, welcher sich durch komplizierte Rhythmen, sperrige Songstrukturen, und nicht einfach zu folgenden Melodien auszeichnet. Jetzt, wie kann das gehen?

Eine Zutat ist das sehr frische Auftreten des Sängers, der auch gut bei Stimme ist. Überhaupt das ganze Auftreten der Band. Die ziehen sich normale T-Shirts an, und kommen auf die Bühne, um mit großer Lust an ihrer Musik zu spielen. Ein völlig unpeinliches Auftreten, keine Posen, aber auch kein abweisendes Introvertiertsein. Einfach nur große Könner, die uns ein Set mit Songs aus fast allen Phasen ihrer Karriere (die erste Phase mit Sänger John Arch wird ausgeklammert) präsentieren. Auch Lieder des letzten Albums „Darkness In A Different Light“, wie der Opener „One Thousand Fires“ halten das Niveau mit den alten Sachen locker mit.

Fates Warning

Foto: Michael Haußmann

Fates Warning gehören zu jener Art Progbands, die ihre progressiven Elemente nicht mit dem Virtuosentum der einzelnen Instrumentalisten ausstaffieren, wie z.B. Dream Theater. Es gibt keine Leistungsdemonstration der Musiker, sondern die Songs stehen im absolutem Mittelpunkt. Die zeichnen sich durch Jim Matheos schneidende, immer irgendwie futuristisch, beunruhigenden Riffs aus. Dazu kommen Stücke, die in sich unterschiedliche Parts aufweisen, gespielt mit einer unglaublichen Präzision und Unverkrampftheit, und trotz alledem verlieren Fates Warning nie das Nachvollziehbare, den Song an sich aus dem Blick. So erschaffen die Amerikaner mit ihrer Musik eine ganz eigene Welt bizarrer, verstörender Schönheit. Ich glaube einen Song aus „No Exit“ zu erkennen, aber auch „Through Different Eyes“ und das sehr traurige „Nothing Left To Say“ sind mir bekannt.

Fates Warning

Foto: Michael Haußmann

Akustische Parts, schnelle Parts mit harten Riffs, zweistimmige Gitarren mit meist sehr melancholischen Melodien, der Abwechslungsreichtum sorgt neben dem sympathischen Auftreten und der hohen Kompositionsqualität dafür, dass die 80 Minuten des Hautpsets wie im Flug vergehen. Das mittlerweile begeisterte Publikum fordert vehement Zugaben, die es mit den beiden „Parallels“-Songs „11th Hour“ und „Point Of View“ auch bekommt. Die Band ist sichtlich dankbar, was doch auch immer etwas rührendes an sich hat. So lange schon dabei, bestimmt schon erfolgreichere Zeiten gehabt und größere Locations mit mehr Publikum bespielt, und trotzdem immer noch dankbar, für jeden der zu ihnen kommt und sich an ihrer Musik erfreut. Ein Abend mit viel Herz, trotz vielem Hirn.

Headless

Fates Warning

2 Gedanken zu „FATES WARNING, 05.11.2014, Universum, Stuttgart

  • 7. November 2014 um 15:17 Uhr
    Permalink

    Ich kann Dir leider auch nur „No Exit“ auf Kassette überspielen.

  • 7. November 2014 um 16:24 Uhr
    Permalink

    bist auch auf den Metal Hammer mit ihrer Platte des Monats reingefallen? Gibt ja bessere Werke von FW als ausgerechnet die No Exit. Aber für den MH war ja damals auch die furchtbare „So Far, So Good, So What“ von Megadeth Platte des Monats. Wahrscheinlich die mieseste Platte von Mustaine ever.

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