ACCEPT, 29.10.2014, Filharmonie, Filderstadt
Bereits in der S-Bahn kann ich eindeutig Besucher des bevorstehenden Konzerts ausmachen: dunkles Outfit, Rock-T-Shirt und grau oder grau meliert mit Bäuchlein. Diese Parameter manifestieren sich, als ich den post-post-modernen Bau der sogenannten Filharmonie betrete und sogleich einen gravierenden Mehranteil von männlichen Besuchern wahrnehme, die alle sehr durstig sein müssen, ob der länger und länger werdenden Bierschlangen, ähm Schlangen an der Getränkeausgabe.
Zaghaft füllt sich der Konzertsaal im ersten Obergeschoss – es ist wahrlich kein Ambiente für Rockmusik. Aber es dauert zum Glück nicht lange, bis es dunkel wird im Raum und eine junge 4-köpfige Band aus Australien beginnt, das Vorprogramm zu bestreiten. Sie tragen den vielversprechenden Namen Damnation Day und entpuppen sich als echte Metal-Fans. Sie liefern astreinen Retro-Metal mit gelegentlichem Speed-Einschlag ab, der unvermittelt Namen wie Judas Priest, King Diamond oder Helloween evoziert. Vor allem das sich in höheren Gefilden abspielende Stimmvolumen des Shouters ist da sehr beeindruckend. Leider ist der Sound ziemlicher Matsch.
Die Begeisterung hält sich dann auch in Grenzen als Damnation Day sich verabschieden und das Licht für eine etwas zu lange geratene Umbaupause eingeschaltet wird. Erst jetzt füllt sich nach und nach auch das Zentrum des Konzertraums mit Acceptfans und ich bin mir in dem Moment sicher, der einzige mit einem normalen, schwarzen T-Shirt zu sein, der kein Accept oder wenigsten U.D.O. Shirt trägt (U.D.O. = Bandprojekt des ehemaligen Accept Kult-Sängers Udo Dirkschneider, der 1987 Accept zugunsten seiner Solokariere verließ. Allerdings gab es von 1992-1996 nochmals eine Reunion mit Accept).
Endlich wird das auf einem Podest stehende Schlagzeug enthüllt, das mittig in einer Reihe von mit Accept-Schriftzügen versehenen, zweireihig aufgetürmten Lautsprecherboxen platziert wurde, die direkt ins Publikum gerichtet sind – beeindruckend.
Und wums! Da sind sie und lassen es von der ersten Sekunde an krachen. Es geht los mit ein paar aktuellen Liedern und dem Titelsong der 2012 erschienenen Platte „Stalingrad“, der sich bereits zu einer Art neuen Klassiker mausern konnte. Vom gleichen Album schlagen „Hellfire“ und „200 Years“ ein und Accept zeigen, worum’s heute Abend geht! Und sie können’s, das wird einem sehr schnell klar. Nun ja, es gab in der langen Karriere auch reichlich Zeit um zu üben, wenn man bedenkt, dass die Wurzeln von Accept im Jahr 1968 liegen!
Auch wenn das Publikum zweifelsohne aus richtigen Fans besteht, ist es nach der ersten Runde zwar in gewissem Rahmen als begeisterungsfähig einzustufen, aber eher im Sinne von „bemühte sich stets…“. Es nickt und klatscht und ruft artig „hey, hey…“ oder „oh ohoh…“, wenn es dazu aufgefordert wird, aber ansonsten hat man eher den Eindruck, man hätte auch bestuhlen können und die Metallheads haben das Headbangen etwas verlernt. Auch wenn ein vereinzeltes Mini-Moshpit entsteht, wirkt das eher wie ein ironisches Zitat an die alten Zeiten.
Als bekennender Hörer von Metalmusik bin ich mir durchaus auch der vielen Klischees bewusst, die damit in Verbindung stehen, doch dass sie sich in so erschütternden Weise bewahrheiten, verunsichert mich etwas. Von den original Outfits und dem Modeverständnis von 1982 einmal abgesehen auch die sagenhafte Unmusikalität (einige schaffen es tatsächlich nicht, den doch relativ klar strukturierten und einfach gehaltenen Takt mitzuklatschen).
Aber dann! Mit einem Mal scheint das Eis gebrochen und auch wenn die Mobilität von Acceptfans (wie auch generell die von Fans anderer Musikgruppen, deren erste Schallplatte im Jahr 1979 erschien) etwas eingeschränkt ist, die Körper träge geworden sind, wird nun umso eifriger ja fast euphorisch geklatscht und der Arm nach oben gereckt und das obligatorische Teufelszeichen frenetisch den Herren auf der Bühne vorgezeigt.
Das liegt in erster Linie an Wolf Hofmann (*1959), dem Leadgitaristen und Accept-Urgestein seit 1976! Ich bin überzeugt, dass er ein zweites Standbein als Bruce Willis-Double hat, denn die Ähnlichkeit ist erstaunlich. Und nicht nur das: Er ist dermaßen gut gelaunt, zeigt ein schauspielerisch vollendetes und passendes Mienenspiel und immer die perfekte Körperhaltung zum Publikum und schafft es so fast im Alleingang, das etwas steife Heavypublikum ins Boot zu holen und eine Brücke zwischen Bühne und Zuschauerraum zu schlagen.
Aber auch der Bandkollege am Bass, Peter Baltes (*1958), ebenfalls bereits seit 1978 bei Accept, tut einiges dafür und lässt sich von Hofmann anstecken. Aber auch die gesamte Band strotzt vor Spielfreude und ist bester Laune und man merkt den in die Jahre gekommenen Jungs an, dass sie nicht nur auf Tour sind, um ein paar alte Hits hinzurotzen, sondern dass sie immer noch etwas wollen, an ihre Musik glauben und mit Leib und Seele bei der Sache sind – allen Klischees und Vorurteilen zum Trotz.
Und jetzt drehen sie erst noch einmal richtig auf: Es kommen Klassiker wie „Restless And Wild“ (1982), „Princess Of The Dawn“ (1982), „Metalheart“ (1985) und „Fast As A Shark“ (1982) und lassen die Menge für ihre Verhältnisse ausrasten. Zwar ist nach ca. anderthalb Stunden ein „Good Bye“ von Mark Tornillo (der seit 2009 für Accept tätig ist) zu vernehmen, doch das war sozusagen nur angetäuscht. Accept spielen einfach weiter, ohne dass überhaupt jemand dazu kommt, Luft für einen Zugabe-Ruf zu holen und machen die zwei Stunden voll mit einer wirklich überzeugenden Heavy-Metal-Show. Accept rules!
Ich glaub beim nächsten ACCEPT Konzert muss ich meine immer noch brechsicheren Knochen mal hinschieben (*1972) um hier mal einen richtigen Kreis vor der Bühne aufmachen zu können :-) Gruß T.B.