ERLEND ØYE & THE RAINBOWS, 08.10.2014, Alte Kongresshalle, München

Erlend Øye

Foto: Michael Haußmann

Wo waren wir stehengeblieben in Sachen Erlend Øye? Ach ja, beim Contronatura Festival, wo er mit seiner Lieblingsband Fitness Forever zusammen auftrat, und deren Bassist, und Drummer er sich gleich mal gemopst hat für seine aktuelle Tourband „The Rainbows“. In der Zwischenzeit wurde auch das Album „Legao“ veröffentlicht, eingespielt auf Island mit den ortsansässigen „Hjálmar“, und deren Sigurður Guðmundsson ist auch Teil der Liveband. Zwei weitere Isländer und ein Finne sind auch noch dabei. Italien, Island, Skandinavien, das neue Album mit Reggae-Anleihen, wir sind vorfreudigst gespannt auf das, was uns heute Abend erwartet.

Die Alte Kongresshalle ist wirklich sehr schick. Tolle Größe, edel aber nicht zu versnobt, irgendwie heimelig. Etwas Neid auf München kommt auf, denn die Halle bei Tame Impala im Juli war auch toll. Etwas befremdlich hingegen, dass ein Bier hier automatisch gleich eine 0,5l Flasche bedeutet. Kleines Gepräch vorab mit unserem befreundeten Drummer Andrea De Fazio besagter Fitness Forever, der sich ein bisschen wie in einem Traum vorkommt, weil er mit Erlends Band so tolle Plätze rund um die Welt bespielen darf, und danach rein in die mittlerweile gut gefüllte Halle. Geschätzt 700 Personen dürften das sein (plus/minus 500…bin im Personenzahl schätzen wirklich miserabel), die den Konzertbeginn gegen 21:10 miterleben.

Erlend Øye

Foto: Michael Haußmann

„Fence Me In“ vom neuen Album ist der Opener. Und was gleich auffällt und das ganze Konzert über so bleiben wird, ist der wirklich exzellente Sound. Besser geht’s nicht. Jedes Instrument ist glasklar zu hören, der Sound ist trotzdem warm und dynamisch, und so laut, dass man eben keine Ohrstöpsel braucht. So kommt der entspannte Soft-Pop/Lovers-Rock mit Reggaerhythmus bestens rüber. Erlend hat sich die Haare geschnitten irgendwann zwischen August und heute, hat güldenen Halsschmuck an, und tanzt schlaksig herum, wie man es von ihm kennt. Intoniert ist er eh immer, und er hat wohl eine der angenehmsten Stimmen im Indie-Pop. Das Publikum ist vom Fleck weg begeistert.

Die nachfolgenden „Lies Become Part Of Who You Are“, “Say Goodbye”, “Garota”, „Save Some Loving“ und „Who’s The Bad Guy Now“ sind allesamt von „Legao“, warten mit dieser entspannten, laid-back Grundstimmung auf, und funktionieren live bestens. Was mir bei Erlend immer auffällt ist, dass seine Kompositionen wahrlich nicht vor Innovation strotzen, was die Harmonien und Melodien angeht. Aber sie sind immer extrem stilvoll und elegant, unaufdringlich schön, und die Bandarrangements live sind ein Genuss. Jeder weiß, was er zu spielen hat, nix ist zu viel, alles wird immer zum richtigen Moment gespielt und ergibt einen wirklich hochwertigen Gesamtsound. Es kommt einem wie die einfachste Sache auf der Welt vor, so unspektakulär wird das von der Band vorgetragen, und doch ist es eine Seltenheit und ganz große Kunst. Sogar der Securitymann vor der Bühne in feinstem Anzug und Krawatte, wippt und grooved erkennbar mit.

Erlend Øye

Foto: Michael Haußmann

Andrea und Luigi kennen wir ja schon bestens von unseren Lieblingen Fitness Forever. Erlend kündigt sie als Musiker „from the amazing city of Napoli“ an. Beeindruckend zu sehen, wie perfekt sie in diesem anderen Kontext agieren. Alles stimmt, als hätten sie noch nie was anderes gemacht. Beeindruckend auch die skandinavische Fraktion. Einer spielt abwechselnd Bongos, Percussions und Posaune (waghalsige Instrumentenkombination), und das alles so relaxed und bombensicher, dass man sich beim Zusehen automatisch entspannt. Der Mann in der Mitte spielt abwechselnd Sax oder Querflöte, und steuert noch wunderbare Vokalharmonien bei. Der langbärtige Sigurður spielt dezent hauptsächlich Orgel, aber singt ebenfalls wie ein junger Gott.

Erlend Øye

Foto: Michael Haußmann

Nach diesen vielen Songs des neuen Albums, redet Erlend ein wenig über seinen derzeitigen Wohnsitz Italien, und dass er schon drei italienischsprachige Songs geschrieben habe. Ein ganzes Album wolle er in der Sprache produzieren, und wenn er in dem Tempo weitermache, könne das auch in 700 Jahren etwas werden. Das uns schon von dem Contronatura-Festival bekannte, sehr charmante „Dico Ciao“ wird mit Sigurður an der Gitarre und dem Querflötisten gespielt, naturalmente ohne die beiden Italiener, und verzaubert mit seiner sympathischen Naivität. Das Publikum tobt. Und hier kommt der zweite Neidfaktor auf München auf: was für eine unfassbar tolle Publikumsresonanz von Anfang an. Wir staunen Bauklötze.

„Peng Pong“ vom neuen Album wird ebenfalls in Trio-Formation dargebracht. Federleicht, wunderbare Gesangsharmonien. Siggi bleibt nun alleine auf der Bühne, um Erlends Mission isländisch als weltweite Gesangssprache zu etablieren nachzukommen, und trägt ein eigenes Stück vor. Auch dieses ist natürlich großartig, könnte fast schon aus den 70er und den USA stammen, so wie es klingt mit seinen leicht angejazzten Akkorden. Laut Madame Psychosis ein bisschen, als hätte man die Vorband mal kurz im Hauptset. Begeisterung im Publikum.

Erlend Øye

Foto: Michael Haußmann

Mit der ganzen Band geht es weiter mit der aktuellen Single und gig-blog-Sabines Legao-Lieblingslied „Rainman“, um danach mit „Remind Me“ einen Song von Röyksopp zum Besten zu geben. Leicht dubbiger Elektropop, stilistisch der nächste Bruch nach dem italienisch-isländischen Intermezzo, passt trotzdem bestens in den Gesamtkontext. Faszinierend wie dieser Abwechslungsreichtum an Stilen sich zu so einem harmonischen Gesamten zusammenfügt. Zusammengehalten von Erlends Stimme und Melodien.

„Upside Down“ kommt mit Karibikstimmung daher, nur die Steeldrums fehlen. Getanzt wird überall, auch auf der Bühne. Der Fachmann spricht wohl von kollektivem Spaß. Und das nimmt auch mit dem letzten Stück kein Ende. Erlend kündigt auf, immer besserem sei bemerkt, italienisch „La Prima Estate“ an, und alle rasten aus. Vanja meint noch zu mir, sie höre das Stück gerade zum ersten Mal, und fühle sich wie im Italienurlaub. Mission erfüllt für Erlend, genau das soll ja der Song in einem evozieren. Für Madame P. und mich als italophile gig-blog Fraktion rührend zu sehen, wie toll das beim Publikum ankommt.

Erlend Øye

Foto: Michael Haußmann

Und mit der ersten Zugabe bleiben wir in dem Mood. Gino Paolis „Sapore Di Sale“ wird solo von Signore Øye in seiner neuen Funktion als Italian music ambassador vorgetragen. Das Publikum schmachtet ein kollektiv gerührtes „Oooooooooohhh“ als Danksagung aus. Mit dem lange nicht mehr live gespielten „Every Party Has A Winner And A Looser“ geht der erste Zugabenblock entspannt zu Ende. Aber wir haben nicht genug, die Band muss noch mal zurückkommen, und gibt uns mit Whitest Boy Alives „Keep A Secret“ den Rest. Ruhiger Beginn, danach transformiert sich das Stück in eine Electrodance-Bestie. Besser geht’s nicht mehr.

Es gibt selten mal ein Konzert, bei dem wirklich alles stimmt, von der ersten bis zur letzten Sekunde – hier war es so.

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