TERRY LEE HALE, 22.09.2014, Wohnzimmer, Stuttgart

TERRY LEE HALE, 22.09.2014, Wohnzimmer, Stuttgart

Foto: Özlem Yavuz

House concerts are such a great way to experience music!

Terry Lee Hale, Americana-Urgestein und weitgereister Vagabund in Sachen Folk, ist ehrlich begeistert. Und das, obwohl er in mehr als dreißig Jahren Bühnenerfahrung doch schon einiges gesehen haben dürfte. Von verrauchten Clubs erzählt er im Laufe des Abends. Irgendwo in der Ecke habe er für zwanzig Dollar vier Sets spielen müssen, interessiert habe es niemanden. Seiner Website entnehmen wir, dass seine Musik erst mit seinem Umzug nach Europa die erhoffte Wertschätzung erfahren habe. Und dafür ist dieser Gig im wohlbekannten Rohr’schen Wohnzimmer sicher ein Parade-Beispiel.

Trotz des unfreundlich herbstlichen Montagabends hat sich die gute Stube mal wieder mit knapp fünfzig Gästen gefüllt. Der übliche Kreis hat sich eingefunden: Nachbarn, Musik-Aficionados aller Altersklassen, Studenten und natürlich: der Konzert-Kater Michl. Eines haben alle gemeinsam: die Liebe zur Live-Musik, am besten so unmittelbar und einfach wie möglich. Und alle lauschen hochkonzentriert dem charmanten Amerikaner mit seiner unwiderstehlichen Mischung aus ewigjunger Verknitztheit und weltmännischer Eloquenz.

TERRY LEE HALE, 22.09.2014, Wohnzimmer, Stuttgart

Foto: Özlem Yavuz

Aber dieses Maß an Aufmerksamkeit, das ist wohl etwas, an das sich selbst ein solch alter Haudegen wie Terry Lee Hale erstmal gewöhnen muss. Etwas nervös beginnt er sein Set, mit „The Long Draw“, dem Titel-Track seines aktuellen Albums. Aber dann entwickelt sich wieder genau diese Magie, die sich bei Club-Gigs nur ganz selten, bei Wohnzimmerkonzerten aber fast immer einstellt. Der Künstler spürt die besondere Anerkennung, das Publikum wiederum die außergewöhnliche Nähe und Direktheit. Ein zuerst unterschwelliger, dann tatsächlicher Dialog entsteht. Es fällt auf: die Künstler geraten ins Plaudern, erzählen ausgiebig Anekdoten. Ähnlich wie Pelle Carlberg, der an gleicher Stelle fast genau so viel erzählt wie gesungen hat, unterbricht Hale seinen musikalischen Vortrag immer wieder für längere Wortbeiträge.

TERRY LEE HALE, 22.09.2014, Wohnzimmer, Stuttgart

Foto: Özlem Yavuz

Und zu erzählen hat er wahrlich genug. Geboren in Texas, hat der Amerikaner sein Leben an vielen Orten der USA verbracht, bevor er 1993 nach Frankreich zog. Von seiner Zeit als Booker in Seattle berichtet er. Aber auch vom Äpfelpflücken in Illinois. Gemeinsam mit seinem Großvater habe er sein erstes Geld verdient. Und natürlich – fast schon ein Klischee – für seine erste Gitarre ausgegeben. Eine kleine Nachhilfe in amerikanischer Literatur gibt es obendrauf: „The Sad Ballad of Muley Grey“ beziehe sich auf die gleichnamige Person aus Steinbecks Klassiker „Früchte des Zorns“.

Und wenn er nicht gerade erzählt, stimmt er mit Hingabe eine seiner drei Gitarren. Mit drei Modellen und einer imposanten Auswahl von Effekt- und Loopgeräten produziert er einen sehr vielfältigen Sound, der das Genre Folk in vielen Spielarten ausleuchtet. Wenn er dann noch seine Mundharmonikas einsetzt, wird es richtig bluesig.

TERRY LEE HALE, 22.09.2014, Wohnzimmer, Stuttgart

Foto: Özlem Yavuz

By the way: it’s not as simple as it looks

stellt er klar, um sich dann – angesichts des erneuten Griffs zum falschen Instrument – grinsend zu korrigieren: Eigentlich sei es aber auch nicht so schwierig, wie es bei ihm aussieht.

Eigentlich bräuchten gute Songs ja keine Erklärung, fällt ihm irgendwann auf, aber eine Geschichte müsse er doch noch erzählen. Zu seinem neuesten Song nämlich. Eine ältere Dame aus seinem Bekanntenkreis sei kürzlich gestorben, ihre siebenjährige Enkelin habe darauf hin ein Gedicht für sie geschrieben und dies sei auch auf seiner Facebook-Seite gelandet. Es habe ihn inspiriert und binnen dreißig Minuten habe er dazu eine Melodie geschrieben. Und bei genau diesem kleinen, einfachen Lied zeigt sich die ganze Klasse des Meisters. Unprätentiös, unkitschig aber ergreifend intoniert er es. Einer der vielen Höhepunkte eines wunderbaren Konzertabends.

TERRY LEE HALE, 22.09.2014, Wohnzimmer, Stuttgart

Foto: Özlem Yavuz

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