KING BUZZO, 13.09.2014, Manufaktur, Schorndorf

King Buzzo

Foto: Steve Sonntag

King Buzzo, auch bekannt als „Buzz Osborne“, (bürgerlicher (Vor)Name lautet Roger) ist hauptberuflich Frontmann und Gründer der mächtigen US-Sludge-Combo (The)Melvins. Außerdem ist er die bekannteste Frisur im weltweiten Untergrund-Musik-Zirkus. Sein zwischenzeitlich ergrauter Jewfro ist legendär. Nach eigener Auskunft handelt es sich allerdings um eine Perücke – beim gleichen Haarsubstitut-Hersteller erworben, wo auch Howard Stern Kunde ist. Man weiß bei ihm nie was man wirklich glauben kann.

Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass eine Hand zum Abzählen der Melvins-Shows in der Manufaktur wohl nicht mehr ausreicht. Wenn man wie ich lange Jahre auf sein erstes Konzert hat warten müssen, und dafür dann immer noch eine weite Wegstrecke in Kauf nehmen musste, der weiß es richtig zu schätzen, dass sie ob als Bigband oder wie zuletzte „Lite“ und heute „Extra Lite“ (solo und akustisch) nach Schorndorf kommen.

Buzz ist Meister darin, die Marke Melvins immer in Bewegung zu halten, die Anzahl an Veröffentlichungen erschlägt einen geradezu. Teilweise muss das leider in die Richtung „Quantitiy stays, Quality goes“ gehen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Solo-Album erscheint. Dieses, genannt „This Machine Kills Artists“ hat er heute u.a. im Gepäck, auch wenn es tatsächlich nicht am Merch erworben werden kann. Vollständig habe ich es noch nicht gehört. Statt auf die Veröffentlichung zu warten habe ich mir vorab zwei der drei 10″s gekauft die jetzt zusammengefasst beim Mike Patton Label Ipecac als ganzes Album erschienen sind. Teil 1 der Trilogie gefällt mir sehr gut, Teil 2 erfuhr weniger Runden auf dem Plattenteller.

Buzz erscheint nur mit der Akustik-Gitarre und Marry-Poppins-Aufkleber auf selbiger auf der Bühne, die prominente Unterstützung in Form von Dave Curran von UNSANE (!) bleibt im Hintergrund und ist wohl für technische Details zuständig.

Wir bekommen einen kurzweiligen Mix aus Melvins-Stücken, diese gefühlt in der Mehrheit, neuen Solo-Sachen, Cover und Geschichten aus Jahrzehnten als tourender Musiker zu hören.

Buzz

Foto: Steve Sonntag

Das erste Stück, intensiv, schwer und lang, wahrscheinlich ein Melvins-Stück (Boris?). Ich hatte bei früheren Konzerten und Berichten regelmäßig Probleme mit den Titeln. Stücke zwar meistens bekannt, aber bei 30+ Alben wird’s dann doch schwierig mit dem Merken. Stück #2 wird später als Alice Cooper-Cover enttarnt, „Ballad Of Dwight Fry“. Kennt natürlich keiner, Alice Cooper jetzt nicht unbedingt auf dem Zettel des (zu kleinen) Publikums. Warum kennt das keiner, „because you don’t like good music“. Musikgeschmack vom Buzz eher konservativ, kaum etwas das nicht Jahrzehnte auf dem Buckel hat, ich habe schon genug Interviews und Listen von und mit ihm gelesen. Man kann ihm keine Beleidigung übel nehmen, weil es kommt immer die sympathische Maschinengewehr-Lache direkt hinterher und macht alles wieder gut. Das war ja meine Hoffnung – gerne ein Drittel der Show Gespräche, Anekdoten. Kommt fast hin. Immer wieder gerne kann man Buzzo-Zitate aus den Melvins-Shows vergangener Jahre auspacken oder aus den legendären Fantomas-Interviews (Allstarband mit Buzzo und Leuten von Slayer, Faith No More und Mr. Bungle) auf Viva2. Kann man jetzt nicht alles bringen, einfach auf die Konzerte gehen, und reicher an Anekdoten werden, die mit materiellen Gütern niemals aufgewogen werden können.

Die Aktuellste muss dann aber doch rein in den Bericht – wir haben die Wahl zwischen einer Iggy-Pop-Geschichte und einer über Mike Patton – beide sind „all time heroes“ vom Buzz. Zum Glück fällt die Wahl des Publikums auf die Patton-Geschichte. Mike Patton begleitet mich seit „The Real Thing“ (1989!), und ich habe selber schon Lustiges auf Konzerten von Bands um Mastermind Patton erlebt.

Zusammengefasst lässt die umfangreiche Erzählung Buzz als ignorantes Arschloch dastehen, Mike Patton als Held, der die Melvins als Vorband von Mr. Bungle in Kalifornien gerächt hat, wie es wohl keine zweite Racheaktion gegen ein Publikum gegeben hat. Die Melvins werden als Vorgruppe nicht von der Bühne gebuht, nein sie werden bereits beim Betreten der Bühne ausgepfiffen. Das muss ein US-Phänomen sein, ist mir in Deutschland kaum je begegnet, und ich war schon auf ein paar Konzerten. In Erinnerung ist mir nur geblieben, dass Soundgarden und Faith No More (Mike Patton) auf dem Wasen als Vorbands für Guns n’Roses ausgebuht wurden. Heute schwer nachzuvollziehen, wo Guns n’Roses höchstens in drittklassigen Möbelhäusern im Vorprogramm der Münchener Freiheit vorstellbar wären. Als die Melvins geschlagen die Bühne verlassen, ist Patton außer sich, zerreißt die Setlisten, und händigt den Mitmusikern Setlisten aus, auf denen nur steht „TONIGHT THEY WILL PAY!“. Das ignorante Publikum bezahlt mit einer Stunde „White Noise“, nur Lärm, alles auf Anschlag, und Patton der maskiert aus vollem Halse kreischt und spinnt. „The best Rock n‘ Roll moment of my life!„, erzählt Buzz. Das Publikum (3.000) ist total irritiert, weil sie es eigentlich gut finden müssen, Patton damals auf dem Zenit seines Erfolgs mit Faith No More. Die, die es noch gut finden, werden dann aber endgültig abgestraft für das Verhalten den Melvins gegenüber, als Patton die Hose runterlässt, sich einen zuvor vorbereiteten Einlauf verpasst, und die Ladung ins Publikum feuert. Buzz beschwört später den Wahrheitsgehalt der Geschichte. Kürzlich habe er mit Mike Patton über den lange zurückliegenden Vorfall bei einem Konzert dieser Tour gesprochen, und dieser konnte sich an die Entgleisung noch nicht mal mehr erinnern, was das Ganze noch besser macht.

Buzz

Foto: Steve Sonntag

Im Gegenzug beleidigt Buzz viele Jahre später aus Versehen Mike Patton, als Buzz das Faith No More-Cover von „War Pigs“ als schlechtestes Version des Klassikers aller Zeiten betitelt. Das kommt davon, wenn man nur Alice Cooper, Black Sabbath und „Black Betty“ hört – ich hätte das Cover sofort erkannt. „Because you don’t know new music“ gehört ihm gesagt. So von ca. 1990 dürfte das nicht unbekannte Cover von Faith No More sein…

Zurück zur musikalische Darbietung. Diese wächst wie ich finde. Buzz ist stimmgewaltig, ausgestattet mit einem Hals wie ein mittelstarker Baumstamm. Gitarrenskills werden von Gitarristen bescheinigt, ein anderer kritisiert, dass er die Akustische ja nur spielen würde wie eine Elektrische, kann ich nicht beurteilen, mir egal, klingen tut das ziemlich heftig und gut. Auch die ursprünglich sicher nicht für den akustischen Bereich geschriebenen Melvins-Stücke funktionieren teilweise echt super. Ich erkenne „Evil New War God“, ein relativ neues Melvins-Stück wieder. Buzz macht Sachen mit der Stimme, die man von ihm sonst nicht kennt, plus die Mimik und das seltsame Rumgelatsche, das ihm seine Frau Mackie (kreativer Kopf hinter sämtlichem Melvins-Artwork) nahegelegt hat, kleiden die Darbietung gelungen aus.

Musikalischer Höhepunkt ist für mich „Dark Brown Teeth“, ein ganz neues Stück von der Solo-Platte. Schnelles Geschramme hinter der mächtigen Stimme zu catchy Text. Überhaupt kommt der neue Stil live deutlich besser rüber, als auf dem Album, wesentlich mehr Dynamik. Was wieder an der Top-Akustik in der Manufaktur liegen kann. Woanders klingt es womöglich schwächer.

Die letzten drei Stücke erkenne ich eindeutig als Melvins-Material. „We are doomed“, relativ neu und von eingefleischen Fans als Highligt aus den Veröffentlichungen der letzten Jahre ausgezeichnet. Auch die Melvins haben kürzlich über das Label eines namhaften Automobil-Herstellers (Scion Audio Visual (Scion A/V)) eine EP namens The Bulls & The Bees kostenlos ins Netz gestellt. Was sich zunächst nach einem Tanz mit dem Teufel und wenig vielversprechend anhört, ist tatsächlich unter meinen top 5 Melvins-Veröffentlichungen.

„Hooch-Lite“ funktioniert weniger gut finde ich. Zwar ebenfalls in meinen top 5, wenn nicht 3, aber das Stück lebt vom ultra-schweren Riff, und da kommt diese Gitarre dann schon an die Grenzen.

„Revolve“ dagegen macht es wieder gut, fast besser als die normale Version, wirklich wie gemacht für die Akustikgitarre.

Fazit: Das unterhaltsamste „Melvins“-Konzert aller Zeiten in der Manufaktur, vielleicht sogar das Beste. Bis zum nächsten Mal wenn die neuen Melvins, die derzeit auch aus Butthole Surfern bestehen, nach Schorndorf kommen, und noch besser abliefern werden.

Buzz

Foto: Steve Sonntag

2 Gedanken zu „KING BUZZO, 13.09.2014, Manufaktur, Schorndorf

  • 15. September 2014 um 10:11 Uhr
    Permalink

    Buzz bezeichnete es ja noch als „greatest rock’n roll moment ever in history“, als Patton ins Publikum schiss. Dürfte schon hinkommen.

  • 15. September 2014 um 19:19 Uhr
    Permalink

    Top!

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