DARREN EEDENS, 03.05.2014, Galao, Stuttgart
Dream Pop, sanfter Folk, Singer-Songwriterei oder zarter Kammer-Pop: Die meisten Galao-Konzerte lassen sich irgendwo in diesem Stilquadranten verorten. Heute ist aber kerniger Roots Country und Bluegrass Sound angekündigt: Darren Eedens aus Toronto ist im Haus. Und es wäre nicht das Galao, wenn es nicht wieder eine kleine Überraschung gäbe: Auf der Bühne wird erstmal für ein Trio aufgebaut und wir fragen uns kurz, ob der Kanadier eventuell mit Band auftreten wird. Mitnichten: Es handelt sich um die walisische Band Leo’s Hide, die auf dem Focus Wales Festival gespielt hat, bei dem Eedens einer der Headliner war, und ihn nun auf seiner Europa-Tour begleitet.
Eine sympathische Truppe mit einem stimmgewaltigen Sänger. Sie starten – praktisch ohne Soundcheck aus dem Stand wohlklingend – mit einer Bluesrock-Nummer. Keyboarder Matt Moorey beeindruckt durch seine Virtuosität und Sänger Joseph Leo erinnert spontan an Andrew Strong oder Joe Cocker. Das Zusammenspiel der beiden Gitarren ist geschmeidig. Mit dem nächsten Titel nehmen Leo’s Hide dann das Tempo etwas raus und spielen ein paar Balladen bevor sie ihr Mini-Set mit einem klassischen Rock’n’Roll-Kracher im Stile von Jerry Lee Lewis beenden. Ein gelungenes Warmup.
Darren Eedens ist wohl das, was man einen Kauz nennt. Schon optisch bemerkenswert, der junge Mann: über und über tätowiert, pausbäckig mit gezwirbeltem Schnurrbart, Western-Hemd, altmodischem Filzhut und Kassengestell. Kein Hinweis darauf, welche Urgewalt in diesem Kerl steckt. Aber schon mit seinem ersten Titel legt er los, wie von der Tarantel gestochen. Er spielt das Banjo in einem Affentempo und singt in der typischen nasal-gepressten Intonation, die dieser altmodischen Country-Musik zu eigen ist. Nach gefühlten zehn Takten hat Eedens den Laden im Sack. Er durchschreitet die Bühne von einer Ecke zur anderen und wenn er gerade am Mikro vorbeikommt, oder es durch skurrile Verrenkungen erreichen kann, singt er hinein. Wenn nicht, singt er direkt in den Saal und es ist wahrhaft beeindruckend, welche Kraft dahintersteckt. Im fliegenden Wechsel ersetzt er das Banjo durch die Gitarre, singt beim Umstöpseln a capella weiter und leitet direkt in den nächsten Track über. Man ahnt es schon: das Gitarrenspiel ist ebenso frenetisch wie das des Banjos, das Tempo bleibt im Grenzbereich.
„Progressive Bluegrass“ nennt er seinen Stil. Aber das ist nicht nur ein musikalischer Leckerbissen, Eedens ist auch ein begnadeter Entertainer und Dampfplauderer. Liebe sei für ihn wie Wäsche waschen, am Anfang alles noch frisch und neu, aber schon nach ein paar Waschdurchgängen sei es irgendwie nicht mehr dasselbe. Insofern spare er jetzt auf ein paar neue Hosen. Oder der Song über die Ex-Freundin, die ihn übelst beleidigt hätte und er nun als Rache auf der ganzen Welt über die unappetitlichen Details der Trennung singe. Wohl wissend, sie damit richtig zu ärgern. Nachtreten per Musik quasi. Achja, und man möge doch bitte die CDs von Leo’s Hide kaufen, damit die endlich zurück nach Wales fahren könnten und ihn nicht weiter auf seiner Tour begleiten müssten. Seine eigenen CDs sollten wir natürlich auch erwerben, angesichts der Art, wie er sie mitgebracht hat, sollten wir aber im Falle eine Steuerprüfung bitte angeben, unser guter Freund Darren habe sie uns geschenkt.
Einschub. Mit Banjo-Musik habe ich eigentlich ein kleines Problem. Einerseits fasziniert mich der harte, perkussive Klang und die Virtuosität, mit der Banjospieler wie Darren Eedens praktisch zwei Melodien gleichzeitig raushauen, andererseits erzeugt Banjo-Musik bei mir immer einen gewissen Grusel. Der Grund dafür ist – ganz psychoanalytisch – in der Kindheit zu finden: Das heimliche Schauen des (auch aus Erwachsenenperspektive noch recht heftigen) inzestuösen Hillbilly-Gewalt-Dramas „Deliverance“, in dem die bedrohliche Atmosphäre fast allein durch die repetitiven Banjo-Melodien erzeugt wird, hat wohl bleibende Schäden angerichtet. Einige Versuche dies durch Besuche von entsprechenden Konzerten zu therapieren, sind grandios fehlgeschlagen: ob Frank Fairfield, O’Death, Woven Hand oder Slim Cessna – immer transportiert die Banjospielerei, vor allem wenn sie mit hohem Tempo betrieben wird, etwas manisches. Insofern ist der heutige Gig, auch wenn Eeedens nicht ganz frei von Wahnsinn ist, allein durch die Galao-Kuschel-Atmo und Eedens Humor ein therapeutischer Schritt in die richtige Richtung.
Leider sind Galao-Gigs zeitlich ja recht begrenzt und so endet der Auftritt schon nach einer guten Stunde und einer Zugabe. Allerdings hat Eeedens in dieser Stunde auch mehr Noten gespielt und Akkorde rausgehauen als andere in der doppelten Zeit. Und irgendwann hält es Eedens auch nicht mehr auf der Bühne: Er steigt über Tische und Stühle, spielt mal hier und mal dort und beendet seinen Gig inmitten eines Publikums, das komplett aus dem Häuschen ist. Und dass er bald wieder kommen möchte, da nehmen wir ihn beim Wort.
(Ein gut gemeinter Rat noch für den Besucher, der glaubte, jeden Song mit zwei oder drei „Yee-haws“ garnieren zu müssen: Witze werden durch permanente Wiederholung nicht witziger. Echt nicht.)