KING KHAN & THE SHRINES, 26.04.2014, Goldmark’s, Stuttgart
Das ist ja so eine Sache mit dem Superlativ. Übermäßiger Gebrauch der höchsten Steigerungsform fördert nicht gerade die Glaubwürdigkeit. Zudem lauert immer die Gefahr, dass das, was man eben noch als bestes, tollstes, schönstes gekürt hat, schon am nächsten Tag von etwas noch besserem, tolleren, schöneren übertroffen wird. Und so meide ich als umsichtiger Blogger Begriffe wie „das Konzert der Jahres“ tunlichst. Vor allem, wenn das Jahr gerade mal zu einem knappen Drittel rum ist. Trotzdem fällt es schwer, bei der Beschreibung des gestrigen Gigs von King Khan & the Shrines ohne Superlative auszukommen. Selbst routinierte Konzert-Besucher dürften diesen Abend als einen ganz besonderen in Erinnerung behalten.
Dabei hatte ich den kanadische Musiker mit seinem Garage Rock, den er schon mit verschiedenen Kombos zum Besten gab, bis letztes Jahr eigentlich eher nur peripher wahrgenommen. Mit „Idle No More“ lieferte er 2013 dann aber ein derart kraftvolles Album mit einer Mischung aus Garage Beat, Psychedelic, ganz viel Soul und etwas Gospel ab, dass es sich prompt unter meinen Top-10-Platten einnisten konnte. Youtube liefert ausreichend Beweise, dass die Shrines diesen opulenten Sound auch live liefern. Groß also die Vorfreude. Vor allem, als der Gig überraschend vom Universum ins Goldmark’s verlegt wird.
Kurzfristig wurden dann noch die Stuttgarter Wolf Mountains als Support hinzugenommen. Auch fein. Hat zwar mit King Khan stilistisch wenig gemeinsam, ist aber, was die Intensität des Auftritts betrifft, eine ähnliche Hausnummer. Und die drei legen mit Ihrer – hier und dort schon treffend beschriebenen – Punk-Beat-Surf-Disco-Melange auch gleich richtig heftig los. Dann aber verpassen ausgiebige Technikprobleme dem Tun einen herben Rückschlag und irgendwann gehen auch Schlagzeuger Kevin Kuhn die Pausen-Witzchen aus.
Sein intensives Trommelspiel lässt mich übrigens jedesmal um das Fell der Stand-Tom fürchten und erinnert mich – vermutlich wegen der fliegenden Haare und des irren Blicks – immer an das Animal aus der Muppet Show. Der omnipräsente Nerven-Musiker (vorgestern erst sahen wir ihn noch als Melvin Raclette im Schauspielhaus) sitzt übrigens in Unterhosen hinter seinem Schlagzeug, die Hose steckt zur Dämpfung in der Bass-Drum. Und es wird nicht das einzige Mal sein, dass Kleidung bzw. das Fehlen derselbigen diesem Abend eine besondere Note gibt.
Während ihres gut halbstündigen Sets hat sich das Goldmark’s jedenfalls komplett gefüllt, und das dichtgedrängte Publikum muss sich einen recht aufwändigen Umbau anschauen. Schließlich wird das Punk-Trio nun durch eine neunköpfige Soul-Band ersetzt. Der Stimmung tut die Pause aber keinen Abbruch.
Wie es einem echten Star gebührt, wird der Auftritt von King Khan von seiner Band mit einem Instrumental-Intro vorbereitet, und als er dann dann die ohnehin schon dicht besetzte Bühne betritt, wird klar: dieser Saal ist eigentlich zu klein für diesen Mann. Mit seinem halbmeterhohen Feder-Kopfschmuck staubt er die niedrigen Lüftungsrohre ab, während sein beeindruckender Bauch, der – auch hier eine kuriose Minimalbekleidung – unter seinem Leopardenfell-Umhang hervorlugt und den Zuschauern in der ersten Reihe beängstigend nahe kommt.
Das Set beginnt mit mehreren früheren Garage-Rock-Titeln und bringt das Publikum binnen kürzester Zeit zum Tanzen. Es ist aber weniger King Khans Gesangsvortrag, der die Qualität ausmacht, es ist seine exquisite Band. Sie produziert nicht nur einen druckvollen Sound im Stile einer echten Showband, auch unter den Mitmusikern befinden sich einige ausgewiesene Rampensäue, die immer wieder die Bühnenkante oder sogar den Ausflug ins Publikum suchen. Und sie vermitteln glaubhaft den Eindruck, dass sie Spaß an diesem Abend haben. Gitarrist Till Timm und Keyboarder Frederic Bourdil rackern wie die Wilden an der Bühnenkante.
Das Bläsertrio ist vom feinsten, setzt die fetten Akzente, wird aber auch zum dreiköpfigen Schellenring-Inferno oder Background-Sängern. Auch sie tragen neben der obligatorischen Zahn-Halskette einen Umhang, der sie in der Rückansicht wie drei groß gewachsene, gold-gewandete Ministranten aussehen lässt.
Ich gebe zu: eine vernünftige, geordnete Berichterstattung ist mir nicht mehr möglich. Allzu heftig hat der Gig mich wie die meisten Anwesenden mitgerissen: alles tanzt, es wird gecrowdsurft und mitgesungen. Der Schweiß fließt in Strömen. Kurzum: ein Live-Event vom feinsten mit höchstem Unterhaltungswert und intensivste Band-Publikum-Interaktion. Als sich dann gegen Ende des Konzerts eine euphorische Besucherin ihres T-Shirts entledigt und mit entblößtem Oberkörper in der ersten Reihe tanzt, wird das von der Band, die sicher schon einiges erlebt hat, zwar kurz registriert, aber irgendwie scheint es in diesem Hexenkessel schon fast normal.
>Als sich dann gegen Ende des Konzerts eine euphorische Besucherin Ihres T-Shirts entledigt und mit entblößtem Oberkörper in der ersten Reihe tanzt(…)<
Schade, auf den Fotos sind nur die Brüste von King Khan zu sehen… :(
Pingback: Berichterstattung: King Khan and the Shrines im Goldmarks | rockpopsoul
Toll! Toll! Toll! Und wie Katrin schon sagte: „Ich war dabei!“ Aber oder und, ich war auch nicht die enthusmiasierte Oben-Ohne-Tänzerin und trotzdem ich in der ersten Reihe stand, habe ich diese wohl verpasst. Dafür habe ich im tropfenden Schweiss des Keyboarders duschen dürfen, auch ein Erlebnis. :-)
Dieses Konzert zu toppen wird echt schwer.
schön, dass die immer noch so fetzen. war längere zeit recht ruhig um die truppe und ich dachte, die kommen nicht mehr rum. leider waren wir diesmal ein klein wenig zu spät und dann war schon alles ausverkauft. damn!