PONTIAK, 24.04.2014, Manufaktur, Schorndorf
Schön ist es ja immer, wenn die durch Fernsehen und Literatur geprägten Klischeeerwartungen im eigenen Kopf sich so kongenial mit der Realität ergänzen. Vorab bekommen wir vom Manufaktur-Werner zu hören, die drei Pontiak-Brüder seien nicht nur furchtbar nette Typen, sondern bewohnen auch einen Bauernhof in den Blue Ridge Mountains. Schon ist das Bild da, wie drei waldschratige Hillbillies in ihrem rostigen Dodge-Pickup sitzen, um einmal im Monat in das nächstgelegene Apalachen-Kaff zu fahren, um sich mit Tabak, Munition und Pestiziden einzudecken.
Und das Schöne ist, dass die kurz vor neun auf die Bühne kommenden Brüder auch genauso aussehen. Alle ähneln sich vom Gesicht her schon sehr, dann haben sie noch alle Bärte und zu Lichtheit auf der Platte neigende Frisuren, die sie sich eventuell auch selber schneiden. Wikipedia definiert einen Hillbilly noch als jemanden „der in den Bergen lebt, nicht groß was zu sagen hat, sich so anzieht, wie er es vermag“. Scheint fast alles zu stimmen, aber ihre Musik hat dann doch groß was zu sagen.
Ach so ja, Pontiak hatten wir ja schon mal hier auf gig-blog, aber die Erinnerung ist so gut wie weg. Schrieb ich damals was von psychedelisch, trifft das heute eher selten zu. Nachdem man vor dem ersten Ton Werner von der Manufaktur zugeprostet hat, gibt es vorrangig erdigen, manchmal leicht bluesigen Heavy Rock mit oftmals zweistimmigem Gesang. Dass die Kombination harte Gitarren mit zwei Stimmen überaus gut funktionieren kann, weiß man ja spätestens seit Alice In Chains. Klappt auch hier hervorragend, gibt den Songs was magisch-rituelles.
Mein persönliches Highlight ist gleich der dritte Song, ein richtig zäher, schwerer Brocken, der sich massiv und stumpf vorwärtswälzt und dabei immer mehr an Energie gewinnt. Ich sag mal fantastisch. Ebenfalls gefallen mir die Soli von Van Carney, die er aus seiner Gibson SG rausfidelt. Gitarrensoli können durchaus brauchbar einem Song was Besonderes geben, wenn man es richtig macht. Also so wie heute Abend.
Es gibt auch Raum für nicht so heavy Zeug, das sehr amerikanisch, fast schon nach Dylan oder Tom Petty klingt. Auch gelungen, aber finde ich jetzt nicht so besonders, als dass es mich besonders berührt hatte. Dann lieber die groben, harten Sachen, das können Sie richtig gut. Ab und an gibt es doch ein paar Effekte auf der Gitarre, die ein wenig Psychedelic-Rock in die Geschichte reinbringen, allerdings nicht sehr viel. Viel auffallender und prägend ist hingegen die oftmals auffällige Melodiösität der Stimmen.
Die wenigen Ansagen bestechen dann durch sehr ehrliche Sympathie. Die freuen sich tatsächlich über die Zuschauerresonanz, und über das deutsche Bier. Van erzählt noch, dass er das „Rothaus“-Bier sehr mag, und dass man ihm gestern in Heidelberg erzählt hat „this is for girls!“. Aber ihm schmecke es eben, er könne es auch nicht ändern. Mal was anderes als selbstgebranntes Korn, denke ich, meine Hillbilly-Fantasie weiterspinnend.
Dass das Trio noch mal für zwei Zugabenblöcke auf die Bühne zurückgeklatscht und gerufen wird, freut sie auch alle auf seine sehr ehrlich und berührende Art und Weise. Vor allen Dingen das letzte Stück, welches sie anscheinend seit zwei Jahren nicht mehr gespielt hätten, gefällt gut. Slidegitarre gibt es, einen bedächtigen Aufbau mit ruhigem, dreistimmigem Gesang, irgendwie hat das Ganze fast was von den Doors. Nach knapp einer Stunde ist es rum, und in meinem Kopf fahren die bärtigen Boys mit ihrem Pickup und dem Bandinstrumentarium auf der Ladefläche zum nächsten Stall Konzert.
Suchbegriff „Tabak, Munition und Pestizide“
Treffer bei gig-blog.net
Sehr schön, Text und Bild.