BIRTH OF JOY, THE RECALLS, 17.04.2014, Zwölfzehn, Stuttgart
Gestern war ja schon gut retro (hmm, „Gestern war retro“, ganz guter Spruch nebenbei bemerkt), heute verbleiben wir in Gefilden vergangener Musikepochen zitierender Bands. Mit der Vorband The Recalls mittendrin und satt in den 60ern, mit Birth Of Joy geht’s Richtung Ende der 60er, Anfang der 70er. War doch eh alles viel besser früher, und auch die Brezeln billiger und überhaupt…
Mit 40-50 Leuten ist das Zwölfzehn annehmbar gefüllt als es um 20:20 Uhr mit The Recalls losgeht. Die vier Jungs gehen das Thema 60ies konsequent an. Hemden, Hosen, Schuhe, Instrumente und natürlich die Musik sind konsequent auf diese erquickliche Dekade ausgerichtet. Harte Beatmusik gibt es. „You Really Got Me“ als grobe Orientierungsmarke, oder auch ein bisschen wie frühe Beatles. Mit Verve vorgetragen, gute Songs, aber mir sind auf Dauer so schlichte Rock’n Roller auf einem gleichbleibend lauten Dynamiklevel und ähnlichem Tempo einfach nicht meins. Oder anders am Beispiel Beatles ausgedrückt: Wenn ich die Wahl habe zwischen „Twist And Shout“ oder „The Long And Winding Road“ nehme ich letzteres. Aber Bloggerkollege Jens, der mehr in der Modthematik drin ist, wird in seinem Blog bestimmt wohlwollendere und passendere Worte finden als ich Genrefremdling. Aber den Zuschauern gefällt der halbstündige Auftritt gut.
Das niederländische Trio Birth Of Joy schwelgt ebenfalls in vergangenen Sounds, aber schon beim ersten Song, der um 21:20 Uhr ertönt wird deutlich, dass hier ein anderes Genre am Start ist. Schwerere Riffs, heavy Schlagzeug und Hammond, ein Refrain, bei dem Harmonisch-Moll die Melodie vorgibt, das ist alles mehr Heavy-Rock und kein Beat mehr.
Das wird auch beim zweiten Song deutlich. Bluesige Riffs auf Pentatonikbasis, durch die Orgel eine irgendwie 60er geartete psychedelische Melodik, Tempowechsel und Fill-Ins, eine Soundmischung irgendwie aus Led Zeppelin und Kula Shaker mit ein wenig Vanilla Fudge.
Ein weiteres untrügliches Zeichen, dass wir uns im Bereich „Rock“ befinden: Die instrumentalen Fertigkeiten stechen mehr ins Auge, zumal bei einer Trioformation. Steht bei „simpleren“ Musikformen wie eben bei Garage, Punk oder ähnlichem der Song und der kompakte Gruppensound im Vordergrund, dürfen bei komplexeren Musikformen auch die Instrumentalisten mehr zeigen, was sie so können. In diesem Fall Bob Hogeneist, dass er ein virtuos-präziser Schlagzeuger mit Wahnsinnsdruck ist, Gertjan Gutmann, dass er mit seinem Keyboard und der Hammond sowohl den Basspart übernimmt als auch mal kurz „Green Onion“ bei einem Solo anspielt, und Kevin Stunnenberg, dass er einiges drauf hat an der Gitarre.
Da es durchaus längere, jammige Soloparts gibt kann man begutachten, dass er durchaus mit dem Bottleneck umzugehen weiß, ein Wah Wah bedienen und mit dem Lautstärkeregler an seiner Stratocaster auch psychedelische Effekte hervorzaubern kann. Dabei sticht der in manchen Momenten wie der junge Celentano dreinblickende Kevin auch durch seine gute Stimme heraus. Vom Gitarrenlehrer gäbe es allerdings auf die Finger für die nur dreifingrig ausgeführten Soli.
Gegen Ende des Sets nehmen die schnelleren Rocksongs mit fast schon Boogie-Woogie-artigem Eindruck zu. Manche Parts erinnern dann wieder an die seligen The White Stripes, aber es gibt immer wieder längeres Rumimprovisieren. Das ist vielleicht auch mein einziger Kritikpunkt, vor allem im letzten Stück des Hauptsets war dieser Teil für meinen Geschmack etwas zuviel des Guten.
Toll hingegen ist „Grow“ vom neuen Album mit seinem schön straight-stumpfen Beat und den schweren, chromatischen Riffs. Ebenso die Zugabe das Doors-Cover „Backdoor Man“, in welchem noch „Five To One“ miteingeflochten wird. Rätselte ich bei De Staat noch, warum mir so wenige niederländische Bands bekannt sind, scheint sich das Problem langsam von selbst zu erledigen.