TURIN BRAKES, 09.12.2013, clubCANN, Stuttgart

Turin Brakes

Foto: Özlem Yavuz

Konzert-Jahresendspurt, man kommt ja gar nicht mehr mit dem Schreiben hinterher. Und Schuld an meinem gedrängten Konzertprogramm hat einmal mehr das Radioprogramm Arnd Zeiglers wunderbare Welt des Pop. Letztendlich war die Sendung der Auslöser nach Metz zu gehen, am Mittwoch zu Scott Matthew und heute Abend zu Turin Brakes. Falls ich einen Blogger-Burnout bekommen sollte, der Schuldige ist hier mit Vor- und Nachnamen klar benannt.

Das Cann ist für mich Neuland, aber prima Konzertlocation. Nette Größe, sehr gutes Bühnenlicht, ebenso guter Sound, und man kann sich voll der Musik widmen, weil kein Netzempfang. Eventuell auch bei einem Atomschlag the place to be.

We used to be Tourists

Foto: Özlem Yavuz

Eine Vorband, die netterweise den Turin Brakes auch ihr Equipment zur Verfügung stellt, spielt zuerst. Wobei sie ihr eigenes Schlagzeug samt Bandlogo gar nicht benutzen, sondern ein eher leises, akustisches Set spielen. We Used To Be Tourists heißen die zwei Herren und die eine Dame, und machen recht unaufgeregten Singer-Songwriter –Folk. Meine Sparte Musik ist das nicht, zumal WUTBT vielleicht auch einen Tick zu vorhersehbar in ihren Songs sind. Andererseits ist der Vortrag sehr gekonnt, sauber gespielt, und mit teils mehrstimmigen Stimmen auch sehr toll gesungen. Wobei nicht nur der sympathisch Benedikt Schmitz die Hauptvocals übernimmt, Isabell Meiner, die hauptsächlich Klavier spielt, kann das auch. So geht die halbe Stunde dann doch recht angenehm und abwechslungsreich genug vorüber.

Das Cann ist, als gegen 21 Uhr Turin Brakes auf die Bühne kommen, ganz gut gefüllt, aber man hat noch genügend Luft um sich herum. Hatte aufgrund des relativ hohen Ticketpreises befürchtet, das könnte hier leer werden, aber die Band hat nach 14 Jahren sich wohl eine ausreichend große Fangemeinschaft erspielt. Schön.

Live hat sich das Duo mit dem nach San Francisco-Hippie aussehenden Bassisten Eddie Myer und mit Schlagzeuger Rob Allum verstärkt. Letzterer trommelte schon für niemand Geringere als The High Llamas und Add N To X. Und von der Musik her ist das jetzt schon deutlich mehr mein Ding. Kennen tu ich zwar nur das Album „Ether Song“, aber das macht gar nichts. Die Kompositionen sind ausgefeilt, wohlarrangiert, und haben trotz des relativ unspektakulären Grundsounds und Musikstils, noch genügend Brüche und Harmoniewechsel, welche die Musik immer noch spannend halten.

Turin Brakes

Foto: Özlem Yavuz

Prägend ist natürlich die Stimme von Sänger Olly Knights, die sehr hell ist, so dass manches Lied wie eine Mischung aus ganz frühen Muse oder Radiohead zu The Bend- Zeiten mit den straighteren Americana-Songs von Calexico klingt. Singen können sie aber alle, so gibt es manchmal Passagen mit vierstimmigen Gesang, und die klingen natürlich saugut.

Die ersten vier Songs sind auch die ersten vier Songs des neuen Albums „We Were Here“, wobei mir vor allem der Übergang von „Dear Dad“ zu „Blindsided“ gefällt, der mit seinem Slidegitarrensolo samt getragenem Tempo und Akkordabfolgen schön an alte Pink Floyd-Sachen erinnert.

Turin Brakes

Foto: Özlem Yavuz

Den ganzen restlichen Abend kann man dann so zusammenfassen: Vielleicht nicht die aufregendste Musik der Welt, aber tolle Kompositionen, in Perfektion vorgetragen von herausragenden und sehr sympathischen Musikern, das alles bei bestem Sound und Licht. Was gibt das? Genau – einen wunderbar angenehmen Abend, an dem die Band jeden hier begeistert hat. Drei Zugaben reichen dann nicht, die Jungs müssen noch einmal für zwei weitere auf die Bühne zurück kommen. Wobei das abschließende „Goodbye“, welches Lou Reed gewidmet ist, mein persönlicher Höhepunkt ist. Ein ganz wunderbarer, berührender Song, mit einem Slidegitarren-Solo, das einem durch Mark und Bein geht. Zum Heulen schön ist das, und so mucksmäuschenstill wie bei diesem Song habe ich selten ein Publikum erlebt.

We Used To Be Tourists

Turin Brakes

5 Gedanken zu „TURIN BRAKES, 09.12.2013, clubCANN, Stuttgart

  • 10. Dezember 2013 um 10:17 Uhr
    Permalink

    Ich wäre gern gegangen aber die Preistreiberei mach ich nicht mit. Fan seit der ersten LP The Optimist 2001. Sie wurden aber nie wirklich groß, Gott sei Dank. Nur dann in nen Jugendhaus solche Preise ist mir irgendwie schleierhaft.

    Toller Bericht Lino und großartige Fotos Özlem. Toll

  • 10. Dezember 2013 um 10:39 Uhr
    Permalink

    Schöner Bericht – für einen (noch) nicht so eingefleischten TB Fan auch durchaus verständliche kleine Einschränkungen im Lob.
    Ich kann das neue Album einfach nur wärmstens weiter empfehlen -all killer, no filler! Und ach… Einfach mal den gesamten wunderbaren Backkatalog quer hören und dann gibt sich das auch noch mit der „vielleicht nicht aufregendsten Musik der Welt“ ;-)
    Mein Fazit des Abends: zu Unrecht (aber glücklicherweise!!) größtenteils unbekannt gebliebene Sympathieträger mit einem überragenden neuen Album spielen alle meine Lieblingslieder, verzaubern mich und meine Freundin komplett und hey (an alle Preisnörgler): 22€ für „diese“ Band sind echt nicht zu viel!!!

  • 10. Dezember 2013 um 12:33 Uhr
    Permalink

    Wow, das ging ja ganz schön schnell! Vielen Dank für den wunderbaren Bericht, der sich so beinahe 100 % mit meinen persönlichen Eindrücken deckt, nur dass ich es nicht so schön hätte zu „Papier“ bringen können! Und natürlich auch großes Lob für die Bildchen!

  • 11. Dezember 2013 um 07:33 Uhr
    Permalink

    Tolle Fotos! (Vielleicht sollte man die mal anderen Veranstaltern zeigen. Sowas ist möglich, wenn es gutes Licht gibt ;) )

  • 11. Dezember 2013 um 09:17 Uhr
    Permalink

    gestern im Goldmark’s dann wieder das Gegenbeispiel. Wirklich stockdunkel mit ein wenig fahlem Rest-Rot.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.