DE STAAT, 11.11.2013, Goldmark’s, Stuttgart

De Staat

Foto: Özlem Yavuz

Als Geograph denkt man ja gerne in thematischen Karten, und da bietet sich der heutige Abend prima dazu an, mal darüber zu sinnieren, wie so eine Landkarte nach Musikbands-Herkunft aussehen würde. Zu den Niederlanden dauert es eine Weile bis die ersten Neuronen vernünftige Meldungen abliefern, vorwiegend 70ies Hits. „Focus“ mit ihrem Hocus Pocus, „Teach In“ mit dem famosen Ding A Dong, und „Golden Earring“ mit ihrem Radar Love. An aktuellen Künstlern fallen mir schlußendlich nur Wim Oudijk, und Jacco Gardner ein, dessen sehr tolles „Cabinet Of Curiosities“ zu meinen Lieblingsalben 2013 zählt. De Staat sind also die sechste niederländische Band, die ich heute Abend bewusst kennenlernen werde. Das Internet meint, der große Chris Goss hätte die Band auf einem Festival „entdeckt“, und gleich mal einen Plattenvertrag vermittelt. Gibt schlechtere Referenzen.

Pünktlich wie der erste Novembermißmut legt die Vorband „Amora Hope“ aus Stuttgart um 20 Uhr los. Ca. 30-40 junge Menschen sind anwesend, und erleben fünf blutjunge Kerle, die sehr engagierten Alternative-Rock (Emo?) spielen. Klingt extrem professionell, nach Radio und großen Stadien. Jetzt wieder das alte Problem: was schreibt man, wenn man merkt, dass da sehr junge Menschen extrem gut und mit viel Hingabe spielen, aber man mit dem Musikstil absolut gar nix anfangen kann? Also man so wirklich gar keine Verbindung dazu hat, und sich plötzlich 300 Jahre zu alt fühlt? Man verweist am besten Interessierte auf ihre Homepage, wünscht viel Glück für die Karriere, um, wenn das Ding durch die Decke geht, sich als Fan der ersten Stunde zu outen, und man hat’s ja eh schon immer geahnt usw. usf..

De Staat

Foto: Özlem Yavuz

Bisschen verunsichert bin ich jetzt ja schon. Wie so oft war nur ein Song die Entscheidungsgrundlage, um aufs Konzert zu gehen. Jetzt, all diese jungen Leute, diese Vorband mit diesem Sound, hoffentlich geht das mal gut. Aber tut es. Also so richtig, so mit absolut überragendem Auftritt plus höchstspannender Musik.

Auch hier sind wieder sehr junge Menschen am Werk, aber ganz anderer Sound. Als hätte man von Bubble Tea schlagartig auf Cognac gewechselt. Das Quintett um Sänger Torre Florim legt gleich mal mit einem Song los, der ein wenig an die QOTSA erinnert. Aber nur ein wenig, denn die Musik von De Staat ist nicht so düster. Also schon auch dreckig, und man hört auch ein wenig den Blues ab und zu schmutzig hervorlärmen, aber dann eben doch anders.

Die Musik ist immer sehr rhythmisiert, eher mit so abgehackten Grooves, als schwebend-flüssige Begleitungen. Weitere Zutaten: die Gitarren werden oft runtergestimmt, um einen schweren Sound zu erzeugen. Ein Korg sorgt ab und an für Sounds, die an Krautrock erinnern. Und tatsächlich gibt es Parts, die mit ihrer zwingenden Stumpfheit großartig krautig klingen. Teilweise könnte man meinen, eine extrem gelungene Melange aus QOTSA, White Stripes, den frühen Arctic Monkeys und den seligen LCD Soundsystem zu hören.

De Staat

Foto: Özlem Yavuz

Viele Songs werden nicht unbedingt klassisch gesungen, obwohl die Band das auch mehrstimmig kann. Sondern eher so spoken words mäßig intoniert. Bei einem Stück ist es fast schon Rap-Gesang. Weiteres Highlight ist ein schwerer Psycho-Blues, oder so was. Alles mit einer unglaublichen Wucht und Spielfreude präsentiert, kann einen gar nicht kalt lassen. Vielleicht ist das ja auf Platte nicht so spannend, weiß ich nicht, live nimmt es einen mit. Moderne Rockmusik, die trotzdem nach altem Holz riecht.

Zu seinem „favourite german word Zugabe“ kommt Torre wieder auf die Bühne zurückgetänzelt, und gibt uns noch zwei mit. Als letzter Song ein schnelles Rockstück, samt Hupentönen aus einem Originallenkrad, das als eigenständiges Instrument auf einem Ständer platziert ist. 70 Minuten beste und musikalisch interessante Unterhaltung. Ist meine persönliche musical map bestens bereichert worden heute Abend.

De Staat

Amora Hope

2 Gedanken zu „DE STAAT, 11.11.2013, Goldmark’s, Stuttgart

  • 13. November 2013 um 11:06 Uhr
    Permalink

    Respekt ihr beiden, sowohl Text als auch Bilder sind brilliant!

  • 14. November 2013 um 15:32 Uhr
    Permalink

    Kann ich mich nur anschließen: feiner Bericht, tolle Fotos! Was das Thema „holländische“ Bands betrifft, da kann ich noch etwas nachliefern: in den Achzigern waren natürlich The Nits und Gruppo Sportivo ganz groß. Und heute kommt die beste europäische Early-Reggae-Band aus Holland: The Upsessions.

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