ICELAND AIRWAVES, 30.10.-03.11.2013, Reykjavik, Island

youngheartsrunfree

Foto: Carsten Weirich

Das Jahr neigt sich mal wieder dem Ende entgegen. Für viele ein Grund zu trauern… kurze Tage, wenig Sonnenlicht und so. Ist mir alles schnuppe, denn für mich geht es nach Island zum Iceland Airwaves, jetzt schon zum vierten Mal in Folge. 2009 wurde ich quasi angefixt – von Frau W. und dem Schmoudster. So richtig wundervoll soll es da sein, haben sie mir damals berichtet. Tolle Natur, tolle Menschen und tolle Musik. Und ja was soll ich sagen, Recht haben sie gehabt. 2010 habe ich es dann selbst erlebt. War gleich voll druff auf Island. Und komme da nicht mehr runter. Macht ja auch nichts, ist ja nicht gesundheitsschädlich oder so. Bissle ins Geld geht es zwar schon, aber egal. Das verheimliche ich einfach vor mir selbst.


polarlights

Foto: Carsten Weirich

Die Reisegruppe Airwaves ist von wechselnder Besetzung, aber mittlerweile immer so um die zehn Mann stark. Diesmal kommen wir auf neun. Schon beim Landeanflug auf Reykjavik überkommt mich ein warmes Gefühl. Irgendwie bisschen wie heimkommen. Am Flughafen decken wir uns erstmal palettenweise mit Bier ein. Ist hier vergleichsweise günstig. Auch so ein Tipp der ersten Stunde. Den Whisky haben wir selbst mitgebracht. Der ist wichtig hier, so zum aufwärmen und so. Kann hier manchmal recht zugig werden. Wie die Jahre zuvor, verbinden wir das Airwaves auch diesmal wieder mit ein paar Tagen durch das Land fahren. In die Westfjorde geht’s diesmal, bis hoch ins abgelegene Suðureyri. Atemberaubend schön ist es da. Wir dürfen die wunderschönen Polarlichter sehen, battlen uns mit einem unserer Gastgeber (kirgisischer Wodka gegen isländischen), wandern durch zauberhafte Schneelandschaften, sehen Seehunde, baden in diversen Hotpots, treffen wunderbare Menschen, trinken viel zu viel Alkohol, verwechseln Privathäuser mit Hotels (entschuldigung Svavars Ex-Schwiegermama) und speisen wie die Könige. Nach fünf Tagen geht es dann im Schneegestöber über windige Bergpässe zurück nach Reykjavik. Nervenaufreibend für manche.

Dort schaffen wir es gerade noch unsere Festival-Armbänder abzuholen. Gar nicht mal so viel los in der Stadt. Wirkt alles recht ruhig. Noch. Denn am Wochenende wird es hier komplett anders aussehen. Nach einem opulenten (auch preislich) isländischen Tapas-Mal geht es erstmal ins Harpa wo FM Belfast unser persönlicher Festival-Opener wird. Und klar, die sind klasse wie immer. Auf Tonträger zieht das irgendwie nicht mehr so arg bei mir, live ist das ganz anders. Die Isländer hüpfen über die Bühne und machen einfach nur gute Stimmung mit ihrem elektronischen Indie-Pop. Zu „Underwear“ fallen wie immer  die Hosen der männlichen Protagonisten, es regnet Konfetti und Toilettenpapier und selbst der letzte Tanzmuffel schwingt immerhin noch lässig hin und her. Am Besten ziehen aber immer noch die Songs ihres Debüts „How to Make Friends“. Der Rest geht aber auch ganz gut. Toller Auftakt würde ich sagen. Das begießen wir noch mit ein paar Bier.

gullfoss

Foto: Carsten Weirich

Den nächsten Tag nutzen wir für einen kleinen Ausflug. Ein kleiner Kratersee, der imposante Geysir Strokkur und der atemberaubend schöne Wasserfall Gullfoss stehen auf dem Programm. Kenne ich zwar schon, kann ich aber gar nicht oft genug sehen. Erst am Abend geht es dann mit Musik weiter. Uns zieht es ins Gamla Bíó, ein ziemlich schönes Theater (vermute ich jedenfalls). Eigentlich wollen wir Anna von Hausswolff sehen. Wir sind aber früh dran und so komme ich noch in den Genuss von Samaris. Das isländische Trio um die Sängerin Jófríður Ákadóttir macht ungewöhnlichen und äußerst sphärischen Elektro mit Klarinette. Der Saal klatscht sich zwischen den Songs vor Begeisterung die Hände wund. Die Band nimmt es angenehm zurückhaltend zur Kenntnis. Jófríður haucht mehr als dass sie singt und sieht dabei ungemein gut aus. Alles klar, das Album wird am nächsten Tag im 12 Tónar, dem tollsten Plattenladen der Welt, gekauft.

Als Anna von Hausswolff die Bühne betritt, sind wir also schon in 1a-Stimmung. Kenne bisher nicht wirklich viel von der Schwedin, aber vor allem das wunderschöne „Track of time“ hat es mir sehr angetan. Tolle Stimme, oft zurückhaltend und sanft, aber dann plötzlich volle Kraft nach vorne. Die Band ordnet sich im Halbkreis an und Anna von Hausswolff nimmt außen am Rand Platz. Popmusik ist das irgendwie schon, gleitet aber manchmal ins schraddelig Rockige, fast schon Psychedelische. Ich mache mir erstmal ein mitgebrachtes Dosenbier auf, genau wie das sicher schon über 60-jährige, seriöse Paar neben mir. Anna von Hausswolff erinnert mich manchmal an das Tier in der Muppetshow, wenn sie ihre Haare wild schüttelnd in die Orgeltasten haut. Irgendein durchgeknallter weiblicher Fan legt sich neben ihr auf die Bühne. Scheint dem Drogenkonsum nicht ganz abgeneigt zu sein. Wird dann aber recht schnell von den freundlichen Securities nach draußen begleitet. Auch die anderen Fans sind begeistert. Aber von weiter weg. Tolle Sache das Konzert. Natürlich wird auch das noch mit ein paar Bier begossen. Sind ja nicht zum Spaß hier.

babalu

Foto: Carsten Weirich

Der Freitag beginnt mit einem kleinen Bummel durch Reykjaviks Bezirk 101. Haufenweise nette Läden und Cafés gibt es hier. Das Café Babalu ist uns dabei das Liebste. Wenn es sowas nur in Stuttgart geben würde. Wir erklimmen den Turm der Hallgrímskirkja und schauen hinunter auf die vielen bunten Dächer der Stadt. Wir shoppen im wundervollen 12 Tonar und wollen im Anschluss John Grant im KEX sehen. Wir sind etwas zu spät dran und haben keine Chance mehr reinzukommen. Gut, dass die meisten Bands auf dem Airwaves nicht nur einmal spielen. Dann halt abends ins Harpa. Im Lucky Records Store will ich eigentlich Adrian Crowley sehen. Weil mich sein Song „The wishing seat“ im besten Film des Fantasy Film Festes „Love Eternal“ aus den Socken gehauen hat. Wir sitzen auf dem Boden, kredenzen uns einen Gratiskaffee und bestaunen die tollste Toilette Reykjaviks. Ein Klavier steht direkt neben der Schüssel und an den Wänden hängen Plattencover, die einem Kind der 80er einen waschechten Trip Down Memory Lane bescheren: Bros, Rick Astley, Milli Vanilli… und okay, auf dem Lokus hängen die ja auch nicht verkehrt. Die guten Sachen haben sie ja im Laden selbst aufgehängt. Als dann pünktlich auf die Minute der Künstler die Bühne betritt, bin ich verwundert. Ganz schön alt der Gute. Hab ihn mir irgendwie jünger vorgestellt. Moment mal, das ist doch gar nicht Adrian Crowley. Das ist Donál Lunny, wie die charmante Ansagerin bekannt gibt. Sauber, spontane Planänderung… Adrian Crowley haben wir genau verpasst. Na gut, dann halt Irish Folk. Ist ja für einen guten Zweck, denn die sind alle bei „Young Hearts Run Free“, einer Organisation, die sich um Obdachlose kümmert.  Musikalisch gut wird es gegen Ende, als Adrian Crowley, Conor O’Brien und Katie Kim auf die Bühne kommen und bissle mitmischen. Egal, auch der Adrian spielt nochmal.

johngrant-1

Foto: Carsten Weirich

Wir futtern im legendären Sea Baron die beste Hummersuppe der Welt und diverse Fischspieße und ziehen dann zurück ins Hotel, bissle die Beine hochlegen und entspannen. Abends sehen wir dann doch noch John Grant im Harpa. Unglaublich sympathisch ist der und musikalisch vielfältiger als ich dachte. Kannte nur ein paar ruhige Songs mit Gitarre. Der kann aber auch mit bissle Umtz Umtz, also so elektronisch meine ich. Wunderbare Texte hat er auch. Mein Lieblingssatz: „I wanted to change the world, but I couldn’t even change my underwear“. Toller Typ.

Verschnaufen können wir im Anschluss nicht wirklich. Müssen weiter zu Mariam The Believer, mal wieder im Gamla Bíó. Indierock machen die Schweden, mit bisschen Hang zum Hippieesken. Eigentlich gar nicht so meine Baustelle. Mariam gefällt mir aber ziemlich gut. Singt mit viel Inbrunst und Faust Richtung Hallendecke. Sauber.

retrobot

Foto: Carsten Weirich

Den Abschluss für heute machen die Isländer Retrobot im Amsterdam. Ist eher eine kleine Bar. Man steht also automatisch rechtweit vorne. Ich erwarte melancholischen Synthpop, kriege aber äußerst tanzbaren, stampfigen Elektro mit poppigem Gesang um die Ohren. Mein Tanzpartner Huiss und ich geben schon nach ein paar Minuten Vollgas und zappeln ab wie bescheuert. Voll gut. Ausklingen lassen wollen wir den äußerst gelungenen Abend in der Lebowski Bar. Halloween wird da auch gefeiert und so kommt es, dass wir Catwoman sehen und eine japanische Schwertkriegerin und Zombies und weiß der Kuckuck was. Wir drehen das Glücksrad unzählige Male und gewinnen Bier und White Russians. Die Nacht wird dann am nächsten Tag wie ein Puzzle konstruiert. Jeder weiß bissle was, keiner weiß alles.

Dementsprechend spät beginnt der Samstag bei den meisten. Bissle rumbummeln, was essen, auf den Fischmarkt gehen und so. Gegen Mittag spielt diesmal wirklich Adrian Crowley und zwar im Volcano House. Seine oft poetischen Texte begleitet der Ire mal mit der Gitarre und mal mit dem Klavier. Ich mag seine Stimme und versinke leicht verkatert und etwas müde in seiner Musik.

Nach einem Zwischenstopp im Hotel und einem letzten gemeinsamen Abendessen der ganzen Gruppe (die Hälfte verlässt uns schon heute Nacht) pilgern wir zu Byrta im Þjodleikhuskjallarinn. Der erste Song der Faröer kommt noch eher mit angezogener Handbremse, ab dem zweiten geht es aber ab. Klasse tanzbarer und poppiger Elektro bringt den Saal zum beben. Guðrið Hansdóttir und Janus Rasmussen (besser bekannt durch seine Band Bloodgroup) heizen ordentlich ein während drei Backgroundsänger den Gesang verstärken.

Den Abschluss macht Zola Jesus, mal wieder im Gamla Bíó. Wir sind schon ziemlich müde und müssen uns ein wenig zwingen, wird sich aber lohnen. Die 24-Jährige schmettert Songs wie „Night“ oder „Vessels“ mit solcher Kraft und Inbrunst, dass es einem fast den Atem verschlägt. Rockig düster und mit viel Melodie. Nicht zu vergessen, dass sie dabei über die Bühne hüpft und springt wie ein Derwisch. Direkt vor uns sitzen drei Mitglieder von Retro Stefson, die dann aber nach der Hälfte des Konzertes die Segel streichen. Wir bleiben bis zum Schluss und sind schwer beeindruckt. Das obligatorische Feierabendbier bleibt heute allerdings aus. Die Kraft lässt nach.

Den Sonntag verbingen wir in der Blauen Lagune. Fast 40 Grad warmes Wasser und Swim-In-Bar inmitten von schwarzen Vulkangestein, da lässt es sich ganz gut entspannen. Wir sind erst abends zurück in Reykjavik und viel zu müde um noch was anzuschauen. Spielt auch nichts mehr wirklich Interessantes. Um 4 Uhr wird dann auch der Wecker klingeln… Rückflug und so. Wie immer habe ich nicht alle Bands gesehen, die ich mir vorher rausgepickt habe. Bin ja quasi der Streber unserer Airwaves-Gruppe und höre mir immer alle Bands vorher schon durch. Man kann halt nicht alles haben.

Was bleibt ist die Erkenntnis, dass Island das schönste Land der Welt ist und ich auch 2014 wieder am Start sein werde, wenn das Iceland Airwaves in die nächste Runde geht.

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Foto: Carsten Weirich

9 Gedanken zu „ICELAND AIRWAVES, 30.10.-03.11.2013, Reykjavik, Island

  • 13. November 2013 um 08:43 Uhr
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    Aaaalter, da wird dir dann halt auch noch ’ne Plattform geboten, um deinen schmerzhaften und leider viel zu schönen Kram im Internetz zu verewigen. Sauerei!

  • 13. November 2013 um 09:19 Uhr
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    …kann ich nicht weiterlesen, muss ich heulen !! vor allem wenn du sagst, es sei wie „heimkommen“ – genau! ich les den artikel schon nochmal auch zu ende, keine sorge – und vielleicht sind wir in 2014 auch endlich mal dabei ? auf der wunschliste steht’s ganz oben.

  • 13. November 2013 um 11:05 Uhr
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    Geschieht Dir ganz recht David! Soll Dir auch eine Lehre sein. Nächstes Jahr mitkommen… beide! Und ja Regine, auch hingehen. Ist toll da!

  • 13. November 2013 um 16:10 Uhr
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    Sehr, sehr, sehr, sehr schön!

  • 2. Dezember 2013 um 21:01 Uhr
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    Nachdem es die letzten 3 Jahre nie geklappt hat wurde für nächstes Jahr nun einfach ein paar Early-Bird-Tickets bestellt.

    Vielleicht haben die Iceland-Airwave-Veteranen hier vom Gig-Blog ja ein paar Tipps, was Flüge, Unterbringungen und Sonstiges angeht!?

  • 2. Dezember 2013 um 22:11 Uhr
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    Haste Flug und Ticket nicht im Package bestellt? So mache ich das immer. An Hotels kann ich das Hotel Fron sehr empfehlen. Zentral, günstig und gut. Am Flughafen mit Alk eindecken!

  • 2. Dezember 2013 um 22:22 Uhr
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    Bestellt noch nicht, da hatte ich mich eben vertippt, das ’wurde’ sollte eigentlich ’werden’ heißen; wir sind gerade am schauen.
    Die Package-Flüge gehen ja immer nur ab FFM und M, oder? Scheinen aber schon die geschickteste/günstigste zu sein…

  • 26. Juni 2015 um 10:08 Uhr
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    Hey Bro,

    durch Zufall auf Deinen Bericht hier gestoßen und fast in Trance gelesen. Hört sich an, als müsste ich meinen Süden mal gegen den hohen Norden rauschen.
    Bis demnächst.

  • 26. Juni 2015 um 10:10 Uhr
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    …sollte natürlich „tauschen“ heißen ;)

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