TURBOSTAAT, 13.10.2013, Club Zentral, Stuttgart
„Jeder, der in diesem Raum ist, will unbedingt hier sein heute Abend“, fasst Sänger Jan Windmeier gegen Mitte des Gigs zusammen. Profane Feststellung, aber Recht hat er. Anders als bei manchen anderen Konzerten in Stuttgart, bei denen die Hälfte der Leute zum Quatschen da ist, ist das Publikum beim Auftritt von Turbostaat aber so was von komplett bei den fünf Jungs aus Husum.
Turbostaat: Auch so eine Band, die ich immer gut fand, aber nie so richtig intensiv gehört habe. Leider, muss ich nach heute Abend sagen. Denn wenn mich überhaupt irgendwas an dem Konzert gestört hat, dann die abartigen Temperaturen im Club Zentral („Den Contest für den heißesten Auftritt der Tour hat Stuttgart schon mal gewonnen“) oder der furchtbar organisierte Ausschank.
Der Auftritt und die Band dagegen: Ja, Mann. Husum, verdammt. Schon so nach zwei Liedern haben mich der Jan mit seinem wütenden Organ und seine tight aufspielenden Hintermänner voll überzeugt. Ob das jetzt Punkrock ist oder schon zu poppig? Waren die früher nicht viel authentischer? Wen interessieren solche Fragen an den Verstand noch, wenn das Herz längst erobert ist. Wenn bis in die letzte Reihe mitgesungen wird. Wenn am Ende vielleicht insgesamt fünf Leute ihr Handy für ein Foto gezückt haben. Wenn Jugendliche von Lichttraversen hängen und die Songtext mitschreien. Wenn Refrains so einfach sind, dass sie jeder beim zweiten Mal mitgrölen kann.
Kompromisslos gradlinig sind Texte und Songwriting, kompromisslos wird das Set heruntergerockt, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, hier schnell wieder rauszuwollen. Ganz im Gegenteil: Weniger labern heißt mehr schaffen. Da sind Husum und Schwaben auf einmal gar nicht so weit voneinander entfernt. „Guten Tach“, lautet die trockenen Begrüßung vom Jan, bevor „Der Frosch hat’s versaut“ vom insgesamt super Album „Vormann Leiss“ kommt. Kompromisslos übrigens auch der Turbostaat-Tourbusfahrer.
Die Songs vom aktuellen Album Stadt der Angst wie „Snervt“, „Tut es doch weh“ oder „Phobos Grunt“ fügen sich nahtlos ins Set mit „Das Island Manöver“ oder „Harm Rochel“ letzteres mit der epischen Textzeile, die jeder ernsthaft sorgende Vater im Schlaf aufsagen können sollte:
Leb doch mehr wie deine Mutter / leb bloß nicht wie ich!
Die Songs klingen alle irgendwie ähnlich? Ja, aber alle gut, also was soll’s. Dass Turbostaat seit ihrer Gründung 1999 bis heute eine stringente Linie fahren, beweist auch die Struktur des Publikums: Jugendliche stehen neben Indieveteranen, Altpunker neben jungen Mädels, Rastas neben Familienvätern. Muss man auch erst mal hinbekommen, den 16-jährigen von 2013 von sich zu überzeugen und dabei den Fan der ersten Stunde nicht zu verprellen.
Erwähnenswert: Der Sound und das Licht war beide sehr schön. Gerne würde ich auch noch mehr über die Texte sagen. Aber ohne die unbedingt zu vermeidenden „ehrlich“ und/oder „authentisch“ komme ich dabei leider nicht aus. Viel besser hat das Kollege Daniel über das Turbostaat-Konzert anno 2009 hinbekommen, der an dieser Stelle deshalb zitiert sei:
Irgendwie kaufe ich denen auch noch die komplette textliche Ebene ab. Erschreckend, wie stimmig hier zu Werke gegangen wird. Ein gutes Beispiel dafür, dass die scheinbar ach so plumpe Direktheit bestimmter Worte, im bestem Fall, mit der richtigen Geste und der entsprechenden Haltung vorgetragen, auch sehr poetisch sein kann.
Das unterschreib ich mit ’nem Tag. An alle, die nicht da waren und an den sturzbetrunkenen Typ, der das ganze Konzert hinten an der Wand gepennt hat: Gebt es euch. Ihr werdet es turbo mögen.
PS: Die Schweden von EF sind eine super Vorband gewesen. Sollte man sich auch dringend merken.
„Club Zentralheizung“. Ansonsten gab es aber wirklich kaum was zum meckern…
Also ich wundere mich schon sehr, warum dieser Gig „aus produktionstechnischen Gründen“ vom Uni in den Club Zentral verlegt wurde. Normalerweise umschreibt man damit ja „Vorverkauf läuft beschissen“, aber das kann es in diesem Fall ja wohl kaum gewesen sein. Ich hätte Turbostaat auch gerne gesehen, bin aber nach drei Titeln gegangen, weil ich erstens nur noch unter Gewaltanwendung reingekommen wäre, außerdem waren die Luftverhältnisse weit jenseits des Zumutbaren.
So exzellent Sound und Licht im Club Zentral sind, wenn’s richtig voll wird, macht es dort keinen Spaß. Und über diesen Zustand kann man sich noch nicht mal mit einem Bierchen hinwegtrösten, denn die Versorgungslage ist dort chronisch schwierig.
Zumindest habe ich mit EF eine wirklich feine Band kennengelernt…
Ja, also wer um sich herum Platz wie in der Manufaktur haben wollte war da natürlich arm dran. Ich denke es hätte auch nicht geschadet, 20 Tickets weniger herauszugeben.