THE WEDDING PRESENT, 29.09.2013, Manufaktur, Schorndorf

THE WEDDING PRESENT, 29.09.2013, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steve Sonntag

„Washing machines!“
„Sorry?“

David Gedge zweifelt sichtlich, ob ihn die Zuschauerin mit ihrem Zwischenruf nicht gerade auf den Arm nimmt. Dabei hatte der Frontmann von The Wedding Present doch gerade selbst ins Publikum gefragt, wofür Schorndorf eigentlich bekannt sei. Und dann sieht man ihm an, wie er diese ernüchternde Information mit dem in Einklang bringt, was er angesichts des sehr überschaubaren und auffällig ruhigen Publikums kurz vorher noch selbst lakonisch formuliert hatte:

Schorndorf. (Pause)
On a sunday night. (Pause)
That’s Rock’n’Roll! (Bierernste Miene. Gelächter im Publikum)

Ja, ein Gig zur Tatort-Zeit ist für jeden Veranstalter ein Risiko, zumal, wenn die Zielgruppe rein altersmäßig für beide Events in Frage kommt. Umso erstaunlicher, dass sich der gnädig mittels Molton-Vorhängen verkleinerte Saal, der kurz vor neun noch fast leer ist, letztlich dann doch noch mit etwa achtzig bis hundert Zuschauern ganz gut füllt. Wie erwartet wird das Bild beherrscht von Männern zwischen vierzig und fünfzig.

Und ich könnte wetten, dass der ein oder andere dabei ist, der zu dieser Band genau so kam wie ich. George Best, die coolste Socke im britischen Fußball, zierte nämlich das Cover des Debut-Albums einer mir bis dato unbekannten Band. Und das allein war natürlich Grund genug, es blind zu kaufen. Um dann festzustellen, dass es ziemlich knorrigen Gitarrenpop enthielt, der zwar irgendwie gut ins Ohr ging, aber verglichen mit meinen damaligen Favoriten, den Smiths oder Echo & the Bunnymen ziemlich unspektakulär war und überhaupt nicht auf die feinsinnigen Mixtapes für irgendwelche Mädels passte. Eher Männermusik halt.

Und, um ehrlich zu sein, richtig umgehauen haben mich die Mannen erst mit ihrer skurrilen John-Peel-Session mit ukrainischer Folklore. Das daraus resultierende Spin-Off The Ukrainians hat uns in den Folgejahren denkwürdige Konzerte in der Blumenwiese und dem Schützenhaus beschert, die Kernband um David Gedge habe ich aber für über zwanzig Jahre aus den Augen verloren. Umso neugieriger war ich, was aus diesem Urgestein wohl geworden war.

THE WEDDING PRESENT, 29.09.2013, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steve Sonntag

Mit dem Bericht vom Düsseldorfer Konzert konnte ich mich vorbereiten. Und tatsächlich: die Band hat einen Plan. Hier wird nicht eine beliebige Liste von Songs gespielt. Vielmehr wird hier, wie wohl auf den vorigen Tourneen auch, ein komplettes Album in der Original-Reihenfolge wiedergegeben. Und 2013 steht ihre 1992er Singles-Kollektion auf dem Programm, die sie als Album „The Hit Parade“ herausbrachten. Zugegeben: mir sind die Titel kaum geläufig, freudiges Wiedererkennen und wonniges Mitsummen sind mir also verwehrt – und so kann ich mich voll auf das Dargebotene konzentrieren.

Von der Originalband ist schon lang keiner mehr dabei, die junge Mannschaft aber, die Gedge um sich versammelt hat, spielt einen wunderbar exakten und gradlinigen Rock. Man kann sich kaum vorstellen, dass es vor zwanzig Jahren besser geklungen hat. Am markantesten natürlich die neue Bassistin Katherine Wallinger (ex-The Candys), die den Bass mit einer derart lasziven Gelassenheit spielt, dass wir angesichts ihrer Erscheinung kurz die Konzentration auf die Musik verlieren.

THE WEDDING PRESENT, 29.09.2013, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steve Sonntag

Zum Warmup für die Album-Präsentation werden erst noch einige Titel aus ihrem, wie Gedge scherzhaft meint, „enormous repertoire“ gespielt. Eröffnet wird mit „Interstate 5“, wenig später folgt natürlich auch ihr Hit „Brassneck“. Gedge ist relativ wortkarg, richtet nach jedem zweiten bis dritten Titel ein paar freundliche Floskeln an das Publikum, ist sonst aber sehr konzentriert. Und dieser Gig entwickelt sich zu einem Leckerbissen für Freunde feiner Indie-Gitarren. Gedge und sein junger Kollege Patrick Alexander spielen sich zunehmend warm und weben einmal ein Soundgeflecht in schönster Shoegaze-Manier um im nächsten Titel dreckige Riffs und Feedbacks rauszuhauen. Dazu natürlich Gedges unverkennbarer Gesangsvortrag, zu dem ich kürzlich hörte: „Es gibt nur  wenige, die so geil nicht singen können.“

THE WEDDING PRESENT, 29.09.2013, Manufaktur, Schorndorf

Foto: Steve Sonntag

Das Konzert entwickelt sich prächtig, die Dramaturgie stimmt und plötzlich wird mir klar, was eigentlich den Reiz dieser Musik ausmacht. Es ist die Quintessenz des britischen Indie-Rocks, was wir hier geboten bekommen. Während wir heute die Smiths und andere Zeitgenossen aus ihrer Frühphase nur noch mit Schaudern hören mögen, ist das hier einfach zeitlos gute Rockmusik. Geradlinig, schnörkellos und ein Lehrstück für all die gehypeten Jungspunde, die mit schöner Regelmäßigkeit die englische Rockmusik retten sollen. Oder um beim Fußball zu bleiben: „We call it a Klassiker!“.

Vor dem letzten Titel stellt Gedge klar, dass sie grundsätzlich keine Zugaben spielen. Dann leitet er das Konzertende mit einer kurzen Vorstellung der Band, einem verschmitzten Dank an das „beautiful and compact audience“ ein, um dann mit dem Monkeys-Cover „Pleasant Valley Sunday“ den Schlusspunkt zu setzen. Ein Banause, wer nach dieser runden Vorstellung eine Zugabe fordern würde. Tut aber auch keiner.

Nachtrag. Waschmaschinen werden in Schorndorf übrigens seit 2012 nicht mehr produziert. Insofern wäre die einzig korrekte Antwort auf die Eingangsfrage gewesen: die Manufaktur!

2 Gedanken zu „THE WEDDING PRESENT, 29.09.2013, Manufaktur, Schorndorf

  • 1. Oktober 2013 um 11:58 Uhr
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    Ha, mal wieder was gelernt! Das nächste Mal sollte ich wohl einen Hauch intellektueller auf Herrn Daimler verweisen, obwohl Du natürlich schon recht hast mit der korrekten Antwort! Allerdings ist Schorndorf wirklich einen Bummel durch die Altstadt wert, am tollsten an einem sonnigen Samstag zum Wochenmarkt :-)!! Schöner Bericht!

  • 2. Oktober 2013 um 09:00 Uhr
    Permalink

    Claudia sei eintschuldigt: Durch ihr nicht KFZ-affines Umfeld und ihre ansonsten völlig häusliche Ader hat sie natürlich sofort an die Waschmachine gedacht.

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