THE SONS, LE-THANH, 04.09.2013, Café Galao, Stuttgart

The Sons

Foto: X-tof Hoyer

Ach, was sind wir alle froh, dass das Galao nun mit allen behördlichen Segen versehen ist, um weiter Live-Musik im besonderen Rahmen zu präsentieren! Das Konzert der englischen Pop-Band The Sons hätte nämlich so, wie es gestern Abend ablief, garantiert in keinem anderen Club stattgefunden.

Als wir gegen halbacht einlaufen, steht auf der Tübinger Straße der klapprige Bandtransporter und die Briten beginnen gerade, ihre Instrumente aus selbigem zu wuchten und in das bereits gut gefüllte Café zu verfrachten. Nun weiß jeder: spätestens um halbneun muss im Galao begonnen werden, denn die Lizenz zu Musizieren reicht nur bis 22 Uhr, und auf die Einhaltung dieser Schlusszeit wird peinlichst geachtet. Eine Stunde für Aufbau und Soundcheck, eine sportliche Zielvorgabe. Vor allem, da The Sons zu fünft anreisen. Ein kompletter Aufbau mit Schlagzeug und Keyboard auf der Winz-Bühne des Galao ist ohnehin immer eine unterhaltsame Vorstellung. Das allein wäre aber noch keine echte Herausforderung, da hat Galao-Wirt Reiner schon ganz andere Bands untergebracht. Heute gibt’s aber noch eine zusätzliche Aufgabe: das für kommenden Samstag angekündigte Duo Le-Thanh und Flemming Borby steht überraschend auch vor der Tür.

Die Lösung: beide Bands – die musikalisch kaum unterschiedlicher sein könnten, und in dieser Kombination sicher nie gebucht würden – teilen sich die knappe Zeit und den noch knapperen Raum. Also wird für Le-Thanh vor der Bühne aus einem Flightcase eine zweite Minibühne improvisiert (Der Sons-Sänger findet übrigens, die Konstruktion sehe aus wie einer dieser Stege vor den Festival-Riesenbühnen, stolziert Bono-mäßig kurz drüber und stimmt zur allgemeinen Belustigung „Pride“ an)

Le-Thanh

Foto: X-tof Hoyer

Beeindruckend, dass Le-Thanh Ho es schafft, sich in diesem Tohuwabohu auf Ihren Auftritt zu konzentrieren. Ebenso erfreulich, dass das Publikum zu konzentrierter Ruhe findet. Denn es sind feine, leise Chansons, die die in Berlin lebende Sängerin vorträgt. Mit minimaler, fein akzentuierter Begleitung des dänischen Gitarristen Flemming Borby singt sie vom Regen und Elefanten im Dreivierteltakt. Träumerische Anekdoten, nicht ohne humorvolle Wendungen. Eine kräftige, ausgebildete Stimme hat sie und setzt sie variabel ein. Da wird gesungen, gehaucht und rezitiert. Und ein paar Akzente vom Glockenspiel gibt es auch noch dazu. Nach einer guten halben Stunde ist der Spaß leider schon vorbei. Dem Publikum – das ja eigentlich wegen einer ganz anderen Band gekommen war – hat’s offensichtlich auch gefallen und man denkt sich: das wäre auch mal eine Kandidatin für das Chansong-Fest.

The Sons

Foto: X-tof Hoyer

Jetzt haben es The Sons natürlich eilig. Siebzehn Stunden hat ihre Anreise aus den Midlands gedauert, und nun spielen sie gegen die Uhr. Reiners obligatorische Band-Vorstellung überspringen sie kurzerhand, ein kurzes Hallo in die Runde, und los geht’s mit „Welcome Home Again“, dem Opener Ihres Albums „Visiting Hours“. Und prompt zeigt sich, dass der Soundcheck wohl noch nicht ganz abgeschlossen war. Da knistern die Wackelkontakte, da koppelt es zurück, da werden amüsierte Blicke in der Band gewechselt. Doch die Briten – professionell, wie sie sind – verlieren nicht die Nerven, haben ein paar Scherze und ein paar freundliche Worte für das Publikum parat, während im Hintergrund Kabel ausgetauscht werden.

Leider dauert es drei Titel lang, bis der Sound wirklich passt und fast alle technischen Probleme überwunden sind. Aber man merkt schon: Ihre Songs, die man vielleicht als Indie-Pop-Rock mit einem Schuss Folk beschreiben könnte, sind ganz schön robust. Genau genommen klingen sie in dieser etwas ruppigen Live-Variante fast noch besser als auf den vergleichsweise aufwändig produzierten Alben. Die Stimmung ist jedenfalls glänzend, der Band macht’s Spaß und Reiner gibt erstmal eine Runde Schnaps aus. So etwas seien sie aus England nicht gewöhnt, und es befeuert ihre Spiellaune zusätzlich. Sporadisch auftretenden Rückkopplungen an der akustischen Gitarre weichen sie mit artistischen Verrenkungen aus, und zwischen den Titeln werden die Positionen gewechselt, was sich auf der Bühne als äußerst schwierig aber auch sehr spaßig gestaltet. Sie erklären den Galao-Gig, der der erste ihrer Minitour ist, zum Test-Konzert und das Publikum zu Versuchskaninchen. Kurzum: eine extrem unterhaltsame Darbietung, die allerdings viel zu schnell ihrem Ende entgegenstrebt.

The Sons

Foto: X-tof Hoyer

Und als sich abzeichnet, dass es wohl noch nicht mal mehr zu einer Zugabe reichen wird, lädt Reiner die fünf spontan ein, am Freitag einfach nochmal ins Galao zu kommen. Das begeisterte Publikum mag’s kaum glauben: The Sons sagen sofort zu! So findet dieser turbulente Konzertabend nicht nur ein sehr versöhnliches Ende, sondern tatsächlich nur zwei Tage später eine Fortsetzung in Form eines kompletten Extra-Gigs. Ganz klar, dass wir – und vermutlich auch alle anderen – wieder dabei sind. Schließlich haben wir auf der stark zusammengestrichenen Setlist gespickelt und erkannt, dass sie ihre Hits gar nicht mehr spielen konnten. Und alle, die den ersten Gig verpasst haben, bekommen eine zweite Chance. Und die gibt’s ja bekanntlich nicht allzu oft im Leben.

Le-Thanh

The Sons

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