THIS IS THE KIT, MORNING STAR, ROZI PLAIN, 27.07.2013, Wohnzimmer, Feuerbach

Wohnzimmerkonzert

Foto: Steffen Schmid

Ein privates Wohnzimmer irgendwo am Stadtrand von Stuttgart-Feuerbach schickt sich an, ein neuer Hotspot für lokale Indie-Konzerte zu werden. Als wir im November letzten Jahres der Einladung zu Hymn For Her folgten, war Gastgeberin Claudia nämlich so begeistert von ihrem ersten Privat-Gig, dass sie damals ankündigte, sie werde wohl bald wieder ein solches Konzert organisieren. Ein knappes Dreivierteljahr später hat sie es wahr gemacht.

This Is The Kit, das als große britische Folk-Hoffnung gehandelte Projekt um Kate Stables, ist im Land. Claudias Einladung folgend, schieben die vier Briten zwischen ihren Auftritt auf dem Burning Eagle Festival in Reutlingen und dem Auftritt mit Bob Geldof auf dem Lörracher Stimmen-Festival ein Privatkonzert im „Indie-Wohnzimmer“ ein.

Wohnzimmerkonzert

Foto: Steffen Schmid

Es ist der heißeste Tag des Jahres, und es haben sich trotzdem gut vierzig Gäste eingefunden. Das Wohnzimmer wird zum Garten hin geöffnet, der Grill und gekühlte Getränke stehen bereit. Die Rahmenbedingungen für ein intimes Klein-Konzert könnten nicht besser sein. Die Gäste: eine Mischung aus Freunden, Familie und Musik-Fans, die – auf welchen Wegen auch immer – von diesem Gig Wind bekommen haben. Darunter der Gig-Blog mit einer Vierer-Abordnung und die Kollegen vom Konzerttagebuch. Das Wohnzimmer wird zur Hälfte von der Technik eingenommen. Hier wird nicht mit minimalem Aufwand ein Akustik-Set gegeben, nein, hier steht eine komplette PA, einige Verstärker, ein komplettes Schlagzeug, diverse Saiten- und Streichinstrumente. Ein beeindruckender Kabelwust nebst Effektgeräten bedeckt den Boden. Die Karnickel aus dem Käfig neben dem Schlagzeug sind vermutlich vorsorglich ins Exil geschickt worden. Auf der verbliebenen Fläche werden ein paar Bierbänke aufgestellt, die übrigen Gäste lauschen der Band aus dem Garten, dem Flur, der Küche und dem Treppenhaus.

Wohnzimmerkonzert

Foto: Steffen Schmid

Eine schöne Überraschung: bevor Kate als This Is The Kit auftreten wird, präsentieren sich die Mitmusiker Rozi Plain und Jesse Vernon mit ihren Projekten. So beginnt der Abend mit einem Set von Rozi Plain. Sie spielt einige Titel aus ihrem aktuellen Album „Joined Sometimes Unjoined“. Feiner, leichter, unprätenziöser Indie-Pop mit einer etwas sperrigen Gitarre und eingängigen Melodien. Das Klavier der Gastgeberin (im Rücken der Zuschauer stehend) wird einfach einbezogen. Ein eigenartiges Gefühl, durch diese überraschende Anordnung plötzlich inmitten der Band zu sitzen.

Wohnzimmerkonzert

Foto: Steffen Schmid

Direkt danach werden die Positionen gewechselt, Jesse Vernon tritt ans Mikro, Rozi übernimmt den Bass, und Kate spielt weiterhin die zweite Gitarre. Jesse gibt eine Handvoll Titel seines Band-Projekts Morning Star zum Besten. Britisch humorvoll, etwas rockiger und mit herzhaftem Einsatz des Wahwah-Pedals. Auch hier lockere Melodien, bei denen das Publikum sogar der Einladung zum Mitsingen nachkommt. Unbedingt erwähnenswert: der vierte Musiker im Bunde (dessen Name mir leider nicht präsent ist, mich aber spontan an den jungen Kevin Rowland erinnert) spielt nicht nur Schlagzeug und Klavier, sondern auch Bratsche. Eine wahrlich große Spannbreite. Die Titel von Morning Star scheinen ihm nicht geläufig zu sein, Jesse gibt ein paar Anweisungen, wie er sich den Rhythmus vorstellt, und schon legt der Kollege – zuerst zaghaft, dann aber resolut – das Rhythmus-Fundament für die Titel.

Wohnzimmerkonzert

Foto: Steffen Schmid

Nach einer kurzen Pause – die Sonne ist inzwischen untergegangen, ein kühlendes Lüftchen zieht durch’s Wohnzimmer – tritt also This Is The Kit auf. Die Besetzung bleibt die gleiche, nun tritt Kate in den Mittelpunkt. Ein seltsames Bauchtäschchen schnallt sie sich um, in das dann das Banjo gesteckt wird. Etwa die Hälfte der Titel spielt sie mit der Gitarre, die anderen mit eben diesem Banjo. Es sind federleichte Melodien, sehr reduziert in der Instrumentierung, mit sparsamen Akzenten. Kates Stimme mäandert, entwickelt eine fast hypnotische Wirkung. Böse Zungen würden dies eventuell als Hippie-Musik bezeichnen, dazu finde ich es aber zu spröde. Ein großer Teil des Programms stammt vom aktuellen Album „Wriggle Out The Restless“, mein persönlicher Favorit „Waterproof“ ist auch dabei.

Wohnzimmerkonzert

Foto: Steffen Schmid

Kurz ins Straucheln gerät das Programm als in der Nachbarschaft ein Feuerwerk mit Böllerschüssen abgebrannt wird, was durch die offenen Fenster deutlich zu hören ist. Umgekehrt ist es allerdings erstaunlich, dass sich in dieser beschaulichen Wohngegend niemand über den stellenweise doch erheblichen Klangpegel der Band beschwert. (Vermutlich sind die angeblich so spießigen Schwaben viel toleranter als ihnen nachgesagt wird).

Wohnzimmerkonzert

Foto: Steffen Schmid

Bis gegen elf wird weiter musiziert, eine Zugabe gibt es natürlich auch, nur ihren Hit „Two Wooden Spoons“ spielen This Is The Kit nicht. Dennoch lässt sich Claudia – kaum sind die letzten Töne verklungen – zur Ankündigung hinreißen, dass sie bald wieder ein Konzert machen wolle. Fein. Wir sind gerne wieder dabei! (Wenn wir uns mal so dreist selbst einladen dürfen.)

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