CALEXICO, 04.07.2013, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart

CALEXICO, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart 2013

Foto: Andreas Meinhardt

Schon wieder Open Air für mich Konzert-Drinni. Gerade war doch erst Neapel, und jetzt das erste Mal für mich auf der Freilichtbühne Killesberg. Bekomme ich das Ding endlich auch mal zu Gesicht. Der Preis für den Gästelistenplatz ist gleich mal ein sehr hoher: ein Silbermond-Ticket verschafft einem den Eintritt, das muss erst mal sacken.

Ganz schön groß ist das ovale Rund, ob das durch Calexico gut befüllt werden kann? Die Herren gibt es ja nun schon seit Ende der 90er. Das erste Mal durfte ich sie 1999 auf dem Münchner Southside sehen. Waren mir völlig unbekannt, doch danach gleich Fan geworden. Danach habe ich sie nur noch einmal auf dem Stuttgarter Wasen in einem Zelt gesehen. Eine Art Festival war das, dessen Namen und sonstige Erinnerungen allerdings völlig verloren gegangen sind. Vielleicht weiß ja irgendein Leser mehr, was das damals war auf dem Wasen?

So knapp nach 19 Uhr fangen Depedro aus Madrid an. Bei vollstem Tageslicht und großer, nicht ausgefüllter Fläche vor der Bühne eine nicht ganz einfache Aufgabe. Aber der Sound ist gut, bisschen dezibelschwach aber gut ausgesteuert, spanischen Gesang find ich per se eh gut, Madrid-Bonus gibt’s obendrauf von mir, da macht die Mischung aus Popmusik und spanisch-lateinamerikanischen Elementen doch Spaß. Die Musikgeschichte werden Depedro wohl nicht neu schreiben, aber die Songs sind gut und werden dynamisch und gekonnt gespielt, ist ja auch keine Selbstverständlichkeit.

Weitere Beobachtungen: das Publikum ist sehr Szenen- und Generationen-durchmischt. Wobei ich die Älteren aussehenstechnisch pauschal unter Pädagogenverdacht stelle. Aber das wäre ja auch ok, wenn die Schüler von Leuten mit gutem Musikgeschmack herangezogen werden.

Derweil riecht es überall derbe nach Roter Wurst, und was die Leute an Bier trinken können… Warum eigentlich immer dieses Biergesaufe? Das macht doch müde. Kaffee als Konzertgetränk. Das wäre gut! Man stelle sich nur vor, was mit einem durch übermäßigen Kaffeekonsum aufgepeitschten Publikum möglich wäre. Aber auf mich hört ja keiner.

CALEXICO, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart 2013

Foto: Andreas Meinhardt

20 Uhr, Calexico betreten als Septett die Bühne. Und gleich die erfreuliche Feststellung, dass zwei Trompeter dabei sind. Bläser eh immer gut, live quasi doppelt so viel wert. „Epic“ ist der erste Song und auch Opener des aktuellen, sehr gelungenen Albums „Algiers“. Der Sound ist auch hier weiterhin ziemlich klar und gut, aber ein bisschen lauter wäre trotzdem gut. Die Kombination aus Tageslicht, trotz ca. 2000 Leuten locker gefüllten Zuschauerrängen, und dann noch etwas zu leisem Sound erschwert etwas das Unternehmen „magisches Konzerterlebnis“.

Doch die Mannen um Joey Burns und John Convertino kämpfen mit herausragenden Songs und herausragender Band dagegen an. Neben den Trompeten kommen abwechselnd auch ein Akkordeon in italienischen mexikanischen Farben, ein Vibraphon und eine akustische Gitarre, größentechnisch irgendwo zwischen Ukulele und Gitarre angesiedelt, zum Einsatz.

„Splitter“ ist ein schöner, rockiger Uptempo-Song vom neuen Album, bevor dann mit „Roka (Danza Della Muerte)“ gleich eines meiner vielen Highlights kommt. Die improvisierten Passagen mit Soli im Mittelteil, machen den Song noch besser als er eh schon ist. Unwiderstehlich!

CALEXICO, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart 2013

Foto: Andreas Meinhardt

Das darauf folgende „Dead Moon“ ist ein dunkler und schwerer Walzer. Sehr stimmungsvoll, mit einigen Parts, die fast schon gewaltig, dramatisch wirken. Stimmungstechnisch passt das folgende „Para“ mit seiner Melancholie und seiner flehenden Steel-Gitarre bestens dazu. Freund Jochen meint, ich solle vermerken, das sei ein Highlight. Hat er ja auch Recht.

Weiterer Höhepunkt gleich hinterher: „Minas De Cobre“, ein älterer Song. Spaghettiwestern, Morricone, fantastische Bläser, Gänsehaut-Parts die Stichworte hierzu. Fantastisch!

„No Te Vayas“ ist eine schöne Ballade mit herzerweichender Trompetenmelodie, ebenso vom neuen Album wie das folgende Americana-Stück „Maybe On Monday“. „Fortune Teller“ rundet den Algiers-Dreierpack ab, und bestätigt auch live, dass das letzte Album ein gutes ist. Bei letzterem wird mir auch bewusst, dass Joey Burns sich über all die Jahre zu einem wirklich guten, ausdruckstarken Sänger entwickelt hat. Den Eindruck hatte ich am Anfang von Calexicos Karriere nicht.

Die Hits „The Ballad Of Cable Hogue“ und “Crystal Frontier” werden schon recht früh verschossen. Klares Anzeichen, dass hier eine Band schon lange unterwegs ist, viel live gespielt hat, und nicht Gefahr laufen will, in die üblichen Konzertroutinen zu verfallen. Passt schon!

CALEXICO, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart 2013

Foto: Andreas Meinhardt

Aufs Klo muss ich auch mal (vom Kaffee), am besten bei einem Song, den ich nicht super finde. Kommt sogar, müsste einer von der „Garden Ruin“ sein. Mittendrin wird „Love Will Tear Us Apart“ gecovert. Gut gewählt die Zwangspause.

„Puerto“ ist der würdige Abschluss des regulären Sets. Am stärksten sind Calexico für mich immer dann, wenn sie die lateinamerikanischen Einflüsse hervorheben, wie bei diesem Song. Die erste Zugabe hingegen ist eher ein Americana Stück, das durch seinen wunderbaren mehrstimmigen Gesang besticht, verstärkt durch die Mitglieder von Depedro. Ein Cover wohl, ich kenn’s aber nicht. Würde mal blind auf irgendwas von Crosby, Stills, Nash & Young tippen, kann aber auch ganz falsch sein.

CALEXICO, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart 2013

Foto: Andreas Meinhardt

Der Titel der zweiten Zugabe will mir hingegen partout nicht einfallen, obwohl ich es kenne. Nun gut, feierlich-mexikanisch klingt es, und das Gitarren-Solo im Country-Style ist der Wahnsinn. Mit „Güero Canelo” kommt dann der ultimative Höhepunkt des Konzerts. Der akzentuierte Gitarren-Basslauf, die vielen tollen Soli, das kurze Vermengen von Manu Chaos „Desaparecido“ und „Candela“ von den alten kubanischen Herren, bedient bestens Herz und Beine der Zuschauer. Und eigentlich wäre hier dann Schluss, aber das begeisterte Publikum will mehr, und so werden wir dann mit „The Vanishing Mood“ dezent verabschiedet. Zum ersten Mal kommt das Bühnenlicht stimmungsvoll zum Einsatz, und zeigt was atmosphärisch noch möglich gewesen wäre. Bei Dunkelheit wäre es wohl das Konzert des Jahres geworden, so war es nur super.

9 Gedanken zu „CALEXICO, 04.07.2013, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart

  • 5. Juli 2013 um 11:36 Uhr
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    Kannte die bislang gar nicht und war ganz angetan. Nette Location, halt bissle wenig los. Hatte streckenweise das Gefühl, dass viele Pädagogen a.D. vor Ort waren. Und das Silbermond-Ticket war echt hart! Aber hey, warum Kaffee trinken, wenn’s auch Bier gibt?

  • 5. Juli 2013 um 12:26 Uhr
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    paar Ergänzungen dank www:
    – das vermeintliche Garden Ruin Stück mit Joy Division Cover war wohl „Not Even Stevie Nicks“ von der Feast Of Wire, trotzdem für mich gut gewählte Pinkelpause
    – die erste Zugabe ist nicht von C,S,N&Y, sondern „Look At Miss Ohio“ von Gillian Welch.
    – @Carsten: Bier macht mich halt müde und mag ich eh nicht so (seltsam, weiß ich), und finde das mit dem Kaffee statt immer nur Bier einfach eine reizende Idee für Konzerte, so bildlich auch.

  • 5. Juli 2013 um 16:48 Uhr
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    Kaffee bei Konzerten. 1. : Viel zu gefährlich!!!

    2. Solltest Du mal wieder mit mir auf Konzerte meiner Wahl gehen. Da wirst Du keine politisch bedenkliche Aufputschplörre benötigen, damit Du nicht einpennst. Und komm mir nicht auf die Idee bei Black Sabbath Ende des Jahres Black Coffee zu schlürfen.

  • 5. Juli 2013 um 17:05 Uhr
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    Kaffeekränzchen statt Bierdusche? Also ich weiß nicht…

  • 5. Juli 2013 um 18:44 Uhr
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    Die 2. Zugabe die du kennst, die dir aber nicht einfallen wollte ist Corona von Minutemen (wird auch verwendet bei Jackass als Titelmelodie) :-)
    War sehr schön gestern!

  • 6. Juli 2013 um 01:40 Uhr
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    So schön der Killesberg ist: Die Lautstärke ist hier leider immer ein Problem und absolut Calexico-unabhängig. Das liegt an der Killesberger Anliegerschaft, die selbst beim Soundcheck schon ein Lautstärke- und Zeitlimit durchgesetzt hat.
    Abgesehen davon: Wer kennt schon ein Open Air- Gelände bei dem auf der Bühne ganz fett eine Uhr angebracht ist, die der Band sagt: „Um 22:00 Uhr ist aber Schluß, sonst kommt die Bollizei!“ Klingt komisch – ist aber so.

  • 10. Juli 2013 um 16:09 Uhr
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    Das im Zelt auf dem Wasen war 2003 das „Wasn’Stage“-Festival.

  • 11. Juli 2013 um 12:09 Uhr
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    Ja, nur das eine Jahr. Eigentlich schade, waren ein paar gute Bands damals am Start. Wenn auch manchmal in seltsamer Mischung, ich hatte z.B. INXS gesehen (ich weiß aber gar nicht mehr, wer damals Sänger war) die an dem Tag mit der Kleinen Tierschau als „Vorband“ aufgetreten sind.

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